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Enerige & Management > Berliner Energietage - Experten drängen auf Kraftwerksausschreibungen
Quelle: Trianel Gaskraftwerk Hamm GmbH & Co. KG
BERLINER ENERGIETAGE:
Experten drängen auf Kraftwerksausschreibungen
Auf den Berliner Energietagen diskutierte die Akademieninitiative Esys, welche und wie viele Kraftwerke Deutschland für eine sichere Stromversorgung trotz Kohleausstieg benötigt.
 
Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung, dem Ende der Kernenergie und dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien steht das deutsche Kraftwerksportfolio vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Akademieninitiative „Energiesysteme der Zukunft“ (Esys) hat bei den Berliner Energietagen am 27. Mai mit Experten diskutiert, welche Kraftwerke Deutschland künftig benötigt werden, um Versorgungssicherheit, Klimaschutzziele und Bezahlbarkeit miteinander zu verbinden.

Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden diskutierten technologische Optionen, politische Rahmenbedingungen und geeignete Marktmechanismen. Laut der Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, ist die Versorgungssicherheit derzeit durch den europäischen Strommarkt gewährleistet. Perspektivisch brauche es jedoch neue, flexible Kraftwerke, um den Kohleausstieg abzusichern.

„Der Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel zeigt die Notwendigkeit, den volatilen erneuerbaren Energien verlässliche Partner an die Seite zu stellen“, sagte Andreae. Aus den aktuellen Klimaschutzzielen und Strombedarfsstudien leitet der BDEW einen Bedarf von 20.000 MW neuer Gaskraftwerke ab, die perspektivisch auf Wasserstoff umgerüstet werden können.

Andreae betonte, dass sechs Jahre für den Bau eines Kraftwerks veranschlagt werden müssten. Im vergangenen Jahr seien alte Kohlekraftwerke aus der Reserve etwa 30 Mal statt wie vorgesehen zweimal aktiviert worden. Sie hätten aber ein Durchschnittsalter von 44 Jahren und damit eine begrenzte Restlebensdauer. Die Politik müsse den rechtlichen Rahmen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes (KWSG) anpassen, insbesondere im Hinblick auf Rückzahlungsrisiken bei ausbleibender Wasserstoffverfügbarkeit.

Schnelle Ausschreibungen neuer Kraftwerke nötig

Casimir Lorenz vom Analysehaus Aurora Energy Research wies darauf hin, dass die Stromnachfrage entgegen bisherigen Annahmen gesunken sei – unter anderem infolge verzögerter Wärmewende und schwacher Industrieproduktion. Dennoch sei bis 2035 mit einer Versorgungslücke von rund 10.000 MW zu rechnen, wenn Kohlekraftwerke wie geplant vom Netz gehen. Die dafür nötigen Backup-Kapazitäten seien wirtschaftlich schwer darstellbar, da sie meist nur stundenweise einspringen müssten. „Neue Kraftwerke lassen sich nicht mehr allein über Stromverkauf finanzieren“, sagte Lorenz.

Notwendig seien Ausschreibungen und rechtliche Vorgaben, um Investitionen in Wasserstoffkompatibilität abzusichern. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) analysiert mit dem Modell „Enertile“ verschiedene Szenarien für das künftige Energiesystem. Der Senior Researcher Christoph Luderer betonte, dass Wasserstoff die flexibelste Möglichkeit sei, Stromüberschüsse zu speichern. Selbst mit 60.000 MW neuer Kraftwerksleistung werde Deutschland im Jahr 2045 Nettoimporteur von Strom bleiben, so Luderer.

Wasserstoff als Speicher für Stromüberschüsse

Christoph Maurer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consentec mit Sitz in Aachen, verwies auf die Dringlichkeit. „Es muss jetzt etwas geschehen, sonst fehlt die Zeit für Planung und Bau“, sagte er. Technologieoffene Förderungen, wie von der neuen Bundesregierung avisiert, seien allerdings nicht mit den Klimaschutzzielen der EU vereinbar. Maurer plädierte für eine Kraftwerksstrategie mit klarer Dekarbonisierungsperspektive.

Professorin Anke Weidlich von der Universität Freiburg sieht in der Kernfusion keine Option bis 2050. Stattdessen solle die Politik auf bestehendes Wissen setzen: erneuerbare Energien mit Backup-Kraftwerken. Elektrolyseure seien eine vergleichsweise günstige Möglichkeit, Stromüberschüsse flexibel zu nutzen – allerdings nur bei funktionierendem Wasserstoffmarkt, mit entsprechender Investitionssicherheit.

Lorenz und die anderen Experten forderten Kraftwerksausschreibungen als kurzfristig umsetzbare Lösung, da ein vollständiger Kapazitätsmarkt bisher nicht installiert werden konnte. Maurer nannte das belgische Modell als mögliche Blaupause. Professor Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung plädierte für eine rasche Einführung eines solchen Marktes. Flexible Erzeugung und Verbrauch könnten helfen, Netzausbaukosten zu reduzieren und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Die Veranstaltung machte deutlich: Ohne politische Entscheidungen und angepasste Rahmenbedingungen lässt sich der Kraftwerksumbau nicht rechtzeitig bewältigen. Die Branche wartet dringend auf Lösungen aus Berlin.
 

Susanne Harmsen
Redakteurin
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