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Enerige & Management > Stark Im Wind - Wind, Whisky, Wasserstoff
Quelle: E&M
STARK IM WIND:
Wind, Whisky, Wasserstoff
Etliche deutsche Energieunternehmen investieren in Schottlands Erneuerbare. Eine Rundreise zu den drei Ws nördlich des Hadrianwalls.
 
Was Schottlands Whisky-Brennereien hervorbringen, rauscht weltweit die Kehlen hinab. Mithilfe von Wind hergestellter Wasserstoff soll zukünftig der Exportschlager werden. In Lockerbie begegnen sich Gegenwart und Zukunft in einem Biomassekraftwerk − und das Engagement von Eon ist nur ein Beispiel dafür, dass Schottland weit oben auf dem Zettel etlicher deutscher Energieunternehmen steht.

Das bei der Herstellung des Nationaldestillats entstehende CO2 und biogenes Kohlendioxid aus Eons Biomassekraftwerk „Steven’s Croft“ − das Holz verwertet − sollen eine Liaison mit Wasserstoff eingehen. Aus der Synthese entstehen E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, weitgehend mithilfe von Windstrom. Und das in einem Umfang, der „die Grundlage für treibhausgasreduzierte Lösungen in Schiff- und Luftfahrt und sogar für den Motorsport“ zu legen vermöge, sagt Markus Wambach. Er ist Vorstand beim Beratungsunternehmen MHP. Diese Tochter von Porsche jongliert in Lockerbie die Interessen der am internationalen Netzwerk „HyLion“ beteiligten Unternehmen. Darunter befindet sich auch die Stuttgarter Bosch Manufacturing Solutions GmbH, die das erforderliche Wasser aufbereiten und gegebenenfalls entsalzen wird.
 
Eons Biomassekraftwerk „Steven’s Croft“ in Lockerbie macht Hoffnung auf CO2-reduzierte E-Fuels
Quelle: Volker Stephan

Ganz gleich, wie man zu den Kraftstoffen steht, die unter sündhaftem Energieeinsatz zu produzieren sind − hier im Norden Lockerbies reifen die Träume für eine klimafreundliche Schiff-, Luft- und Raumfahrt − und für einen Motorsport, der weniger stinkt. Auf 45.000 Tonnen E-Methanol beziffert Hy Lion die erwartbare Menge, sobald die Pilotanlage 2028 den Betrieb aufnimmt.

Die Jahresproduktion lässt sich verzehnfachen, wenn das Eon-Kraftwerk und die Brennereien der Region bis zu 680.000 Tonnen biogenes CO2 zur Verfügung stellen statt 63.000 Tonnen wie zu Beginn. Und wenn entsprechend zusätzliche Elektrolyseurkapazität da ist. Die Nachfrage nach dem dekarbonisierten Sprit werde erheblich wachsen, glaubt Sylvia Trage. Die für das Lieferkettenmanagement zuständige MHP-Partnerin sagte E&M: „Die reichhaltigen Windressourcen in Nordeuropa bieten eine ideale Grundlage für eine skalierbare Produktion von CO2-reduziertem Wasserstoff und Derivaten.“

Vorboten eines gewaltigen H2-Hochlaufs

Wasserstoff soll bis 2030 in Schottland eine Erzeugungskapazität von 5.000 MW und bis 2045 fünfmal mehr erreichen. Der Hochlauf ist deutlich zu sehen. Nächster Stopp: Aberdeen, Großbritanniens nördlichste Großstadt. Und bedeutendster Seehafen für das nach Whisky und Wasserstoff dritte und wichtigste W − die Windkraft. Aus dieser Ressource lässt sich da oben immens Kapital schlagen: „Schottland verfügt über gigantische Flächen auf dem Meer“, sagt Meinolf Otto. Er arbeitet für die Export- und Investitionsförderung „Scottish Development International“ (SDI), die im Auftrag der Edinburgher Regierung schottische und internationale Unternehmen zusammenbringt.

