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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Repowering als Gründungssaga
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNG:
Repowering als Gründungssaga
Was treibt zwei Manager der alten Energiewirtschaft an, ein Start-up mitzugründen, das ausschließlich auf das Repowering von Windparks spezialisiert ist? Sie sagen es E&M.
 
 
Das 70-köpfige Nextwind-Team mit seinen drei Geschäftsführern vor dem Repowering-Windpark Mannhagen (Schleswig-Holstein)
Quelle: Nextwind

Madrid, 6. Dezember 2017: Borussia Dortmund muss gegen Real das Gruppenfinal-Rückspiel in der Champions League gewinnen. Auf einer Tribüne sitzen Ewald Woste, ein gewesener Champion der alten Energiewirtschaft, und Lars Meyer, ein Champion der neuen Energiewirtschaft (siehe Kasten „Nextwind“).

Woste, nach seiner Top-Karriere im Thüga-Netzwerk Multi-Aufsichtsrat und Gründer geworden, spricht mit seinem Freund in Madrid nicht nur über Fußball, sondern auch über das Repowering von Windanlagen in Deutschland und den möglichen Eintritt eines spanischen Investors in den deutschen Markt. Wenige Monate später bauen Lars Meyer und Qualitas Energy die Plattform Re-Wind in Berlin auf. Woste unterstützt sie als Vorsitzender des Investment Committees und Werner Süss, auch er ein Champion der alten Energiewelt, betreut den Aufbau des Portfolios. Für Qualitas ist das die angestrebte Expansion nach Deutschland.

2020 nehmen Woste & Co. dieses Geschäftsmodell in eine nächste Gründung mit: die Nextwind. Sie spezialisiert sich von Anfang an auf das Repowering etwa 15 Jahre alter Windparks, deren Förderzeit 2021 und später ausläuft.

„Private Equity ist damals kaum in das Repowering geflossen. Die etablierten deutschen Entwickler hatten den Markt fest im Griff − sie haben Newcomern wenig Raum gelassen“, erinnert sich Werner Süss gegenüber E&M. Im weißen Kragenhemd sitzt er direkt neben Woste in einem Berliner Start-up-Büro. Dort ist die Nextwind untergebracht, die er mit Woste und Meyer als geschäftsführende Gesellschafter gegründet hat. 

Der heute 61-jährige Süss und der 64-jährige Woste − sie sind erfahren in der alten Energiewelt. Süss war CEO der damaligen Vertriebsgesellschaft von Vattenfall Europe gewesen, die ihren günstigen Braunkohlestrom verkaufte, solange sie ihn noch hatte. Der Klimatech-Unternehmer Lars Benjamin Meyer ist mit 52 Jahren etwas jünger.

Volle Kasse

Seit einer Finanzierungsrunde Mitte 2023 ist Nextwinds Kasse prall gefüllt: mit frischen 750 Millionen Dollar, umgerechnet etwa 700 Millionen Euro. „Das sind neben Sandbrook Capital im Wesentlichen kanadische Pensionsfonds“, sagt Woste.
„Wir sind die Ersten, die das Repowering zum Geschäftsmodell erhoben haben“, sagt Werner Süss stolz.

Wie er mit Woste und Meyer auf die Idee kam? „Bei alten Windparks handelt es sich um vorgeprägte Standorte, die bereits eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Behörden haben“, antwortet Süss. „Und es ist interessant, in Assets zu investieren, die sich in jedem Fall erst mal drehen und stabile Cashflows liefern.“

Er meint damit stetige Einnahmen aus der Stromeinspeisung, bis die Altanlagen demontiert werden. „Durch das Repowering wird dann die Windausbeute um ein Vielfaches erhöht.“ Viele Investoren schätzten auch die Energiewende und die Rechtssicherheit a la Deutschland.

Warum es Wind sein musste

Warum gerade Wind? Zwar ist seit 2021 unter den ersten Post-EEG-Anlagen auch PV betroffen, aber das sind im Wesentlichen kleine Dachanlagen. Lars Meyer lässt sich so zitieren: „Onshore-Wind wird in den nächsten Jahren eine wesentliche Stütze der Energiewende in Deutschland sein. Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist es daher naheliegend, alte Windstandorte zu nutzen und zu repowern.“

