
Konfuzius soll gesagt haben: „Zu einem guten Ende gehört auch ein guter Beginn.“ Genau diesen guten Start hatte die dritte
Große Koalition in der Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Frühjahr 2018 nicht gehabt. Das insbesondere von den Sozialdemokraten
als „Zwangsehe“ empfundene Bündnis legte einen in weiten Teilen uninspirierten Koalitionsvertrag vor, der nur wenige Impulse für die Energiepolitik und die Energiewende enthielt.
Zumindest gab es das Bekenntnis, dass Deutschland seine internationalen Klimaschutzverpflichtungen einhalten wolle. Dafür
sollte bis Ende 2018 ein Plan für den Kohleausstieg stehen. Eine sogenannte Strukturwandelkommission machte sich gleich an
die Arbeit. Doch das war es auch erst einmal. Erst Anfang 2020 lag das Kohleausstiegsgesetz mit einem Zieldatum 2038 auf dem
Tisch, das heute schon wieder überholt erscheint.
Schlechte Zeiten für erneuerbare Energien
Dafür trat Peter Altmaier (CDU) sein Amt als Bundesminister für Wirtschaft und Energie an. Damit brachen schlechte Zeiten
für die erneuerbaren Energien an, die eigentlich den energiewirtschaftlichen Ausstieg aus der Kohle- und Atomverstromung ermöglichen
sollen. Unter dem gebürtigen Saarländer, der schon als Bundesumweltminister als unglückliche Figur in Erinnerung geblieben
ist, hatte vor allem die Windenergie zu leiden. Bei der Windkraft auf See ist es zu dem von Branchenexperten befürchteten
Fadenriss beim Ausbau gekommen, in diesem Jahr beträgt er null Watt.
Die Bilanz bei der Windkraft an Land fällt kaum besser aus: Merkels drittes schwarz-rotes Kabinett hat die zwei schwächsten
Zubaujahre für die Onshore-Windkraft seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 zu verantworten.
Was auch an Altmaier liegt: Er hat seinen im Herbst 2019 vollmundig angekündigten „18-Maßnahmen-Plan“, der für Aufwind beim
Windkraftausbau sorgen sollte, bis heute nicht vollständig umgesetzt. Bitterer Kommentar von Hermann Albers, Präsident des
Bundesverbands Windenergie (BWE): „Die Regierungskoalition hat den Stillstand kultiviert.“ Die Folge: Nach Branchenschätzungen
gingen hierzulande seit 2016 bis zu 60.000 Arbeitsplätze im Windkraftbereich verloren.
Für die Photovoltaik gab es einen Ausbaudeckel bei 52.000 MW installierter Leistung, der die Kosten der EEG-Umlage im Zaum
halten sollte. Angesichts deutlich gesunkener Modulpreise machte diese Förderobergrenze schon länger keinen Sinn mehr. Dennoch
bedurfte es im Sommer 2020 eines Einschreitens des Bundesrats, um den Deckel in letzter Minute abzuschaffen. Sonst wäre der
Ausbau auch im Solarsektor zum Erliegen gekommen.
Während die Bundesregierung vollmundig eine Wende zur Elektromobilität verkündete und zu grünem Wasserstoff für die Industrie,
behauptete Altmaier noch bis vor wenigen Tagen, dass all diese Entwicklungen den Strombedarf hierzulande nicht erhöhen würden.
Mithin wäre auch kein ehrgeizigerer Ausbau erneuerbarer Erzeugung nötig, um bis 2030 von aktuell knapp 50 % auf 65 % Ökostrom
im Netz zu kommen. Erst vor zwei Wochen kündigte er doch noch an, in seinen letzten Amtstagen noch mal „nachrechnen zu lassen“.
Inzwischen muss laut BDEW der Grünstromanteil bis 2030 schon auf mindestens 70 % steigen, damit die auf EU-Ebene angehobenen
Klimaschutzziele überhaupt erreicht werden können.
Zu wenig und zu spät
Auch die aktuelle Diskussion ums Erdgas zeigt sehr deutlich, wie Positionen von 2019 schon wieder überholt sind. Damals heischte
Altmaier um Beifall bei der Gasbranche, als er den Energieträger als „dritte Säule der Energiewende und wichtige Brücke“ bezeichnet
hatte. Schon Jahre zuvor hatten Branchenvertreter im Hinblick auf die Klimaziele immer wieder gewarnt, dass Erdgas, seine
Infrastruktur und die Heizkonzepte der Bürger unter die Räder kommen werden. Doch die Bundesregierung fördert weiter den Einbau
von Heizungen, die die nächsten 25 Jahre Erdgas benötigen, wenn Deutschland längst klimaneutral sein will.
