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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - Kein Netzanschluss unter dieser Nummer
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
Kein Netzanschluss unter dieser Nummer
Zu viele Batteriespeicher und Rechenzentren wollen gleichzeitig ans Stromnetz. Doch es gibt Lösungsvorschläge.
 
Die Zahl der Netzanschlussanfragen für große Batteriespeicher in Deutschland ist auf über 500.000 MW gestiegen. Dies ergab eine aktuelle Auswertung durch das Portal Regelleistung Online. Und auch Rechenzentren und Ladeparks müssen ans Netz. Die deutsche Jahreshöchstlast 2023 lag laut Monitoringbericht 2024 der Bundesnetzagentur bei 73.300 MW. Vor diesem Hintergrund sei die Höhe der gemeldeten Anfragen deutlich überzogen, meinen die Netzbetreiber. 

Für die Antragsteller führt diese Fülle zu schleppenden Antworten auf ihre Anfragen. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) befragte Projektierer: Drei von vier bewerteten die Kommunikation für Netzanschlussanfragen mit mangelhaft oder ungenügend. Besonders betroffen sind Vorhaben für Großbatteriespeicher. Bei 79 Prozent der geplanten Projekte erhielten die Unternehmen entweder Absagen oder gar keine Antwort.

Netzanschlussverfahren reformieren

Als Hauptursache der überbordenden Anträge gilt das derzeitige Netzanschlussverfahren. Es setzt nach Einschätzung der Netzbetreiber falsche Anreize. Nach dem Prinzip „first come, first served“ sicherten sich Projektentwickler mit frühen, oft sehr hohen Anmeldungen einen Platz im Netz, unabhängig von der Realisierbarkeit. Eine verbindliche Vorprüfung fehlt, wodurch auch spekulative Projekte Netzkapazitäten blockieren. 

Ohne Reform des Verfahrens drohen Verzögerungen für alle Anschlussnehmer. Vertreter der Branche fordern daher eine Digitalisierung des Verfahrens, klare Regeln für Reservierungen, flexible Netzentgelte und transparente Priorisierungen. Nur mit einem solchen System könne der dringend benötigte Ausbau von Speichern und erneuerbaren Energieanlagen gelingen, ohne die Energiewende durch überlastete Verfahren auszubremsen.

Übertragungsnetzbetreiber Tennet schlägt vor, eine schnelle digitale Vorprüfung anzubieten zur grundsätzlichen Anschlussmöglichkeit am Standort. Ein bundesweites Portal wäre am besten. Einheitliche Regeln für Reservierungen, inklusive Gebühren, Baukostenzuschüsse und Fristen, Grundstücksnachweise, Genehmigungsstände, Anlagen- und Anschlusskonzepte oder gesicherte Finanzierung sollten spekulative Projekte aussortieren. Schließlich könnten flexible und dynamische Netzentgelte im Rahmen der gerade laufenden AgNeS-Festlegung (Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom) netzdienliches Verhalten fördern.

Aufkommen war absehbar

Der Geschäftsführer des Bundesverbands Energiespeicher Systeme (BVES) bestätigt die hohe Arbeitsbelastung der Netzbetreiber. Urban Windelen sagt gegenüber E&M: „Von einer unerwarteten Flut zu sprechen, greift jedoch zu kurz, denn die steigende Zahl an Anschlussbegehren zeichnet sich seit vielen Jahren klar ab.“ 

Der erhebliche Bedarf an Speicherkapazitäten sei seit Jahren in den Netzentwicklungsplänen ausgewiesen und nun endlich in der Umsetzung. „Digitale Anfragen und standardisierte Prozesse würden die Bearbeitungszeit erheblich verkürzen“, so Windelen. Heute vergingen häufig Monate, ehe der Antragsteller überhaupt erfährt, ob am gewünschten Standort freie Kapazitäten verfügbar seien. „Diese Verzögerung und Unsicherheit führen dann dazu, dass auch durchaus mehrere Anfragen für ein Projekt gestellt werden“, sagt er. 

Windelen fordert daher die zügige Bearbeitung der Anträge. Dafür sollten schneller 
flexible Netzanschlussvereinbarungen (FlexNAV bzw. FCA) eingeführt werden. „Eigentlich ist bereits sehr viel möglich, wird jedoch noch nicht angewendet“, bedauert er. Speicher würden meist nur als zusätzliche Verbraucher, nicht als Einspeiser im Netz berücksichtigt. Dabei könnte man oft sofort anschließen bei einem flexiblen Umgang mit den Kapazitäten am Standort. Schließlich sei beispielsweise die PV-Anlage nicht gleichzeitig mit ihrem Speicher am Netz, da sich beide ja im Zugang zum Strommarkt abwechseln. 

