
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Quelle: Ubimet
Herr Lehmann, Sie sind als Meteorologe bei einem Unternehmen, das Energieprognosen anbietet. Wie nützen Sie dafür Ihre Expertise?
In den kommenden Jahren werden die Erneuerbaren massiv ausgebaut. Dementsprechend steigt für die unterschiedlichen Marktteilnehmer
wie Direktvermarkter und Netzbetreiber die Relevanz guter Wind- und Solarenergieprognosen immer weiter an. Für das Erstellen solcher Prognosen wiederum ist eine Kombination aus meteorologischem und energietechnischem Know-how essenziell.
Diese Expertise stellt sicher, dass die beiden Hauptzutaten für eine gute Prognose gewährleistet sind. Das ist einerseits
eine hochaufgelöste Wetterprognose, die dafür sorgt, dass die Wetterentwicklung am Standort einer Anlage korrekt abgebildet
und vorhergesagt wird, und andererseits die nachgelagerte ‚Übersetzung des Wetters‘ in präzise Erzeugungsprognosen mittels
intelligenter, KI-unterstützter Modelle. Genau diese Expertisenkombination bringt unser Karlsruher Standort − das Kompetenzzentrum für Energiewirtschaft − in die Ubimet-Gruppe
ein.
‚Wetter ist ein Rohstoff‘ ist ein Satz von Ihnen. Was meinen Sie damit in Bezug auf den Klimawandel?
So wie ein Kohlekraftwerk den Rohstoff Kohle benötigt, um Energie zu erzeugen, so benötigen Erneuerbaren-Anlagen das Wetter
als ‚Antriebsrohstoff‘. Im Fall von Windkraftanlagen ist es der Wind, bei den Solaranlagen die Sonne, für die Wasserkraftwerke
ist letztlich Niederschlag essenziell.
In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, dass der Veränderung des Wetters im Zuge des Klimawandels noch relativ wenig Bedeutung
geschenkt wird. Bei Ubimet untersuchen wir die Auswirkungen des Klimawandels auf die vorherrschenden Wetterregime und sehen
hierbei ganz deutliche Veränderungen, die uns in den kommenden Jahrzehnten bevorstehen. Veränderungen, die sich nicht nur
in mehr Extremwettersituationen, sondern auch in veränderten Einspeiseszenarien niederschlagen werden. Bei den anstehenden Milliardeninvestitionen für die Energiewende ist die Berücksichtigung dieser Änderungen von erheblicher
Relevanz − aus kommerzieller Sicht ebenso wie aus Sicht der Versorgungssicherheit.
Wie nutzen Sie diesen Rohstoff künftig noch besser für Ihre Kunden?
Hochpräzise Wetterdaten sind die Basis einer jeden kundenspezifischen Prognose wie zum Beispiel der Erzeugungsprognosen. Dementsprechend ist die Weiterentwicklung der Wettermodelle eine unserer Kernaufgaben.
Dass sich der Aufwand in die weitere Optimierung lohnt, zeigt ein Blick zurück. So ist eine Sieben-Tage-Prognose heute so
gut wie eine Vorhersage für morgen in den 1970er-Jahren. Wir Meteorologen haben den Anspruch, immer besser und immer weiter
in die Zukunft zu prognostizieren. Dafür investieren wir kontinuierlich und in erheblichem Umfang in Forschung und Entwicklung.
Hierbei widmen wir uns einerseits der weiteren Optimierung klassischer Wetterprognosen, ebenso aber auch anwendungsspezifischen
Feldern.
So haben wir im Forschungsprojekt ‚PrognoNetz‘ unsere Modelle dahingehend weiterentwickelt, dass wir das Wetter nicht nur
auf klassischen meteorologischen Höhen erfassen wie zwei Meter über dem Boden bei der Lufttemperatur. Wir können es auch auf Höhe und entlang von Leiterseilen prognostizieren.
Der Einsatz dieser Daten ermöglicht es Netzbetreibern, die Kühlwirkung des Wetters auf das Leiterseil für eine Erhöhung der
Übertragungskapazitäten zu nutzen − ein enorm wichtiger Baustein für ein Gelingen der Energiewende.
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Mittwoch, 06.03.2024, 08:36 Uhr