
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Politik gibt IT-Hausaufgaben auf und kontrolliert sie nicht
Lahrs Ehrler, Chef des auch bei Direktvermarktern vertretenen Abrechnungsdienstleisters Aktif, stellt ein innovationsfeindliches Regulierungstempo fest.
Die IT-Regulierung in der deutschen Energiewirtschaft legt nach Ansicht von Lars Ehrler (44), Geschäftsführer der Aktif-Unternehmensgruppe,
ein solches Tempo an den Tag, dass sie Innovationen in der Produktentwicklung ausbremst.
Im Gespräch mit E&M äußert Ehrler: „Eigentlich würde ich mich mit meinen Kunden gerne über die Weiterentwicklung ihrer Produkte unterhalten anstatt über regulatorische und bürokratische Themen.“ Aber von der Energiepolitik kämen „Änderungsvorgaben an den Prozessen in sehr hoher Frequenz“.
Zu den Kunden des Softwareanbieters sowie Marktkommunikations- und Abrechnungsdienstleisters Aktif aus dem brandenburgischen Senftenberg gehören vor allem Direktvermarkter und Energievertriebe. Auf die Frage nach den großen Themen in Billing und elektronischer Marktkommunikation (Mako) nennt Ehrler den Redispatch 2.0, die Entwicklung neuer PPA-Produkte und die sukzessive Umstellung der Mako auf das Nachrichtenprotokoll AS4.
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Ehrlers Vorwurf zusammengefasst: Politik und Regulierer treiben weitere Änderungen voran, während es bei den bereits formal in Kraft getretenen noch hakt. Als Beispiel nennt der Aktif-Geschäftsführer die Vorgaben zum Lieferantenwechsel. Dieser ist vom 1. April 2025 an binnen eines Tages statt eines Monats abzuwickeln.
Dabei ist drei Jahre nach seiner Einführung immer noch nicht der Redispatch 2.0 umgesetzt, seitdem gilt eine „Übergangsregelung“ des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Grundgedanke des Redispatch 2.0 wäre, dass die jeweiligen Anschlussnetzbetreiber ihre kurzfristigen Eingriffe in die Fahrweise von Erneuerbaren-Anlagen selbst bilanziell ausgleichen.
Weil die für Photovoltaik und Onshore-Wind zuständigen Verteilnetzbetreiber (VNB) daran scheiterten, gleichen seitdem vor allem die Direktvermarkter die Bilanzkreise ihrer Anlagenbetreiber aus. Die VNB entschädigen sie dafür und die Direktvermarkter reichen das Geld an die Betreiber weiter.
Das funktioniert eher schlecht als recht − diese Wertung aus der Branche teilt auch Ehrler. Viele VNB brauchen nach seiner Beobachtung zu lange mit Auskünften über Art, Tiefe und Dauer der Kraftwerksabregelungen (Redispatches): „Monate später kommen dann die Zeitreihen!“ Die Direktvermarkter brauchen sie aber, um die Entschädigungen korrekt in Rechnung zu stellen oder geleistete Kompensationen zu kontrollieren. Bis dahin bekommen die Anlagenbetreiber erst mal nichts.
„Vakuum“ bei Redispatch und AS4
Paradoxerweise leiden in dem Zusammenhang die Direktvermarkter als die direkten Ansprechpartner der VNB an einem regulatorischen Vakuum, so Ehrler. Die Erwartung der VNB an die zu stellenden Rechnungen habe sich recht langsam entwickelt: „Hier ist nichts standardisiert!“ Bei etwa 1.200 Strom-VNB müssten bundesweit agierende Direktvermarkter also theoretisch ebenso viele verschiedene Rechnungsformate berücksichtigen. Immerhin hätten sich viele VNB nun auf eine ähnliche Art der Rechnungsstellung geeinigt.
Anderes Beispiel: Das Nachrichtenprotokoll AS4, das nach und nach den unsicheren Mailverkehr ersetzen soll und seit 1. April verpflichtend für die Mako Strom gilt. Am 1. Oktober soll auch der Informationsaustausch im Bereich Gas auf AS4 umgestellt sein und das Fahrplanmanagement darüber erfolgen. „Fahrpläne“ sind auf Kraftwerksseite viertelstündliche Zeitreihen mit der prognostizierten Soll-Einspeiseleistung oder der historischen Ist-Einspeiseleistung. Lars Ehrler ist für AS4. Aber er moniert, dass die Marktaufsicht die Einführung nicht sanktioniert. „In der Stromsparte haben einzelne Netzbetreiber − Stand Juni − immer noch nicht umgestellt“, sagt er, ohne Namen zu nennen.
