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Enerige & Management > Wärme - Wege zur sozialen Wärmewende diskutiert
Quelle: Shutterstock / jamesteohart
WÄRME:
Wege zur sozialen Wärmewende diskutiert
Die Denkfabrik Agora Energiewende hat auf den Berliner Energietagen politische Maßnahmen für die Dekarbonisierung der Wärme vorgestellt. Diskutiert wurden auch die sozialen Folgen.
 
Die Denkfabrik Agora Energiewende präsentierte auf den Berliner Energietagen am 27. Mai ihre aktuelle Studie „Soziale Wärmewende“. Darin untersuchten die Autoren, wie sich Wohngebäudeeigentümer unter verschiedenen politischen Rahmenbedingungen verhalten – und welche finanziellen Konsequenzen das für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen hat. Ziel der Analyse ist es, Pfade aufzuzeigen, wie der Wohngebäudebestand in Deutschland klimaneutral werden kann, ohne die soziale Balance zu gefährden.

Der Gebäudesektor steht dabei vor einem doppelten Anspruch: Klimaschutz erfordert massive Investitionen in Effizienz, erneuerbare Energien und neue Heizsysteme. Gleichzeitig muss Wohnen bezahlbar bleiben – insbesondere für Mieterinnen und Mieter sowie einkommensschwache Haushalte. Laut der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ liegt der Investitionsbedarf bei rund 200 Milliarden Euro jährlich, etwa ein Viertel davon entfällt auf zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen.

Politischer Rahmen und Anreize

In der Modellrechnung von Agora Energiewende wurde ein konkreter Politikmix simuliert: eine Fortschreibung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), eine umgesetzte kommunale Wärmeplanung und ein CO2-Preispfad im Rahmen des zweiten europäischen Emissionshandels (EU-ETS II). Demnach steigen die CO2-Preise real von 95 Euro pro Tonne im Jahr 2027 auf 166 Euro im Jahr 2045. Begleitend sollen Fördermittel in Höhe von 17 Milliarden Euro jährlich bereitstehen, etwa über die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“.

Hinzu kommen sozial gestaffelte Fördermaßnahmen: Für das einkommensschwächste Viertel der Haushalte sieht der Vorschlag eine 100-prozentige Heizungsförderung vor. Vermietende, die die Kaltmiete nach einer Sanierung nur begrenzt erhöhen, sollen einen Bonus erhalten. Die Studie schlägt außerdem eine Reform der Förderkriterien vor: Statt idealer Zielzustände sollen künftig vor allem große Effizienzverbesserungen honoriert werden. Staatlich abgesicherte Finanzierungen, insbesondere über Banken, Bausparkassen und Stadtwerke, werden als zentrale Stellschraube genannt.

Ergebnisse der Simulation

Laut Agora Energiewende könnte mit dem untersuchten Politikmix ein klimaneutraler Wohngebäudebestand bis 2045 erreicht werden. Die notwendigen Instrumente umfassen unter anderem die Dekarbonisierung der Wärmenetze, eine gezielte Förderung für schlecht gedämmte Gebäude („Worst Performing Buildings“) sowie neue Mindeststandards für Energieeffizienz.

Der CO2-Preis hingegen habe in der Simulation nur geringe Lenkungswirkung entfaltet – zumindest auf dem aktuell vorgesehenen Niveau. Erst bei deutlich höheren Preisen wäre eine spürbare Verhaltensänderung zu erwarten, allerdings mit potenziell gravierenden sozialen Folgen.
 
Vergleich monatlicher Kosten für die Heizungssanierung
(zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: Agora Energiewende

Verteilung der Kostenbelastung

Trotz sozial ausgestalteter Förderung bleiben laut Agora die finanziellen Lasten ungleich verteilt. Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihre Immobilien selbst nutzen, tragen laut Studie die höchsten absoluten Kosten, sparen aber in der Folge der Nutzung. Mieterinnen und Mieter wiederum profitieren kaum von künftigen Einsparungen, da sich die Investitionen nicht direkt auf ihre Wohnkosten auswirken und auch nach Ende der Rückzahlung die Umlage auf die Miete bleibt. Vermietende können hingegen mittelfristig mit Mehreinnahmen rechnen. Diese Ergebnisse wurden anschließend diskutiert.

Volker Hoppenbrock (CDU) vom Bundeswirtschaftsministerium sagte, dass viel diskutiert wird, aber „erst in sechs Monaten“ mit Aussagen zu rechnen sei. „Soziale Gerechtigkeit ist schwierig bei den vielfachen Interessenlagen zwischen Eigentümern und Mietern“, sagte er.

Ingrid Vogler vom Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Modernisierungsumlage mit maximal zwei Euro pro Quadratmeter nach Sanierung oft nicht ausreiche, um die Investitionen der Vermieter zu decken – insbesondere angesichts gestiegener Baukosten. Daher würden viele Unternehmen bevorzugt in die Heizungstechnik investieren, etwa durch den Umstieg auf Wärmepumpen.

Niklas Wehbring vom kommunalen Versorger Enercity in Hannover bezeichnete Wärmenetze und klimafreundliche Fernwärme als die sozial verträglichste Lösung: „Wir garantieren unseren Kundinnen und Kunden, unter den Kosten einer Gasheizung zu bleiben.“ Daher forderte er mehr Förderung für diese Bereiche der Wärmewende. Franz Michel vom Deutschen Mieterbund wies darauf hin, dass vor allem Mieterinnen und Mieter mit geringem Einkommen, die keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten, belastet seien. Sie hätten keinen Einfluss auf Gebäudetechnik oder Dämmung, müssten aber die höheren Kosten tragen. Der Umbau des Gebäudesektors in nur 20 Jahren benötige einen konsequenten und sozial abgefederten Politikmix, so das Fazit.
 

Susanne Harmsen
Redakteurin
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