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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Preiskämpfe und Blockaden
Quelle: Fotolia / tomas
E&M VOR 20 JAHREN:
Preiskämpfe und Blockaden
An der Schwelle zum neuen Gaswirtschaftsjahr 2004/05 hatte das Lamento über den Zustand des Marktes eher zu- als abgenommen, wenn auch meist nur hinter vorgehaltener Hand.
 
Der Beginn eines neuen Gaswirtschaftsjahres am 1. Oktober ist ein beliebter Zeitpunkt, um auf den Zustand des Marktes zu blicken. Die Preise und Konditionen der Lieferverträge, die allgemeine Versorgungslage oder die Konkurrenten am Markt waren auch vor 20 Jahren Gegenstand von Analysen und Debatten.

E&M-Redakteur Fritz Wilhelm beobachtete damals die Entwicklung des noch relativ jungen Gasmarkts, in dem der Wettbewerb nur langsam in Gang kam, und sprach unter anderem mit Vertretern der Natgas. Das Unternehmen galt zu dieser Zeit als einer der innovativsten Player am Markt, musste allerdings 2020 seine Geschäftstätigkeit einstellen.



In diesem Monat staunte die E&M-Redaktion über eine Pressemitteilung, in der die Natgas AG in Potsdam bekannt gab, „mehrere Industriekunden an die ehemaligen Vorversorger verloren“ zu haben. In Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hätten die Unternehmen allerdings Preissenkungen von mehreren Prozent gegenüber dem Niveau vor ihrem Wechsel zur Natgas erzielt. So habe, resümieren die Potsdamer, ihre „erfolgreiche Geschäftstätigkeit“ erneut einigen Industrieunternehmen Wettbewerbsvorteile gebracht.

Natgas sieht sich aber trotzdem auf Expansionskurs. Laut Vorstandsmitglied Detlef Weidemann ist die Zahl der Kunden für das nächste Gaswirtschaftsjahr auf mehr als 30 im In- und Ausland gestiegen, vornehmlich Industriekunden und Weiterverteiler in Vollversorgung. Entsprechend werde auch das kontrahierte Volumen, das im gerade zu Ende gegangenen Gaswirtschaftsjahr bei etwa 3,5 Mrd. kWh lag, weiter steigen.

Von anderen Marktteilnehmern, seien es Kunden oder Konkurrenten, werden die Potsdamer immer noch mit BP in einem Atemzug genannt, wenn es um die aussichtsreichsten Geschäftsmodelle im Markt geht. Das Feigenblatt für den lahmen Wettbewerb will Natgas aber nun wirklich nicht sein. „Wir haben zwar mehr als einhundert Transportverträge, aber was sind die schon bei einem Potenzial von mehreren Tausend“, sagt Weidemann. Dabei sei die Durchleitung an sich gar nicht das Thema. In der Zusammenarbeit beispielsweise mit der mittlerweile vom Vertrieb getrennten Ruhrgas-Transportgesellschaft habe es nie Grund zur Klage gegeben. Preis-Dumping sei vielmehr das Problem. Und er ergänzt, die Quersubventionierung der Industriekunden zu Lasten der Haushalts- und Gewerbekunden, bei denen es aus „ökonomischen Gründen“ keinen Wettbewerb gebe, sei bedenklich.

Hoffnung auf konsequentes Unbundling

Weidemann spricht offen aus, was viele andere Marktteilnehmer hinter vorgehaltener Hand flüstern. „Wenn wir einem Kunden das Gas schenken wollen, kommt einer der etablierten Lieferanten daher und legt noch ein paar Scheine drauf und nennt dies dann ‚Marketing-Zuschüsse’“, beklagt sich der Vertreter eines Anbieters, der lieber nicht beim Namen genannt werden möchte, um sich nicht persönlich den Groll der Branchenriesen zuzuziehen. Die Kunden müssten schon den Willen zum Wechseln mitbringen, um auch tatsächlich ein alternatives Angebot anzunehmen. Etwas differenzierter beurteilt Ulrich Winkler, Pressesprecher der Deutschen BP AG die Lage: „Im täglichen Wettbewerb gibt es zwar Kunden, die einen Markteinsteiger wie uns dazu einsetzen, ihren etablierten Versorger im Preis zu drücken. Aber mehr und mehr Kunden schätzen unsere Flexibilität und Betreuung und dann spielt der Preis nicht unbedingt die primäre Rolle.“

Neben dem Preis-Dumping beklagen viele neue Anbieter auch „Blockade auf breiter Front durch große Kreativität bei der spontanen Erweiterung von Rechnungspositionen“, anprangert. Wer rechne schon beispielsweise mit einem zusätzlichen Obolus für eine plötzlich noch „notwendige Qualitätsanpassung“ oder dem überraschenderweise „dringenden Einsatz“ eines Verdichters jenseits des üblichen Treibgaseinsatzes. Insbesondere, wenn diese Leistungen nicht unter den Durchleitungskonditionen im Internet aufgelistet sind.

Wer sich zunächst gefreut habe, mit einem neuen Kunden rasch zu einer Einigung gekommen zu sein, das Gas zu dessen Belieferung günstig beschafft und auch die Durchleitung gemäß der im Internet veröffentlichten Konditionen der Netzbetreiber kalkuliert zu haben, erlebe immer wieder ein böses Erwachen. Manchem bleibt da nur die Hoffnung auf ein konsequentes Unbundling in naher Zukunft.

Im Gespräch machen einige neue Marktakteure ihrem Ärger über den kaum vorhandenen Wettbewerb Luft, während die alteingesessenen Versorger lapidar auf die Zahl der Durchleitungsanfragen, die geltenden Durchleitungsbedingungen und geltende Lieferverträge verweisen. Dagegen schweigen sich Industriekunden aus, zum einen um möglicherweise ihre Verhandlungsposition nicht zu schwächen oder weil sie ohnehin die Nutznießer des Preiskampfes sind. Durch die Mauern der Weiterverteiler dringt ebenfalls kaum Kritik. Möglicherweise ein Zeichen, dass die nach Angaben von Marktteilnehmern immer noch latente Drohkulisse der Etablierten, bei einem Wechsel des Weiterverteilers dessen Industriekunden abzuwerben, weiterhin Wirkung zeigt.
 
 

Fritz Wilhelm
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