Und dass die Einführung der neuen edi@energy-Datenformate in der Mako vom 1. April, dem Ostermontag, auf Druck einiger unbekannter Branchenakteure um zwei Tage verschoben wurde, hält Ehrler für eine „regulatorische Posse“. „Ich habe die Verschiebung nicht verstanden. Wissen Sie, wie oft wir in den vergangenen Jahren an Ostern gearbeitet haben?“, fragt er rhetorisch. In der Tat: Der traditionelle edi@energy-Umstellungstermin 1. April fiel schon 2018 auf Ostern und 2023 auf einen Samstag.
Seine eigene energiewirtschaftliche IT-Schmiede hält der Aktif-Geschäftsführer ungeachtet des Regulierungstempos für gut aufgestellt: „Etliche unserer Direktvermarktungskunden haben uns gespiegelt, dass ihre Erlöse seit dem Wechsel auf unsere Systeme gestiegen sind.“
Ehrler führt dies darauf zurück, dass die Aktif-IT für die einschlägigen Marktrollen „Lieferant“ und „Betreiber der Technischen Ressource“ (BTR) eine breite Palette energiewirtschaftlicher Assets abrechnet und deren Marktkommunikation abdeckt. Anlagenbetreiber und Direktvermarkter werden damit in die Lage versetzt, neue Produkte mit Grünstromdirektlieferverträgen (Power Purchase Agreements, PPA) zu entwickeln und abzurechnen − als Alternative zur reinen Börsenspotdirektvermarktung.
Bei Blockheizkraftwerken lässt sich seit Ende 2023 zusätzlich zum Strom auch die Wärme abrechnen. Zudem steht mit der Aktif-Software der Abbildung virtueller Kraftwerke, der Vermarktung von Flexibilitäten und der Abrechnung von Ladesäulen nichts im Wege. Auch im Hinblick auf Mieterstrom und Quartierskonzepte sieht Ehrler seine IT-Schmiede sattelfest.
Im Gespräch mit E&M äußert Ehrler: „Eigentlich würde ich mich mit meinen Kunden gerne über die Weiterentwicklung ihrer Produkte unterhalten anstatt über regulatorische und bürokratische Themen.“ Aber von der Energiepolitik kämen „Änderungsvorgaben an den Prozessen in sehr hoher Frequenz“.
Zu den Kunden des Softwareanbieters sowie Marktkommunikations- und Abrechnungsdienstleisters Aktif aus dem brandenburgischen Senftenberg gehören vor allem Direktvermarkter und Energievertriebe. Auf die Frage nach den großen Themen in Billing und elektronischer Marktkommunikation (Mako) nennt Ehrler den Redispatch 2.0, die Entwicklung neuer PPA-Produkte und die sukzessive Umstellung der Mako auf das Nachrichtenprotokoll AS4.
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„Wissen Sie, wie oft wir an Ostern gearbeitet haben?“, fragt Lars Ehrler rhetorisch zur Verschiebung eines Datenformattermins
von Ostern 2024. Er ist Geschäftsführer der Aktif-Unternehmensgruppe
Quelle: Aktif-Unternehmensgruppe
Quelle: Aktif-Unternehmensgruppe
Ehrlers Vorwurf zusammengefasst: Politik und Regulierer treiben weitere Änderungen voran, während es bei den bereits formal in Kraft getretenen noch hakt. Als Beispiel nennt der Aktif-Geschäftsführer die Vorgaben zum Lieferantenwechsel. Dieser ist vom 1. April 2025 an binnen eines Tages statt eines Monats abzuwickeln.
Dabei ist drei Jahre nach seiner Einführung immer noch nicht der Redispatch 2.0 umgesetzt, seitdem gilt eine „Übergangsregelung“ des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Grundgedanke des Redispatch 2.0 wäre, dass die jeweiligen Anschlussnetzbetreiber ihre kurzfristigen Eingriffe in die Fahrweise von Erneuerbaren-Anlagen selbst bilanziell ausgleichen.
