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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Zu hohe Preise, zu viel Regulatorik für Power-to-X
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Zu hohe Preise, zu viel Regulatorik für Power-to-X
Power-to-X-Technologien wandeln Strom in Wasserstoff, Methan oder synthetische Kraftstoffe um. Doch in Deutschland scheitern Projekte oft an Bürokratie, hohen Preisen oder Regulierung.
 
Obwohl die Power-to-X(PtX)-Technologie noch recht jung ist, gibt es bereits viele Projekte, die frühzeitig zu Grabe getragen wurden oder auf dem Weg dorthin sind.

Der wohl bekannteste ist der 30-MW-Elektrolyseur der Raffinerie Heide im Projekt „Westküste 100“. Er wäre der bis dahin größte seiner Art gewesen. Doch 2024 kam das endgültige Aus für das Projekt. Die Gründe waren vielfältig: Die Produktionskosten lagen weit über dem, was potenzielle Kunden zu zahlen bereit waren. Hinzu kam die fehlende oder unzureichende finanzielle Unterstützung durch den Staat. Alles zusammen ließ eine langfristige Planungssicherheit kaum zu.

Das Projekt „AquaVentus“ sollte der Offshore-Produktion von Wasserstoff in der Nordsee dienen. Derzeit gibt es Verzögerungen und Unsicherheiten bei der Finanzierung. Und die wäre immens. Denn Offshore-Wasserstoffprojekte erfordern enorme Anfangsinvestitionen. Derzeit gibt es noch kein ausreichendes Pipelinenetz, um den Wasserstoff zum Festland zu transportieren. Und auch hier sind die Investoren unsicher, ob sie langfristig genügend Abnehmer für den teuren Wasserstoff finden.

„H2Global“ wurde von der Bundesregierung initiiert und ist letztlich ein Wasserstoff-Importförderprogramm. Denn in anderen Teilen der Welt lässt sich Wasserstoff, insbesondere aus Photovoltaik und Wasser, deutlich günstiger herstellen als hierzulande. Doch wieder einmal ist die Umsetzung verzögert und die Finanzierung fraglich. Grund sind Probleme bei der Implementierung eines langfristigen Fördermechanismus. Und: Der Import von grünem Wasserstoff aus Ländern wie Australien oder Nordafrika gestaltet sich schwieriger als gedacht.

Mit „GET H2 Nukleus“ sollte ein Wasserstoff-Transportnetz in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aufgebaut werden. Auch hier: Verzögerung und sogar Teilstopp des Projektes. Die Wasserstoff-Pipelines waren teurer als ursprünglich kalkuliert. Und: Die Regeln für die Nutzung vorhandener Erdgasleitungen für Wasserstoff sind noch unklar – auch wenn sowohl Verteilernetze als auch Fernleitungsnetze grundsätzlich geeignet sein dürften.

Gründe für das Scheitern

Einer der Hauptgründe für das Scheitern vieler Wasserstoffprojekte in Deutschland ist also der Preis. Die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff liegen zwischen fünf und zehn Euro pro Kilogramm. Fossiler Wasserstoff aus der Dampfreformierung mit Erdgas kostet nur ein bis zwei Euro pro Kilogramm. Das wiederum führt dazu, dass Industrieunternehmen nicht bereit sind, diese deutlich höheren Preise zu zahlen. 

Hinzu kommen weitere Gründe: Fördermittel sind derzeit oft schwer zu bekommen oder an komplizierte Bedingungen geknüpft. Und: Es gibt weder ausreichende Transportnetze noch Speichermöglichkeiten. Die schleppende Gesetzgebung und Unklarheiten über die Funktionsweise des Wasserstoffmarktes tun ihr Übriges.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat zwar mehr als 30 Vorschläge entwickelt, um diese Hürden abzubauen, doch ob diese umgesetzt werden, ist fraglich – auch wenn die neue unionsgeführte Bundesregierung tendenziell PtX-freundlicher ist als die alte.

Ohne Wasserstoff geht es nicht

Dennoch führt kein Weg am leichtesten aller Moleküle vorbei. Denn für hochenergetische Prozesse wie in der Stahl-, Glas- und Zementindustrie oder für Anwendungen mit hohen Energiedichten wie im Transportwesen wird Wasserstoff zweifellos gebraucht, ebenso in der Schifffahrt oder im Flugverkehr (und auch regenerativ gewonnener Kohlenstoff).