Auf bis zu 60.000 MW beziffert Schottland, das bis 2045 den Treibhausgasausstoß auf Netto-Null herunterfahren will, das Potenzial an Offshore-Kapazität. 3.000 MW sind am Netz. Nächstes Etappenziel ist 2030, wenn bis zu 12.500 MW entwickelt sein sollen. Das ist mehr als die Hälfte des gesamtbritischen Zwischenziels (23.000 MW).

Darüber hinaus rühmt Schottland sich dafür, mit einer Pipeline von 18.000 MW schwimmender Meeresparks Floating-Weltmarktführer zu sein. An einem dieser Projekte, „Buchan“ vor Aberdeens Küste (1.000 MW), ist auch die Münchner Baywa Re beteiligt, die seit 2014 in Schottland aktiv ist.

Im Meer der Offshore-Entwickler schwimmt neuerdings auch EnBW mit. Die Karlsruher bauen ihren ersten Park in schottischen Gewässern gemeinsam mit BP. Eine Sprecherin von EnBW sagte E&M, neue Vorschriften für den Netzanschluss verzögerten das 2.900-MW-Projekt „Morven“ etwas. Einspeisen könne der Park daher frühestens 2032.

„Morven“ zählt zu aktuell insgesamt 14 geplanten Offshore-Farmen, die für die grüne Wasserstoffproduktion eine Rolle spielen sollen. Wind in grünes Gas verwandeln, daran führt für Meinolf Otto kein Weg vorbei. Der Wirtschaftsförderer sagt, es brauche „mehr Möglichkeiten, als den Windstrom in Netze einzuspeisen“.

Denn Schottland hatte bereits 2020 seinen eigenen Strombedarf zu 97,4 Prozent aus Erneuerbaren gedeckt und war zum Energieexporteur geworden. Selbst wenn weitere Sektoren vor der Elektrifizierung stehen, stellt sich also die Frage, welches Ziel der Windkraftausbau nun haben soll. Nutzen statt abregeln, findet Meinolf Otto: 126 Milliarden kWh schottischen Ökostroms sollen 2045 für die Wasserstoffproduktion bereitstehen.

Derweil am anderen Ende der Nordsee

Einer, der darauf wartet, ist Robert Seehawer. Der Geschäftsführer der deutschen „AquaVentus“ − eines Fördervereins aus mehr als 100 Unternehmen und Einrichtungen − wirbt für die Vision eines europäischen Nordsee-Energieverbunds. Die Idee ist, grünen Wasserstoff direkt an den Offshore-Windparks zu erzeugen und von dort per Röhre zu den Abnehmermärkten zu transportieren. „AquaDuctus“ heißt das zugehörige Projekt. Bis 2030 sollen die ersten 100 Pipelinekilometer vor Helgoland verlegt sein. „Wenn der Strom nichts kostet, mach Wasserstoff daraus“, lautet einer von Seehawers Kernsätzen. Damit meint er die Zeiten niedriger oder negativer Preise.

Bei Aquaductus sollen Nordseeanrainerstaaten H2-Pipelines wie Brücken aufeinander zu bauen − das ist günstiger als nationale Insellösungen und lässt den Wasserstoff leichter dorthin strömen, wo er am meisten gebraucht wird. Schottland, so Robert Seehawer, zeichne sich durch „wenig Menschen und viel Wind“ aus, Deutschland durch große Bevölkerung und energiehungrige Industrie. Daraus folgt: Das 5,5 Millionen Einwohner zählende Land produziert im Idealfall Wasserstoff über den eigenen Bedarf hinaus und für den Export. Die gemeinsame Transportinfrastruktur sei kostengünstiger, als „parallel teure Einzelprojekte zu realisieren“, sagt Seehawer.

In Schottland sieht Meinolf Otto von SDI sowohl unter bereits 150 im Wasserstoffsektor arbeitenden Firmen als auch in den H2-Hubs ausreichend Investoren, die in den Startlöchern stünden, um die Elektrolyse auf See und den Transport über Meerespipelines anzugehen. Die Frage der Refinanzierbarkeit thront indes über allem, abhängig nicht zuletzt vom Endpreis für die Kilowattstunde Wasserstoff und von staatlicher Regulierung. Beispielsweise äußert sich die auch in Großbritannien tätige RWE eher kühl zu dem Thema.

