
Der Titel der Diskussion klang etwas martialisch: „1. Deneff Schlagabtausch – Christian Noll versus Kerstin Andreae“. Boxhandschuhe
brauchte glücklicherweise keiner der Kontrahenten. Immerhin herrschte auch Einigkeit darüber, dass eine Wende zu komplett
erneuerbar erzeugter Energie nur mit mehr Effizienz möglich ist. Gastgeber Christian Noll, Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative
Energieeffizienz (Deneff) betonte, dass allein fürs Heizen jährlich 800 Mrd. kWh benötigt werden, was mehr sei als der gesamte
deutsche Strombedarf.
Er sprach sich dafür aus, neben Förderungen für Gebäudesanierung auch verpflichtende Standards für den Bestand zu setzen. „Falls die Stromverbräuche durch die Decke gehen, könnte es sein,
dass eine Verpflichtung für Energieversorger wie in anderen Ländern, ihre Endkunden beim Energiesparen zu unterstützen, wieder
auf die Tagesordnung zurückkehrt“, sagte Noll. Dem widersprach Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des
Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Gebäudesanierung aus vielen Gründen zu langsam
Die Unternehmen hätten Energiedienstleistungen längst in ihrem Portfolio, nur hindere der gesetzliche Rahmen sie zuweilen
an der Umsetzung oder mache Effizienzmaßnamen nicht immer wirtschaftlich, sagte Andreae. Bei der Entwicklung der Roadmap Energieeffizienz
der Bundesregierung sei leider die Energiebranche nicht gefragt worden, es werde zu oft nur nach Sektoren getrennt diskutiert
und geregelt. Sie plädierte dafür, ganzheitliche Ansätze an einen Tisch zu holen, Energiedienstleistungen einzubinden und
„Energieeffizienzziele in konkretes Leben zu übersetzen“.
In der Praxis sei die Sanierungsquote im Gebäudebereich nur halb so hoch wie nötig für die Klimaschutzziele, beklagten beide
Gesprächsteilnehmer. Noll führt dies auch auf den Förderrahmen zurück, der bisher zu unstetig war. „Die Mittel dafür hingen
lange an jährlichen Haushaltsdiskussionen, deswegen gibt es auch noch kaum serielle Sanierung, weil keine mehrjährige Planung
möglich ist“, sagte Noll. Andreae ergänzte, dass auch der Mangel an Fachkräften im Handwerk eine Ursache sei. Zudem wären
viele ältere Menschen nicht mehr bereit oder in der Lage, ins eigene Haus zu investieren.
CO2-Preis sozialverträglich gestalten
Die BDEW-Chefin will die Lenkungswirkung des CO2-Preises auf Brennstoffe besser entwickeln, indem auch die Vermieter einen
Anteil zahlen müssen. Dazu müsse man aber auch den Nutzen der Heizungsmodernisierung hervorheben und den CO2-Preis wieder
zurückgeben über eine Senkung des Strompreises oder ein Energiegeld, sonst sinke die Akzeptanz, warnte sie zugleich.
Noll sieht die Strompreissenkung mit gespaltenen Gefühlen. Einerseits erleichtere sie den Umstieg auf erneuerbar erzeugte
Energien, andererseits könne es auch dazu führen, dass weniger sorgsam mit Strom umgegangen wird, sagte er. Darum will er
lieber die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in die Förderung energetischer Sanierung stecken, damit keine hohen Modernisierungskosten
anfallen. Außerdem solle das Instrument der CO2-Differenzverträge (CcfD) eingeführt werden, um Einsparung von Treibhausgasen
für Unternehmen planbar wirtschaftlich zu machen.
Ordnungsrecht und Förderung kombinieren
Das Ordnungsrecht solle laut Noll dennoch genutzt werden, um Effizienzstandards für Geräte und Gebäude durchzusetzen. Das
helfe wirtschaftlichen Lösungen zum Einsatz, die heute noch nicht umgesetzt werden, hofft er. „Im Beleuchtungsbereich haben
solche Standards schon zu hohen Stromeinsparungen geführt“, argumentierte er. Andreae möchte den CO2-Preis in einem Korridor
von Minimum und Maximum, aber verlässlich kontinuierlich ansteigend ansetzen, um eine Lenkungswirkung zu entfalten.
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Moderator Malte Kreutzfeldt (Taz), Christian Noll (Deneff)
Bild: Deneff
„Die Klimaneutralität der Wärmeversorgung muss ins Zentrum der Energiepolitik der nächsten Legislaturperiode rücken“, forderte
sie. Dies sei aber ein extrem vielschichtiges Thema wegen der vielfältigen Gebäude- und Siedlungsstrukturen. Die Entscheidungen
für ein konkretes Haus würden am Markt getroffen, daher sollten dort die richtigen Entscheidungen angeregt werden.
Die Politik müsse auch so ehrlich sein, ein Enddatum für Erdgas zu nennen. Da nicht überall Fernwärme oder eine Wärmepumpe
sinnvoll seien, werde in fernerer Zukunft auch grüner Wasserstoff im Wärmemarkt benötigt. „Da heute die Hälfte aller Haushalte
am Gasnetz hängt, fehlt mir die Fantasie, wie das in Zukunft ohne Gas gehen soll“, sagte Andreae.
Daher müsse Deutschland alle Kraft in die Frage investieren, wie wir eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen, die uns 2045 Klimaneutralität
ermöglicht, argumentierte sie. Industrie und Schwerlastmobilität hätten unbestritten Vorrang, aber die Speicherbarkeit grüner
Gase müsse genutzt werden. „Eine Unterstützung muss es nicht nur für den Umbau der Industrie geben, auch die Heizung muss
weiter bezahlbar sein“, appellierte Andreae abschließend.
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Dienstag, 22.06.2021, 15:44 Uhr