Doch das derzeitige Netzanschlussdesign sei grundsätzlich auf permanenten Netzausbau ausgelegt. „Eine effiziente Nutzung bestehender Kapazitäten spielt bislang kaum eine Rolle“, kritisiert Windelen die Regulierung. Netzbetreiber könnten mit dem Netzausbau in der Regel mehr Umsatz generieren als etwa mit einer optimierten Nutzung der bestehenden Infrastruktur. Der § 17 Abs. 2a EnWG verpflichte seit Jahren zur priorisierten Anbindung von Energiespeichern, doch das werde kaum umgesetzt, sagt er. 

Prioritäten setzen?

Viele Netzbetreiber bemühen sich durchaus, die Anschlussbegehren schnell zu beantworten. Mitnetz und Stromnetz Berlin beispielsweise haben für Anträge von Großkunden inzwischen einen eigenen Antragsweg mit Webseite und jährlich terminiertem Antragsfenster installiert. Die Bundesnetzagentur warnt aber vor einer Priorisierung nach Kundengruppen. 

Das aktuelle Energiewirtschaftsrecht sieht eine Unterscheidung nach „vorzugswürdigen“ und „weniger vorzugswürdigen“ Leistungsanfragen nicht vor, so eine Sprecherin der Behörde gegenüber dieser Redaktion. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, ob und wie er bestimmte Kundengruppen priorisieren möchte. Allerdings könnten die Betreiber selbst das Verfahren gestalten, wie sie ihre freien Netzanschlusskapazitäten diskriminierungsfrei und angemessen vergeben. 

Im Falle der Stromnetz Berlin führt ein Marktteilnehmer Beschwerde. Sein „besonderes Missbrauchsverfahren“ wurde mit Beschluss vom 26. Mai von der Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur abgelehnt. Allerdings sei gegen diese Entscheidung derzeit ein Beschwerdeverfahren vor dem OLG Düsseldorf anhängig, so die Behörde.

Die Stromnetz Berlin AG hatte in diesem Jahr erstmals für Großkunden ein Repartierungsverfahren in drei Netzgebieten für die vorhandene und in absehbarer Zeit verfügbare Anschlusskapazität in Höhe von insgesamt 365 Megavoltampere (MVA) auf 37 Anschlussanfragen verteilt.

Bis zum 30. Juni konnten sich die Antragsteller auf einer Webseite bewerben. 70 Petenten fragten fast das Sechsfache an, eine Anschlussleistung von insgesamt rund 2.300 MVA. Eine überwältigende Menge, die rund 10 Prozent über der heutigen Jahreshöchstlast im gesamten Berliner Stromnetz liegt. Das Ergebnis der Prüfung ergab, dass 47 Anfragen zumindest mit Teilmengen für die Zuteilung berücksichtigt werden konnten. Allerdings konnten zehn Antragsteller nichts bekommen, weil ihre jeweils akzeptierte Teilleistung oberhalb der gleichmäßig zugeteilten Leistung lag, so die Stromnetz AG.

Dennoch schätzt ein Unternehmenssprecher das Verfahren für beide Seiten als erfolgreich ein. Es werde im kommenden Jahr voraussichtlich im April eine neue Bewerberrunde geben, mit der Veröffentlichung der dann vorhandenen und absehbar verfügbaren Anschlusskapazitäten. „Allerdings führen die notwendigen Reparaturen am Netz nach dem verheerenden Brandanschlag vom 9. September, der 50.000 Kunden betraf, möglicherweise zu Verzögerungen bei unseren Ausbauplänen“, fürchtet der Sprecher.

Für schnellere Netzanschlüsse ist der Gesetzgeber gefragt. Die Bundesregierung will Verfahren vereinfachen und beschleunigen, um die Transparenz für Projektierer von erneuerbaren Anlagen zu erhöhen und Planungssicherheit herzustellen, antwortete sie den Grünen im Bundestag. Grundlage seien Ergebnisse des laufenden Monitorings, das Mitte September vorgelegt wurde, und eine Abstimmung mit der Bundesnetzagentur. Hoffentlich findet der Gesetzgeber einen schnellen Abschluss für den Anschluss.
 

Susanne Harmsen
Redakteurin
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