Von E&M auf die Pipelineinitiativen angesprochen, zeigte RWE-Vorstandschef Markus Krebber sich jedenfalls abwartend: „Wir beobachten das.“ Für Meinolf Otto ist es auch eine Frage der Perspektive: Wer Offshore-Windprojekte für die H2-Produktion statt für die Stromversorgung entwickelt, spare die hohen Kosten für die Stromkabel gen Festland.

Von der Zukunft auf See zurück auf den Boden der Tatsachen nach Peterhead nördlich von Aberdeen. Im Küstenort macht das Projekt „Evolution Hydrogen Peterhead“ ermutigende Schlagzeilen für die Wasserstoffgegenwart. Schon 2028 sollen in einem Anlagenpark mehr als 100.000 Kilo des grünen Gases entstehen, der Ökostrom kommt von den vorgelagerten Floating-Parks. Die weiteren Ausbaustufen sollen ausdrücklich nicht nur Schottland, sondern auch Deutschland bedienen. Peterhead macht sich dabei vorhandene, für den Öl- oder Gastransport gelegte Leitungen zunutze. Auch hier sind Röhren auf dem Meeresgrund für den Transport des grünen Wasserstoffs vorgesehen.

Die Erneuerbaren-Exkursion durch Schottland führt abschließend weg vom Meer über die Straße in den von sanften Hügeln und schläfrigen Schafen geprägten Südwesten, nach Cumnock. Dort, im Verwaltungsbezirk East Ayrshire, hat RWE jüngst den Windpark „Enoch Hill“ in Betrieb genommen. Die Deutschen bezeichnen sich als führenden Stromproduzenten in Großbritannien. In Schottland verfügen sie über mehrere Wasser- und Biomassekraftwerke, ambitionierte Wasserstoffprojekte und mehr als zehn Windparks, davon einen offshore. „Enoch Hill“ ist mit einer Gesamtkapazität von 70 MW der größte Onshore-Windpark des Konzerns in Schottland. Die Pipeline an Land ist mit mehr als 1.000 MW, verteilt auf ein gutes Dutzend Standorte, stark gefüllt.

Turbinen in Schottlands schönen Gegenden aufzustellen, übt eine ungebrochene Anziehungskraft auf deutsche Entwickler aus. Manchmal verlieren aber selbst die malerischen Highlands ihre Attraktivität. PNE hat jüngst sein Engagement auf der Insel beendet, mit dem Verkauf des letzten verbliebenen Windparks in Sallachy (43 MW) an die kanadische Erneuerbaren-Firma Boralex. Der Cuxhavener Entwickler hatte mehr als eine Dekade lang auch in Schottland Geschäfte mit der Realisierung und dem Verkauf von Windparks gemacht.


Wenn einer geht, kommt ein anderer: Uniper hat im Sommer bekannt gegeben, 2027 mit dem Bau des Windparks „Hare Craig“ in East Ayrshire zu beginnen. Die Düsseldorfer haben somit Schottland zum Standort für ihren allerersten eigenen Windpark auserkoren. Er soll dem Gasriesen neben Solarparks zu einem grüneren Image verhelfen. Partner beim Errichten der 46 MW ist Energiekontor aus Bremen. Dass die Onshore-Windkraft deutsche Energieunternehmen nach Schottland zieht, liegt auch an den britischen Differenzverträgen (CfD) samt der kalkulierbaren Erträge. Wenn sie schon nicht mit Whisky ihr Geld verdienen, soll es mit Wind und Wasserstoff so sein. 
 
Heimat für Schafe und RWEs größten Onshore-Windpark in Schottland: East Ayrshire
Quelle: Volker Stephan


 
 

Volker Stephan
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Freitag, 12.09.2025, 09:20 Uhr

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