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RECHT:
Lex Sauerland: Erste Klagen gegen Zeitspiel der Behörden
Spektakulär sorgten jüngst CDU und Grüne in NRW sowie im Bund mit der SPD für eine Koalition gegen Hunderte von Windkraft-Projekten. Die Brems-Gesetze müssen nun vor Gericht halten.
Dass Behörden beantragte Windenergieprojekte ein halbes Jahr lang auf Eis legen dürfen, ist in Nordrhein-Westfalen seit kurzem
geltendes Recht. Ob das gerichtsfest ist, dürfte sich schon bald erweisen. Denn das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat
die ersten Klagen auf dem Tisch.
In der Domstadt gibt es seit Dezember 2020 einen Senat, der die Nummer 22 trägt und der seine Existenz den wachsenden Windkraftstreitigkeiten verdankt. Johann Lier ist einer der Berufsrichter des Senats. Er erklärte auf Anfrage dieser Redaktion, dass inzwischen fünf Klagen gegen Genehmigungsbehörden am OVG vorliegen. Ihnen gemein ist der Vorwurf, dass die zuständigen Ämter trotz genehmigungsreifer Anträge einfach untätig blieben.
Doch genau diese Untätigkeit hat die NRW-Landesregierung mit einer Änderung des Landesplanungsgesetzes im Januar bezweckt. Der keine vier Wochen alte Paragraf war eine Reaktion auf einen gescheiterten ersten Versuch aus 2024, Behörden in Windkraftfragen ein Spiel auf Zeit zu ermöglichen. Schwarz-Grün argumentierte immer, den Windkraftausbau vorantreiben zu wollen – allerdings nur in dem Rahmen, den die in Aufstellung befindlichen Regionalpläne für künftige Turbinen vorgeben.
NRW-Problem findet Gehör in der Bundespolitik
Im Düsseldorfer Landtag legte Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) eine Statistik vor, die beweisen sollte, dass ein gesteuerter Windkraftausbau ohne Gesetzesänderung nicht möglich sei. Mehr als 1.400 Anträge, teils im beschleunigten Vorbescheidverfahren, auf Turbinen außerhalb der gewünschten Flächen hätten sich angesammelt. Im Übergangszeitraum und ohne festgelegte Vorrangzonen hätten die meisten von ihnen eine gute Chance auf Genehmigung. Das aber torpediere den mühsamen Abwägungsprozess beim Aufstellen der Regionalpläne.
Mit den Regionalplänen ist NRW im Prinzip sehr schnell. Schon Mitte 2025 – und damit sieben Jahre früher als von der ehemaligen Ampel-Koalition vorgegeben – soll klar sein, mit welchen Flächen das Bundesland sein Ziel erreichen will. 1,8 Prozent der Landesfläche sind nach Wind-an-Land-Gesetz der Bundesregierung für die Ökoenergie-Variante zur Verfügung zu stellen. Andere Bundesländer lassen sich mehr Zeit und nehmen die Genehmigungspraxis mit Interesse zur Kenntnis.
Gegen die NRW-Regelung aus dem vergangenen Jahr hatte das OVG in Münster große Bedenken geäußert. Der Passus, Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen außerhalb vorgesehener Flächen aussetzen zu dürfen, fiel vor dem 22. Senat mehrfach durch. Eine Begründung: Hier breche Landesrecht Bundesrecht. Bestimmte Regeln könne nur der Gesetzgeber im Bund erlassen. Die Folge: Die beklagten Behörden mussten aufgehaltene Genehmigungsverfahren unverzüglich weiterführen und entscheiden.
Weil CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz aus dem Sauerland stammt, also aus Nordrhein-Westfalen, und dort seinen Wahlkreis für die anstehende Bundestagswahl hat, schwang er sich zum Mitkämpfer gegen den vermeintlichen „Wildwuchs“ von Windenergieanlagen auf. Das Schlagwort von der „Lex Sauerland“ machte die Runde, als Merz zu erkennen gab, die rechtlichen Probleme von Schwarz-Grün in NRW durch ein Bundesgesetz noch vor der Wahl aus der Welt schaffen zu wollen (wir berichteten). So kam es Ende Januar.
