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Enerige & Management > Klimaschutz - Treibhausgasexperten prognostizieren zu hohe Emissionen
Quelle: Pixabay / Gerd Altmann
KLIMASCHUTZ:
Treibhausgasexperten prognostizieren zu hohe Emissionen
Der Expertenrat für Klimafragen hat eine Prognose des deutschen Treibhausgasausstoßes bis 2030 vorgenommen. Demnach werden die Klimaschutzziele schon ab 2024 nicht sicher erreicht.
 
Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) hat am 3. Juni in Berlin ein durch die Bundesregierung beauftragtes Sondergutachten vorgelegt. Darin prüft er die Projektionsdaten 2024 für die zukünftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Anlass für die Beauftragung ist die Novelle des Klimaschutzgesetzes. Das Gesetz sieht vor, dass der Expertenrat eine Feststellung zur Einhaltung der Emissionen in den Jahren 2021 bis einschließlich 2030 trifft. Laut der Prüfung genügen die derzeit absehbaren Reduktionsmaßnahmen nicht zur Erreichung der Ziele, sagte der Vorsitzende des Expertenrats Hans-Martin Henning.

Laut der Prognose werde das im Klimaschutzgesetz vorgegebene Emissionsbudget für den Zeitraum 2021 bis 2030 in diesem Jahr nur sehr knapp eingehalten. Die kumulierten Zielverfehlungen der Sektoren Verkehr und Gebäude würden durch Übererfüllungen in anderen Sektoren, insbesondere der Energiewirtschaft und in geringerem Maße der Industrie, ausgeglichen. Staatssekretär Stefan Wenzel aus dem Bundesklimaschutzministerium versprach: „Die Analysen des ERK wird das BMWK nun sorgfältig auswerten und die Möglichkeiten zur Umsetzung der ERK-Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Projektionsdaten prüfen.“

Zielerreichung bezweifelt

Trotz der Unsicherheiten von Prognosen sehen die Expertinnen und Experten, dass schon in diesem Jahr die Treibhausgasemissionen zu hoch ausfallen dürften. Hans-Martin Henning sagte: „Nach Prüfung der Daten bestätigt der Expertenrat, dass die Gesamtemissionen bis 2030 substanziell sinken werden, allerdings vermutlich weniger stark als in den Projektionsdaten ermittelt.“ Gründe für die Zielverfehlung sieht der Expertenrat unter anderem in den Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds, aber auch in veränderten Markterwartungen für Gaspreise und CO2-Zertifikatspreise im EU-ETS.

Zusammenfassend stellte Henning fest: „In Summe können wir die von den Projektionsdaten 2024 ausgewiesene kumulierte Zielerreichung für die Jahre 2021 bis 2030 nicht bestätigen, sondern gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus.“ Noch im März dieses Jahres hatte Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) nach dem Erreichen der Emissionsminderungsziele für 2023 gesagt, Deutschland sei „auf Kurs“ zur Erreichung der Klimaschutzziele.
 
Bei der Vorstellung der Treibhausgas-Projektionsdaten:
Brigitte Knopf und Hans-Martin Henning vom ERK
Quelle: E&M / Susanne Harmsen

Zusätzliche klimapolitische Maßnahmen empfohlen

Laut Novelle des Klimaschutzgesetzes gibt es bei erstmaliger Zielüberschreitung keine unmittelbare Handlungsfolge für die Bundesregierung. Dennoch empfiehlt der Rat, „nicht auf das erneute Eintreten einer Zielverfehlung zu warten, sondern die zeitnahe Implementierung zusätzlicher Maßnahmen zu prüfen“. Die stellvertretende Vorsitzende, Brigitte Knopf sagte: „Der Fokus sollte hier auf den beiden für die europäische Lastenteilung relevanten Sektoren Gebäude und Verkehr liegen, die zudem die größten Zielüberschreitungen aufweisen.“

Auch in der Betrachtung über das Jahr 2030 hinaus sieht der Expertenrat Handlungsbedarf. So würden laut den Projektionsdaten die Ziele im Zeitraum 2031 bis 2040 überschritten und das Ziel der Treibhausgasneutralität würde weder bis zum Jahr 2045 noch bis 2050 erreicht. Zudem würde der Sektor Landnutzung (LULUCF) laut Projektionsdaten seine im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Ziele weit verfehlen. Statt eine zunehmend ausgeprägte Treibhausgas-Senke zu werden, wäre der Sektor zeitweise sogar eine Quelle.

Umweltorganisationen fordern Taten statt Warten

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte mehr Sanierung im Gebäudebestand und einen schnelleren Ausstieg aus fossilen Heizbrennstoffen. Der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte: „Als allererste Notfallmaßnahme muss jetzt endlich das dringend benötigte Tempolimit kommen.“ Auch Gerichtsurteile bestätigten den Druck auf die Regierung. Für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erklärte der Vorsitzende Olaf Bandt: „Die Bundesregierung muss unverzüglich klimapolitisch nachlegen, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen.“ Es brauche einen gesetzlichen Fahrplan, mit dem Gebäude-Eigentümer Planungssicherheit bekommen und die Klimaziele verlässlich erreicht werden.

Die Denkfabrik Agora Energiewende stellte fest, dass der Expertenrat zu gleichen Schlüssen gekommen sei wie die eigenen Berechnungen. Deutschland-Direktor Simon Müller sagte: „Mit Blick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen bedeutet dies, dass die Ampel-Koalition Zukunftsinvestitionen im Klimabereich dringend absichern muss.“ Die verheerenden Überschwemmungen in Süddeutschland zeigten eindrücklich, wie die Folgen der Klimakrise in Deutschland schon heute Wohlstandsverluste verursachen.

Das Sondergutachten des ERK  ist im Internet abrufbar.
 

Susanne Harmsen
Redakteurin
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