Auch deshalb treibt Deutschland die PtX-Entwicklung mit über 60 Forschungsprojekten und mehr als 30 Industrieanlagen voran. Ein Vorreiter ist das Kopernikus-Projekt „P2X“, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Seit 2016 erforscht und entwickelt das Projekt Technologien, um erneuerbare Energie effizient zu speichern und fossile Rohstoffe zu ersetzen. Der Fokus liegt dabei auf der Herstellung von Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und chemischen Grundstoffen. In der aktuellen Phase steht die Produktion von E-Kerosin für die Luftfahrt im Fokus.

Erlösmodelle nötig

Die Technik ist das eine, Bezahlbarkeit (also letztlich funktionierende Erlösmodelle) das andere. Die Anrechnung von Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quote) könnte ein wichtiger Bestandteil des gesamten Geschäftsmodells sein. Dazu bedarf es transparenter Zertifizierungssysteme. Doch ein Missbrauch, wie in der Vergangenheit durch gefälschte CO2-Zertifikate, hat auch hier erstmal Vertrauen erschüttert und das gesamte Modell mit einem dicken Fragezeichen versehen.

Dennoch bleibt die THG-Quote eine der wesentlichen finanziellen Grundlagen für die breite Einführung von Kraftstoffen, insbesondere im Mobilitätssektor. So müssen Mineralölkonzerne, sprich Anbieter fossiler Kraftstoffe, ihre CO2-Emissionen reduzieren – in Deutschland um 25 Prozent bis 2030. Sie können dies durch erneuerbare Kraftstoffe, Elektromobilität oder den Kauf von THG-Zertifikaten erreichen. Elektroautofahrer und Ladesäulenbetreiber können hierfür ihre CO2-Einsparungen verkaufen. Wer die Quote nicht erfüllt, zahlt Strafen. Grüner Wasserstoff lässt sich auf diese Quote anrechnen (weshalb ja auch einige der ersten Elektrolyseurprojekte in Deutschland in Raffinerien entstehen).

Der Preis für THG-Zertifikate schwankt zwischen 200 und 400 Euro pro Tonne CO2. Da ein Kilogramm Wasserstoff zehn bis zwälf Kilogramm CO2 einspart, ergibt sich ein Erlös von zwei bis vier Euro pro Kilogramm. Allerdings ist die bürokratische Abwicklung aufwendig und der direkte Einsatz im Verkehrssektor aufgrund fehlender Infrastruktur begrenzt. Denn: Wasserstoff kostet an Tankstellen zehn bis zwölf Euro pro Kilogramm. Die Produktionskosten liegen jedoch schon vor Abgaben (und die machen bei Kraftstoffen gut 50 Prozent aus) bei fünf bis zehn Euro. Der Markt ist also entweder stark auf Subventionen oder auf reduzierte staatliche Abgaben angewiesen.

Ein weiterer wichtiger Absatzmarkt bleibt die Industrie, insbesondere Stahl-, Chemie- und Raffinerieunternehmen wie Thyssenkrupp oder BASF, die bisher Wasserstoff aus Erdgas nutzen. Dieser sogenannte graue Wasserstoff kostet ein bis zwei Euro pro Kilogramm. Grüner Wasserstoff kostet, wie schon erwähnt. gut das Fünffache. Ohne Förderung oder CO2-Abgabe bleibt er daher wenig konkurrenzfähig. Die preissensible Industrie zögert auch deswegen mit der Umstellung – siehe das erst 2024 gestoppte Projekt für grünen Stahl bei ThyssenKrupp.

Denkbar sind auch andere Branchen. Doch für nicht alle ist der Einsatz von PtX realistisch.
 