Neuerdings wehren sich immer mehr Kommunen gegen Turbinen
Das Bundesimmissionsschutzgesetz ist inzwischen verabschiedet, nach Angaben von OVG-Richter Johann Lier allerdings noch nicht in Kraft. Das ist aber nur eine Formalie. Spannend wird es, weil der 22. Senat unter Vorsitz von Hans-Joachim Hüwelmeier in den fünf vorliegenden Untätigkeitsklagen nun das neue Recht einem Qualitätstest unterziehen muss.
Das erfolgt auf indirektem Wege, weil die Rechtmäßigkeit von Gesetzen selbst ausschließlich ein Fall für das Bundesverfassungsgericht sind. Bei drei Verfahren in Lichtenau (Ostwestfalen) und jeweils einem in Eslohe (Sauerland) und Netphen (Siegerland) wird sich nun zeigen, ob Klagende überhaupt noch Aussichten haben, ausgesetzte Genehmigungsverfahren wieder in Gang zu bekommen.
Die Klage in Eslohe, wo es um zwei Turbinen geht, scheiterte bereits im Eilverfahren. Zu jenem Zeitpunkt griff das OVG nach Auskunft von Johann Lier der unmittelbar bevorstehenden Gesetzesänderung vor und bezog sie in sein Eilurteil ein. Ob das in diesem und den anderen vier Hauptverfahren auch so sein wird, muss sich zeigen.
Während der Jahrespressekonferenz des OVG Münster sagte Johann Lier, dass die drei mit Windkraftthemen befassten Senate (7, 8 und 22) beständig mehr Fälle zu behandeln hätten. Nicht nur im vergangenen Jahr gegenüber 2023. Auch seien erstinstanzlich seit Jahresbeginn 2025 etwa 30 Klagen mehr eingegangen als im Januar und Februar 2024.
Der Trend bei den Klagen: Betreiber von Anlagen wendeten sich immer häufiger gegen Nebenbestimmungen in Genehmigungen, etwa zu Abschaltzeiten. Nach wie vor klagten viele Projektierer auf Erteilen einer Genehmigung. Weniger aktiv seien Naturschutzverbände. Dagegen hätten immer mehr Kommunen etwas gegen Anlagen auf ihrem Gebiet einzuwenden. Hier sehen Städte wohl einen Hebel, Gestaltungsspielraum zurückzugewinnen – indem sie die Landkreise zur Rücknahme von Genehmigungen und Vorbescheiden verklagen.
In der Domstadt gibt es seit Dezember 2020 einen Senat, der die Nummer 22 trägt und der seine Existenz den wachsenden Windkraftstreitigkeiten verdankt. Johann Lier ist einer der Berufsrichter des Senats. Er erklärte auf Anfrage dieser Redaktion, dass inzwischen fünf Klagen gegen Genehmigungsbehörden am OVG vorliegen. Ihnen gemein ist der Vorwurf, dass die zuständigen Ämter trotz genehmigungsreifer Anträge einfach untätig blieben.
Doch genau diese Untätigkeit hat die NRW-Landesregierung mit einer Änderung des Landesplanungsgesetzes im Januar bezweckt. Der keine vier Wochen alte Paragraf war eine Reaktion auf einen gescheiterten ersten Versuch aus 2024, Behörden in Windkraftfragen ein Spiel auf Zeit zu ermöglichen. Schwarz-Grün argumentierte immer, den Windkraftausbau vorantreiben zu wollen – allerdings nur in dem Rahmen, den die in Aufstellung befindlichen Regionalpläne für künftige Turbinen vorgeben.
NRW-Problem findet Gehör in der Bundespolitik
Im Düsseldorfer Landtag legte Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) eine Statistik vor, die beweisen sollte, dass ein gesteuerter Windkraftausbau ohne Gesetzesänderung nicht möglich sei. Mehr als 1.400 Anträge, teils im beschleunigten Vorbescheidverfahren, auf Turbinen außerhalb der gewünschten Flächen hätten sich angesammelt. Im Übergangszeitraum und ohne festgelegte Vorrangzonen hätten die meisten von ihnen eine gute Chance auf Genehmigung. Das aber torpediere den mühsamen Abwägungsprozess beim Aufstellen der Regionalpläne.
