WASSERSTOFF:
Branche will Verlängerung für blauen Wasserstoff
Zur Dekarbonisierung setzt die Europäische Union auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Die Gasbranche zweifelt an der Verfügbarkeit und will blauen aus Erdgas als Reserve.
Bei einem energiepolitischen Dialog der Open Grid Europe GmbH (OGE) gab es am Abend des 10. Oktober in Berlin viele Sorgenfalten. Anlass waren die Nachrichten der vergangenen Tage. Norwegen hat den Bau einer Wasserstoffpipeline
nach Deutschland abgesagt, eine andere aus Dänemark kommt wohl erst 2031, und der Stahlproduzent Thyssenkrupp überdenkt die
geplante Umstellung seiner Produktion von Erdgas auf Wasserstoff. Dies fasste der im Sommer neu angetretene Sprecher der OGE-Geschäftsführung,
Thomas Hüwener, zusammen.
Der Fernleitungsnetzbetreiber für Erdgas mit Sitz in Essen stehe bereit, seinen Teil vom Wasserstoffkernnetz zu bauen, unterstrich Hüwener. OGE betreibt derzeit in Deutschland das größte Ferngasnetz mit einer Länge von rund 12.000 Kilometern. „Die Bagger stehen bereit“, sagte Hüwener, man erwarte nur noch die für Mitte Oktober angekündigte Genehmigung der Bundesnetzagentur für das beantragte Wasserstoffkernnetz.
Importe sichern
Trotz der Negativmeldungen rechnet Hüwener damit, dass die über die europäischen Projekte von großem gemeinsamem Interesse (IPCEI) geförderten Projekte wie Elektrolyseure umgesetzt werden. Damit entstünden die erste Elektrolyseure im 100-MW-Bereich, die aus Strom Wasserstoff erzeugen. „Wir müssen uns aber auch Importe sichern“, appellierte Hüwener an die Politik. Norwegen habe seine Pipeline abgesagt, weil nur bis 2037 „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und Verpressung (Carbon Capture and Storage, CCS) in der EU gewollt sei. Diese Entscheidung solle man überdenken, sagte er.
„Es wird extrem schwer, bis 2045 die Dekarbonisierung zu schaffen“, fürchtet der OGE-Vertreter. Er rät der Politik, blauen Wasserstoff „als Hosenträger zum Gürtel“ weiter vorzusehen, um das Ziel zu erreichen. „Der Delegated Act der EU baut eher Hürden auf, als den Wasserstoffhochlauf zu beschleunigen“, mahnte er. Zudem müsse schnell ein Investitionsrahmen für die gesamte Wertschöpfungskette gestaltet werden. Ein „Midstreamer“ könne die Importe organisieren, wie einst die Ruhrgas, die den Erdgasimport managte, schlug er vor.
Bundesregierung hat gesamte Wertschöpfung im Blick
Von Seiten der Bundesregierung war Axel Bree beim energiepolitischen Dialog. Der Abteilungsleiter Wasserstoff im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sagte, dass eine Importstrategie bereits existiert. „Wir haben verschiedene Quellen im Gespräch aus dem Nord- und Ostseeraum“, erinnerte er. Mit „H2 Global“ würden auch Wasserstoffderivate aus aller Welt wie Ammoniak ausgeschrieben und eingekauft. Sein Ministerium sei motiviert, die gesamte Wertschöpfungskette zu etablieren, versicherte Bree.
Er bekundete, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der EU versuche, längere Übergangsfristen für blauen Wasserstoff zu bekommen. Außerdem sei dafür die deutsche Carbon-Management-Strategie aufgelegt und der Export von CO2 gestattet worden. „Die Förderung für systemdienlich platzierte Elektrolyseure soll zum Jahresende kommen, Anfang 2025 gehen wir dafür in die Ausschreibung“, kündigte Bree an. Die aktuelle Regierung versuche, solche Projekte länger als auf fünf Jahre anzulegen, um Unternehmen eine Perspektive zu bieten.