Vertriebschancen für PtX nach Branchen
Vertriebsmöglichkeit Kurzfristig realistisch? Langfristig realistisch? Hürden
THG-Quote im Verkehr Möglich, aber begrenzt Stabiler Markt zu erwarten Bürokratische Hürden
Verkauf an Industrie Noch zu teuer Wenn CO2-Preis steigt Hohe Preisempfindlichkeit
Stromsektor (Wasserstoffspeicher) Unwirtschaftlich Geringe Effizienz Hoher Umwandlungsverlust
Export (etwa Ammoniak) Hohe Kosten Wachsender globaler Markt Transportkosten
Wasserstofftankstellen (Lkw, Busse) Noch zu geringe Nachfrage Zukunft für schwere Fahrzeuge Fehlende Infrastruktur

In der Praxis geht’s – mitunter

Ungeachtet dessen gibt es natürlich schon heute Beispiele, wie die PtX-Technologie in die industrielle Praxis überführt werden könnte.

Als weltweit größte Forschungs- und Demonstrationsanlage für klimafreundliche strombasierte Kraftstoffe (E-Fuels) entsteht seit Oktober 2024 in Leuna (Sachsen-Anhalt) mit der Technologieplattform Power-to-Liquid. Ziel ist die Entwicklung und industrielle Produktion von Power-to-Liquid(PtL)-Kraftstoffen in marktfähigen Mengen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV) mit rund 130 Millionen Euro gefördert und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geleitet.

Die Griesemann eFuels GmbH wurde als Generalunternehmer mit der Planung und Realisierung beauftragt. Der Start des Forschungsbetriebs ist für 2028 geplant. Im Fokus stehen die Dekarbonisierung des Verkehrs, insbesondere im Flug- und Schiffsverkehr, sowie die Optimierung von PtL-Kraftstoffen, um nicht nur die CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern auch sogenannte Nicht-CO2-Effekte. Dabei handelt es sich um Klimaauswirkungen des Luftverkehrs, die nicht durch das ausgestoßene CO2 verursacht werden, sondern durch andere Emissionen und physikalische Prozesse in großer Höhe entstehen. Dazu gehören insbesondere Wasserdampf, Stickoxide und Kondensstreifen.
 
Bei der DLR wird weiterhin an Power-to-Liquid-Kraftstoffen geforscht. Ohne diese würde es in einigen Branchen nicht gehen.
Quelle der Visualisierung: DLR

Zusätzliche Kohlenstoffquellen wichtig

Neben Wasserstoff wird auch regenerativ gewonnener Kohlenstoff benötigt. Laut Dechema (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e. V.) gibt es nicht die eine beste Quelle. Entscheidend seien Verfügbarkeit, Kosten und Nachhaltigkeit. Industrielle Punktquellen liefern hochkonzentriertes CO2 in großen Mengen und sind kostengünstig. Biogene Quellen und die direkte Abscheidung aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) sind nachhaltiger und vermeiden zusätzliches CO2 in der Atmosphäre, sind aber teurer. Biogene Quellen sind begrenzt.

Die CO2-Abtrennung benötigt also viel Energie. Der Schlüssel liegt laut Dechema in besseren Materialien mit niedrigerer Regenerationstemperatur und längerer Lebensdauer. Auch alternative Verfahren wie elektrochemische Prozesse und die Nutzung von Abwärme helfen, die Kosten zu senken. Bei der DAC-Technologie werden deutliche Einsparungen durch Skalierung und technischen Fortschritt erwartet.

Allerdings ist das Transportproblem für regenerativ erzeugten Kohlenstoff beziehungsweise CO2 noch nicht gelöst. Für große Mengen sind Pipelines die beste Lösung, für kürzere Strecken kommen Lkw oder Bahn infrage. Eine langfristige Speicherung ist nach Einschätzung der Dechema geologisch möglich, zum Beispiel als komprimiertes Gas oder mineralisches Karbonat. Eine CO2-Infrastruktur könnte Synergien mit Carbon Capture & Storage (CCS) und Carbon Capture & Utilization (CCU) schaffen.

Doch wie könnte die PtX-Produktion marktfähig werden? „CO2-Bepreisung, Subventionen und steuerliche Anreize sind entscheidend. Abnahmegarantien für PtX-Produkte könnten Investitionen erleichtern. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien und internationale Kooperationen, etwa mit Ländern wie Chile oder Marokko, spielen eine Schlüsselrolle für eine nachhaltige Skalierung“, so die Dechema.
 

Frank Urbansky
© 2025 Energie & Management GmbH
Dienstag, 22.04.2025, 09:07 Uhr

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