Gaskraftwerke werden dagegen für die Energiewende noch lange gebraucht. Da es auf Jahrzehnte nicht genug erneuerbare Energie gibt und die Stromleitungen von Nord
nach Süd nicht fertig werden, sind sie verstärkt als „Ausputzer“ gefragt. Schon heute bekommen Gaskraftwerke wegen der CO2-Bepreisung
immer öfter den Vorrang vor Kohlekraftwerken. Auch wenn es weniger Klimagase verursacht als Kohle, bleibt Erdgas ein fossiler
Energieträger und muss ersetzt werden.
Einzige Alternatividee der Bundesregierung ist grüner Wasserstoff, erzeugt aus Ökostrom und damit klimaneutral. Vor einem
Jahr wurde die Nationale Wasserstoffstrategie angekündigt. 5.000 MW Elektrolyseleistung sollen bis 2030 errichtet werden.
Aktuell sind es laut Deutscher Energie-Agentur (Dena) 25 MW. Es wird auf jeden Fall nicht genug werden, um außerhalb der Industrie
andere Verbraucher mit grünem Wasserstoff zu versorgen.
Viele Versorger, vor allem Stadtwerke, müssen also ihre Fernwärme erst einmal von Kohle auf Erdgas oder bestenfalls Biomasse
umstellen. Die Laufzeit des neuen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) endet 2026. Nicht gerade sichere Planungszeiten für
aufwendige Investitionen. Immerhin wurden die Anreize für einen flexibleren Betrieb von KWK-Anlagen erhöht. Damit könne künftig
die schwankende Stromeinspeisung aus Wind und Sonne etwas ausgeglichen werden, begrüßte die Branche.
Klimaschutz bleibt Lippenbekenntnis
Klimaschutz ist neben der Nutzung erneuerbarer Energie auch möglich durch mehr Effizienz und die Einsparung fossiler Brennstoffe.
Deshalb verabschiedete die Bundesregierung ganz knapp vor Jahresende 2020 noch ein Gesetz, das die Treibhausgasemissionen
auch für Kraftstoffe und Heizenergie bepreist. Allerdings auch in diesem Fall musste der Bundesrat korrigierend eingreifen
und den wirkungslosen Einstiegspreis von 10 Euro je Tonne CO2-Äquivalent auf 25 Euro erhöhen.
Dies war auch dem Druck der Bürger zu verdanken. Kritische Wissenschaftler und die Aktivisten von „Fridays for Future“ trieben
die Regierung und ihre Politik der Tippelschritte vor sich her. Erfreulicherweise ließ dieser Druck auch in der Corona-Pandemie
nicht nach.
Auch Vertreter der jungen Generation waren vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, weil sie das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung
von 2019 als zu schwach empfunden hatten. Danach wäre nämlich Deutschlands Restbudget an Klimagasen bis 2030 fast aufgebraucht
gewesen. Das Urteil gab ihnen recht: Einschneidende Schritte zur Senkung von schädlichen Treibhausgasemissionen dürfen nicht
zulasten der jungen Generation auf die lange Bank geschoben werden.
Als Folge nahm sich die große Koalition nun vor, bis 2045 und damit fünf Jahre früher als zunächst geplant „klimaneutral“
zu wirtschaften. Das bedeutet, nur noch so viele klimaschädliche Gase auszustoßen, wie wieder gebunden werden können. Doch
wie das erreicht werden kann, überlässt die amtierende Regierung mit ihrem noch eilig angepassten Klimaschutzgesetz ihren
Nachfolgern.
BWE-Präsident Albers resümiert: „Die Große Koalition hinterlässt eine ganze Aktenwand an Aufgabenlisten und einen Berg an
Ankündigungen. Das nächste Regierungsbündnis wird sich angesichts der neuen Klimaziele nicht mehr darum drücken können, all
dies aufzuarbeiten.“ BDEW-Chefin Kerstin Andreae forderte deshalb: „Die künftige Regierung muss den Energiewende-Turbo einlegen.“
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Montag, 05.07.2021, 09:08 Uhr