Staatliche Preisgarantien gefordert
Nina Scholz, Country Managerin Germany von Equinor, sagte, den möglichen Abnehmern von Wasserstoff fehle das Vertrauen für endgültige Investitionsentscheidungen. „Staatliche Garantien würden helfen, auch weil noch niemand auf Jahre einen Preis für Wasserstoff nennen kann“, schlug Scholz vor. Ein praktischerer Ansatz sei auch in der EU nötig, um die Kosten herunter zu bekommen. Es lohne sich nicht, einen Elektrolyseur nur stundenweise zu betreiben, wenn überschüssiger erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, meinte sie.
Für den Stahlhersteller Thyssenkrupp begründete CTO Arnd Köfler das Zögern bei der Umstellung auf Wasserstoff. „In China sind bereits sieben Millionen Tonnen grüner Wasserstoff verfügbar, in Deutschland ist der Bezug unsicher, daher überlegen wir“, sagte er. Bislang reiche die gesamte avisierte Kapazität in Deutschland gerade so allein für Thyssenkrupp. Für einige Stahlprozesse sei auch Elektrifizierung möglich, hier gäbe es eine Abwägung der Kosten auch wegen des Strompreises.
Köfler rechnet nicht damit, dass der geplante Schutz für dekarbonisierte Produkte in der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) viel hilft, weil andere Länder wie China schon mehr grüne Energie haben und zertifizieren. „Deutschlands Vorteil ist das industrielle Umfeld aus Fachkräften und Expertise und die Infrastruktur“, sagte Köfler. Die Politik müsse den Wasserstoffhochlauf mehr aus der Kundensicht denken, am Ende sollten auch die klimafreundlichen Produkte noch bezahlbar sein und sich am Markt bewähren. „Als Leitmarkt könnten Quoten öffentlicher Aufträge für klimaneutralen Stahl oder ähnliches helfen“, schlug Köfler vor.
Andreas Breuer, Leiter Wasserstoff der Westenergie, berichtete von einem ersten Projekt im Sauerland, in dem 21 Unternehmen mit staatlicher Förderung Wasserstoff erzeugen und einsetzen wollen. Die Förderung federe hier das Risiko und den Preisunterschied zum Erdgas ab. „Über fünf Jahre wollen drei Unternehmen einen Teil ihrer Produktion auf Wasserstoff umstellen“, beschrieb Breuer. Sollte dies gut funktionieren, planen sie die Vollumstellung. Ein großer Vorteil in Deutschland seien dafür die Gasnetze und das Knowhow, die bereits H2-ready sind, was im Ausland oft für Staunen sorgt, unterstrich er.
Der Fernleitungsnetzbetreiber für Erdgas mit Sitz in Essen stehe bereit, seinen Teil vom Wasserstoffkernnetz zu bauen, unterstrich Hüwener. OGE betreibt derzeit in Deutschland das größte Ferngasnetz mit einer Länge von rund 12.000 Kilometern. „Die Bagger stehen bereit“, sagte Hüwener, man erwarte nur noch die für Mitte Oktober angekündigte Genehmigung der Bundesnetzagentur für das beantragte Wasserstoffkernnetz.
Importe sichern
Trotz der Negativmeldungen rechnet Hüwener damit, dass die über die europäischen Projekte von großem gemeinsamem Interesse (IPCEI) geförderten Projekte wie Elektrolyseure umgesetzt werden. Damit entstünden die erste Elektrolyseure im 100-MW-Bereich, die aus Strom Wasserstoff erzeugen. „Wir müssen uns aber auch Importe sichern“, appellierte Hüwener an die Politik. Norwegen habe seine Pipeline abgesagt, weil nur bis 2037 „blauer“ Wasserstoff aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und Verpressung (Carbon Capture and Storage, CCS) in der EU gewollt sei. Diese Entscheidung solle man überdenken, sagte er.
„Es wird extrem schwer, bis 2045 die Dekarbonisierung zu schaffen“, fürchtet der OGE-Vertreter. Er rät der Politik, blauen Wasserstoff „als Hosenträger zum Gürtel“ weiter vorzusehen, um das Ziel zu erreichen. „Der Delegated Act der EU baut eher Hürden auf, als den Wasserstoffhochlauf zu beschleunigen“, mahnte er. Zudem müsse schnell ein Investitionsrahmen für die gesamte Wertschöpfungskette gestaltet werden. Ein „Midstreamer“ könne die Importe organisieren, wie einst die Ruhrgas, die den Erdgasimport managte, schlug er vor.