Werner Süss ergänzt live: „Unser hart erarbeitetes Netzwerk in der Windszene ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale. Unser USP (Alleinstellungsmerkmal; d. Red.) ist: Der Großteil unseres Geschäfts findet off-market statt. Viele dieser Betreiber kennen wir persönlich.“ Bis etwa 2008 hätten vor allem Privatpersonen und einige wenige Investoren aus Dänemark in Deutschland Windräder aufgestellt, dagegen wenige Energieversorger oder institutionelle Investoren. Süss ergänzt einen weiteren harten Faktor und viele weiche, die naturgemäß das Zeug zum Werbeblock haben: „Es kommt gut an, dass wir eigenkapitalstark, schnell und geradlinig sind.“ Nextwind kooperiere auch mit großen Beratern, Kanzleien und Gutachtern. 
Hohe Ziele, erste Umsetzung

Die Akquisitionserfolge lassen nicht lange auf sich warten: Seit der Finanzierungsrunde im Sommer 2023 vervierfacht das Start-up sein Repowering-Portfolio. Werner Süss hält Nextwind für führend: „Gefühlt werden wir 20 Prozent des Repowering-Potenzials im Norden Deutschlands erwerben.“ Für 2025 habe man sich jetzt 2.000 MW vorgenommen; „für 2028 sind 3.000 Megawatt unter Vertrag unser Ziel“. Jährlich fallen mehrere Tausend Megawatt Onshore-Windleistung aus der EEG-Förderung.

Das erste repowerte Windrad von Nextwind, eine Enercon E160 mit 120 Metern Nabenhöhe, geht in diesen Tagen in Betrieb − in Salingen bei Dortmund −, zufälligerweise fast in Sichtweite von Borussias Westfalenstadion. Das neue Windrad mit einer Jahreserzeugung von fast 18 Millionen kWh produziert zehnmal so viel Strom wie sein Vorgänger.

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck bringt die Bedeutung von Repowering für die Energiewende häufig auf folgende Formel: Ersetzte man 10.000 alte Onshore-Windräder durch moderne, wäre das nationale 2030-Ziel für sie ohne neue Flächen schon erreicht.

Eine Fülle von kaufmännischen Argumenten fürs Repowering also. Über andere Gründungsmotive von Meyer, Süss und Woste erfährt man etwas, wenn man sie nach dem Stand der Energiewende unter der Ampel fragt und nach ihrer Sicht auf die etablierte Energiewirtschaft, in der etwa Ewald Woste KWK-Subventionen für fossile Heizkraftwerke gefordert hatte.

„Eine meiner ersten Initiativen als Thüga-Chef war die Gründung der Thüga Erneuerbare Energien“, erinnert sich Woste. „Das ist mir damals alles ein bisschen zu langsam gegangen. Die politischen Entscheidungen, sowohl aus Kernkraft als auch aus Kohle auszusteigen, sind in einem großen gesellschaftlichen Konsens getroffen worden. Die darauf logisch folgende Fokussierung auf erneuerbare Energien wurde dann aber mehr als stiefmütterlich behandelt.“ Woste hatte als eigens dazu berufener Aufsichtsratschef den Verkauf des fossilen Essener Kraftwerksbetreibers Steag durch NRW-Stadtwerke an die spanische Asterion moderiert, der Anfang 2024 wirksam wurde.

Werner Süss, wie erwähnt 61, formuliert es so: „Mit fortgeschrittenem Alter denkt man grüner, nachhaltiger. Man muss es einfach machen! Wir haben es gemacht, wir haben zu dritt am Ku’damm in einem Hinterhofzimmer angefangen.“ Alle drei Gründer empfinden die Arbeit in dem auf mehr als 70 Köpfe gewachsenen internationalen Start-up-Team als Jungbrunnen. Im Hinterhof wurde es längst zu eng, man wird jetzt zum zweiten Mal innerhalb Berlins umziehen. Meyer: „Unser Team wird relativ schnell auf 100 Beschäftigte hochlaufen.“

Im Übrigen seien die Herausforderungen der alten und neuen Energiewelt gleich. Woste: „Wir tauschen jetzt die Assets aus.“ Er meint damit den Ersatz der konventionellen Kraftwerke durch erneuerbare. Werner Süss wählt folgendes Bild: „Wir interpretieren wie ein Sternekoch die traditionelle Küche schlicht neu − die Grundregeln der Energiewirtschaft gelten weiter, nur die Zutaten sind andere.“

Voll hinter Habeck und der Ampel

Aber hat die Ampel die Kosten der Energiewende im Griff? Sie koste Deutschland insgesamt 1 Billion Euro, so jüngst McKinsey. Die Einspeisesubventionen wurden 2022 auf 2023 noch um ein Viertel erhöht.

Diese volkswirtschaftlichen und ordnungspolitischen Aspekte beirren Woste und Süss nicht. Für Werner Süss ist „die große Leistung der Bundesregierung, dass sie diesen Weg unumkehrbar gemacht hat. Und am Ende wird das Energiesystem stärker marktbasiert sein, wird eine der modernsten Betreiberstrukturen haben, wird genug ESG-Kapital bekommen und einen großen Hunger nach Grünstrom im In- und Ausland befriedigen“, sagt er voraus. Er meint mit ESG (Environment, Social, Governance) Nachhaltigkeitskriterien für Finanzinstrumente.