Mit den Regionalplänen ist NRW im Prinzip sehr schnell. Schon Mitte 2025 – und damit sieben Jahre früher als von der ehemaligen Ampel-Koalition vorgegeben – soll klar sein, mit welchen Flächen das Bundesland sein Ziel erreichen will. 1,8 Prozent der Landesfläche sind nach Wind-an-Land-Gesetz der Bundesregierung für die Ökoenergie-Variante zur Verfügung zu stellen. Andere Bundesländer lassen sich mehr Zeit und nehmen die Genehmigungspraxis mit Interesse zur Kenntnis.
Gegen die NRW-Regelung aus dem vergangenen Jahr hatte das OVG in Münster große Bedenken geäußert. Der Passus, Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen außerhalb vorgesehener Flächen aussetzen zu dürfen, fiel vor dem 22. Senat mehrfach durch. Eine Begründung: Hier breche Landesrecht Bundesrecht. Bestimmte Regeln könne nur der Gesetzgeber im Bund erlassen. Die Folge: Die beklagten Behörden mussten aufgehaltene Genehmigungsverfahren unverzüglich weiterführen und entscheiden.
Weil CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz aus dem Sauerland stammt, also aus Nordrhein-Westfalen, und dort seinen Wahlkreis für die anstehende Bundestagswahl hat, schwang er sich zum Mitkämpfer gegen den vermeintlichen „Wildwuchs“ von Windenergieanlagen auf. Das Schlagwort von der „Lex Sauerland“ machte die Runde, als Merz zu erkennen gab, die rechtlichen Probleme von Schwarz-Grün in NRW durch ein Bundesgesetz noch vor der Wahl aus der Welt schaffen zu wollen (wir berichteten). So kam es Ende Januar.
Neuerdings wehren sich immer mehr Kommunen gegen Turbinen
Das Bundesimmissionsschutzgesetz ist inzwischen verabschiedet, nach Angaben von OVG-Richter Johann Lier allerdings noch nicht in Kraft. Das ist aber nur eine Formalie. Spannend wird es, weil der 22. Senat unter Vorsitz von Hans-Joachim Hüwelmeier in den fünf vorliegenden Untätigkeitsklagen nun das neue Recht einem Qualitätstest unterziehen muss.
Das erfolgt auf indirektem Wege, weil die Rechtmäßigkeit von Gesetzen selbst ausschließlich ein Fall für das Bundesverfassungsgericht sind. Bei drei Verfahren in Lichtenau (Ostwestfalen) und jeweils einem in Eslohe (Sauerland) und Netphen (Siegerland) wird sich nun zeigen, ob Klagende überhaupt noch Aussichten haben, ausgesetzte Genehmigungsverfahren wieder in Gang zu bekommen.
Die Klage in Eslohe, wo es um zwei Turbinen geht, scheiterte bereits im Eilverfahren. Zu jenem Zeitpunkt griff das OVG nach Auskunft von Johann Lier der unmittelbar bevorstehenden Gesetzesänderung vor und bezog sie in sein Eilurteil ein. Ob das in diesem und den anderen vier Hauptverfahren auch so sein wird, muss sich zeigen.
Während der Jahrespressekonferenz des OVG Münster sagte Johann Lier, dass die drei mit Windkraftthemen befassten Senate (7, 8 und 22) beständig mehr Fälle zu behandeln hätten. Nicht nur im vergangenen Jahr gegenüber 2023. Auch seien erstinstanzlich seit Jahresbeginn 2025 etwa 30 Klagen mehr eingegangen als im Januar und Februar 2024.
Der Trend bei den Klagen: Betreiber von Anlagen wendeten sich immer häufiger gegen Nebenbestimmungen in Genehmigungen, etwa zu Abschaltzeiten. Nach wie vor klagten viele Projektierer auf Erteilen einer Genehmigung. Weniger aktiv seien Naturschutzverbände. Dagegen hätten immer mehr Kommunen etwas gegen Anlagen auf ihrem Gebiet einzuwenden. Hier sehen Städte wohl einen Hebel, Gestaltungsspielraum zurückzugewinnen – indem sie die Landkreise zur Rücknahme von Genehmigungen und Vorbescheiden verklagen.
Volker Stephan
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Freitag, 21.02.2025, 17:22 Uhr
Freitag, 21.02.2025, 17:22 Uhr
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