Weil die für Photovoltaik und Onshore-Wind zuständigen Verteilnetzbetreiber (VNB) daran scheiterten, gleichen seitdem vor allem die Direktvermarkter die Bilanzkreise ihrer Anlagenbetreiber aus. Die VNB entschädigen sie dafür und die Direktvermarkter reichen das Geld an die Betreiber weiter.
Das funktioniert eher schlecht als recht − diese Wertung aus der Branche teilt auch Ehrler. Viele VNB brauchen nach seiner Beobachtung zu lange mit Auskünften über Art, Tiefe und Dauer der Kraftwerksabregelungen (Redispatches): „Monate später kommen dann die Zeitreihen!“ Die Direktvermarkter brauchen sie aber, um die Entschädigungen korrekt in Rechnung zu stellen oder geleistete Kompensationen zu kontrollieren. Bis dahin bekommen die Anlagenbetreiber erst mal nichts.
„Vakuum“ bei Redispatch und AS4
Paradoxerweise leiden in dem Zusammenhang die Direktvermarkter als die direkten Ansprechpartner der VNB an einem regulatorischen Vakuum, so Ehrler. Die Erwartung der VNB an die zu stellenden Rechnungen habe sich recht langsam entwickelt: „Hier ist nichts standardisiert!“ Bei etwa 1.200 Strom-VNB müssten bundesweit agierende Direktvermarkter also theoretisch ebenso viele verschiedene Rechnungsformate berücksichtigen. Immerhin hätten sich viele VNB nun auf eine ähnliche Art der Rechnungsstellung geeinigt.
Anderes Beispiel: Das Nachrichtenprotokoll AS4, das nach und nach den unsicheren Mailverkehr ersetzen soll und seit 1. April verpflichtend für die Mako Strom gilt. Am 1. Oktober soll auch der Informationsaustausch im Bereich Gas auf AS4 umgestellt sein und das Fahrplanmanagement darüber erfolgen. „Fahrpläne“ sind auf Kraftwerksseite viertelstündliche Zeitreihen mit der prognostizierten Soll-Einspeiseleistung oder der historischen Ist-Einspeiseleistung. Lars Ehrler ist für AS4. Aber er moniert, dass die Marktaufsicht die Einführung nicht sanktioniert. „In der Stromsparte haben einzelne Netzbetreiber − Stand Juni − immer noch nicht umgestellt“, sagt er, ohne Namen zu nennen.
Und dass die Einführung der neuen edi@energy-Datenformate in der Mako vom 1. April, dem Ostermontag, auf Druck einiger unbekannter Branchenakteure um zwei Tage verschoben wurde, hält Ehrler für eine „regulatorische Posse“. „Ich habe die Verschiebung nicht verstanden. Wissen Sie, wie oft wir in den vergangenen Jahren an Ostern gearbeitet haben?“, fragt er rhetorisch. In der Tat: Der traditionelle edi@energy-Umstellungstermin 1. April fiel schon 2018 auf Ostern und 2023 auf einen Samstag.
Seine eigene energiewirtschaftliche IT-Schmiede hält der Aktif-Geschäftsführer ungeachtet des Regulierungstempos für gut aufgestellt: „Etliche unserer Direktvermarktungskunden haben uns gespiegelt, dass ihre Erlöse seit dem Wechsel auf unsere Systeme gestiegen sind.“
Ehrler führt dies darauf zurück, dass die Aktif-IT für die einschlägigen Marktrollen „Lieferant“ und „Betreiber der Technischen Ressource“ (BTR) eine breite Palette energiewirtschaftlicher Assets abrechnet und deren Marktkommunikation abdeckt. Anlagenbetreiber und Direktvermarkter werden damit in die Lage versetzt, neue Produkte mit Grünstromdirektlieferverträgen (Power Purchase Agreements, PPA) zu entwickeln und abzurechnen − als Alternative zur reinen Börsenspotdirektvermarktung.
Bei Blockheizkraftwerken lässt sich seit Ende 2023 zusätzlich zum Strom auch die Wärme abrechnen. Zudem steht mit der Aktif-Software der Abbildung virtueller Kraftwerke, der Vermarktung von Flexibilitäten und der Abrechnung von Ladesäulen nichts im Wege. Auch im Hinblick auf Mieterstrom und Quartierskonzepte sieht Ehrler seine IT-Schmiede sattelfest.
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Mittwoch, 18.09.2024, 09:00 Uhr
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