Bundesregierung hat gesamte Wertschöpfung im Blick
Von Seiten der Bundesregierung war Axel Bree beim energiepolitischen Dialog. Der Abteilungsleiter Wasserstoff im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sagte, dass eine Importstrategie bereits existiert. „Wir haben verschiedene Quellen im Gespräch aus dem Nord- und Ostseeraum“, erinnerte er. Mit „H2 Global“ würden auch Wasserstoffderivate aus aller Welt wie Ammoniak ausgeschrieben und eingekauft. Sein Ministerium sei motiviert, die gesamte Wertschöpfungskette zu etablieren, versicherte Bree.
Er bekundete, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der EU versuche, längere Übergangsfristen für blauen Wasserstoff zu bekommen. Außerdem sei dafür die deutsche Carbon-Management-Strategie aufgelegt und der Export von CO2 gestattet worden. „Die Förderung für systemdienlich platzierte Elektrolyseure soll zum Jahresende kommen, Anfang 2025 gehen wir dafür in die Ausschreibung“, kündigte Bree an. Die aktuelle Regierung versuche, solche Projekte länger als auf fünf Jahre anzulegen, um Unternehmen eine Perspektive zu bieten.
Staatliche Preisgarantien gefordert
Nina Scholz, Country Managerin Germany von Equinor, sagte, den möglichen Abnehmern von Wasserstoff fehle das Vertrauen für endgültige Investitionsentscheidungen. „Staatliche Garantien würden helfen, auch weil noch niemand auf Jahre einen Preis für Wasserstoff nennen kann“, schlug Scholz vor. Ein praktischerer Ansatz sei auch in der EU nötig, um die Kosten herunter zu bekommen. Es lohne sich nicht, einen Elektrolyseur nur stundenweise zu betreiben, wenn überschüssiger erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, meinte sie.
Für den Stahlhersteller Thyssenkrupp begründete CTO Arnd Köfler das Zögern bei der Umstellung auf Wasserstoff. „In China sind bereits sieben Millionen Tonnen grüner Wasserstoff verfügbar, in Deutschland ist der Bezug unsicher, daher überlegen wir“, sagte er. Bislang reiche die gesamte avisierte Kapazität in Deutschland gerade so allein für Thyssenkrupp. Für einige Stahlprozesse sei auch Elektrifizierung möglich, hier gäbe es eine Abwägung der Kosten auch wegen des Strompreises.
Köfler rechnet nicht damit, dass der geplante Schutz für dekarbonisierte Produkte in der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) viel hilft, weil andere Länder wie China schon mehr grüne Energie haben und zertifizieren. „Deutschlands Vorteil ist das industrielle Umfeld aus Fachkräften und Expertise und die Infrastruktur“, sagte Köfler. Die Politik müsse den Wasserstoffhochlauf mehr aus der Kundensicht denken, am Ende sollten auch die klimafreundlichen Produkte noch bezahlbar sein und sich am Markt bewähren. „Als Leitmarkt könnten Quoten öffentlicher Aufträge für klimaneutralen Stahl oder ähnliches helfen“, schlug Köfler vor.
Andreas Breuer, Leiter Wasserstoff der Westenergie, berichtete von einem ersten Projekt im Sauerland, in dem 21 Unternehmen mit staatlicher Förderung Wasserstoff erzeugen und einsetzen wollen. Die Förderung federe hier das Risiko und den Preisunterschied zum Erdgas ab. „Über fünf Jahre wollen drei Unternehmen einen Teil ihrer Produktion auf Wasserstoff umstellen“, beschrieb Breuer. Sollte dies gut funktionieren, planen sie die Vollumstellung. Ein großer Vorteil in Deutschland seien dafür die Gasnetze und das Knowhow, die bereits H2-ready sind, was im Ausland oft für Staunen sorgt, unterstrich er.
© 2024 Energie & Management GmbH
Montag, 14.10.2024, 09:40 Uhr
Montag, 14.10.2024, 09:40 Uhr
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