„Das ist eine wahre Zeitenwende“, so fällt Süss’ Zwischenbilanz der beschleunigten Energiewende aus. Die nächste Regierung, die sich nach dem Herbst 2025 bildet, könne, „nüchtern betrachtet, gar nicht mehr den volkswirtschaftlichen Fehler machen, den Atom- und Kohleausstieg und den faktischen Ausstieg aus der Erdgasverstromung zurückzudrehen“.

Ewald Woste nennt es einen Fehler der „damaligen politisch Verantwortlichen, zu versprechen, dass man die Energiewende für null bekommt“. Das Wort „Kanzlerin“ oder andere Namen will er dabei nicht im Mund führen. Deutschland fahre im Vergleich etwa zu England, das auf einen Mix mit Atomkraft setzt, noch günstig. Woste erwähnt die Baukosten für das AKW-Projekt Hinkley Point C von bisher 50 Milliarden Euro und eine vorerst bis 2031 verzögerte Bauzeit.

Werner Süss ist speziell Habeck „dankbar“. Der Vizekanzler habe „kompetente Arbeit und eine gut durchdachte Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens“ geleistet. Nextwind erkenne zum Beispiel in den Ministerien bei den immissionsrechtlichen Reformen, die den Windenergieausbau erleichtern, „Wohlwollen und Sachverstand“. In dieses Lob seien die Länder eingeschlossen, wie man den dortigen Erlassen zu Mindestabständen entnehme.

Meyer, Süss und Woste wissen allerdings, dass Wind-Repowering ein endliches Geschäft ist − was für ein mit Wachstumskapital ausgestattetes Start-up irgendwann zum Problem werden würde. Auf eine entsprechende Frage von E&M erwidert Woste mit Blick auf Neubauvorhaben: „Wir öffnen uns gerade Greenfield-Projekten und Co-Locations mit Batterien und PV.“ Und zwar, sekundiert Süss, vorerst in der Nähe der Repowering-Standorte.

Die Ertüchtigung deutscher Windparks bleibe zunächst das Kerngeschäft: „Du musst erst stabil stehen, wo du stehst, und kannst dann weiterwachsen.“ Und Windparks im Ausland seien im Wesentlichen noch weniger als 15 Jahre jung: „Andere Länder wachsen erst in interessante Märkte hinein.“

Beim Spiel vor sieben Jahren hatte Real den Sack zugemacht. BVB-Fan Woste nahm’s sportlich und unterstützte den spanischen Qualitas-Fonds beim Eintritt in den deutschen Markt. Seither ist seine geliebte Borussia Real zweimal in der Champions League begegnet. Diesen Juni verlor sie im Finale und am 22. Oktober, nach Redaktionsschluss, stand sie Real in einem Gruppenspiel gegenüber. Auf der Tribüne waren zwei Champions der neuen Energiewelt: Woste und Meyer. 

Nextwind und seine Unternehmer

Die Londoner Neugründung Nextwind Capital Ltd. fokussiert sich als vielleicht einziges Unternehmen auf das Repowering deutscher Windparks. Sie wird 2020 von Ewald Woste, Werner Süss und dem Klimatech-Unternehmer Lars Benjamin Meyer gegründet, die sich auch die Geschäftsführung teilen. Das mittlerweile mehr als 70-köpfige Team des Start-ups wird in Berlin aufgebaut.
Woste war 2006 bis 2014 Chef des Stadtwerkenetzwerks Thüga und von 2010 bis 2014 Präsident des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), danach Multi-Aufsichtsrat. Süss war von 2002 bis 2012 CEO von Vattenfall Europe Sales. Meyer verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Energiesektor, unter anderem als Private-Equity-Investor und M&A-Berater (Zusammenschlüsse und Erwerbungen).
Nacheinander steigen Investoren bei Nextwind ein und planmäßig aus. Mitte 2023 geben Sandbrook Capital, PSP Investments und IMCO umgerechnet 700 Millionen Euro. Bereits ein Jahr später ist das Ziel für 2026 vorzeitig erreicht, das Repowering-Portfolio auf 1.000 MW zu vervierfachen. Auch geht 2024 der erste repowerte Windpark in Betrieb.
 
Die Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter (v.l.): Werner Süss, Ewald Woste und Lars Meyer
Quelle: Nextwind
 

Georg Eble
Redakteur
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Freitag, 08.11.2024, 08:58 Uhr

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