• Zugeschaut und mitgebaut
  • Urlaubszeit dämpft Märkte
  • Größter Ostsee-Windpark verzögert sich um zwei Jahre
  • Northvolt-Förderung nun Fall für das Verfassungsgericht
  • Stadt Gütersloh wieder Alleingesellschafterin der Stadtwerke
  • Neuer H2-Träger auch ohne Druck stabil
  • Flensburger Versorger setzt auf Wachstum durch Neukunden
  • Vattenfall verbucht weniger Gewinn
  • Lieferengpässe als Bremser der Energiewende
  • Expertenforum übergibt Vorschläge für Klimaschutz im Verkehr
Enerige & Management > F&E - Flexible Steuerung soll Ammoniakkosten senken
Quelle: Fotolia / alphaspirit
F&E:
Flexible Steuerung soll Ammoniakkosten senken
Ein Forscherteam aus Jülich und München hat mit Linde Engineering ein Reaktorkonzept simuliert, das die grüne Ammoniakproduktion trotz Ökostrom-Schwankungen effizienter machen soll.
 
Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Nordrhein-Westfalen und Bayern hat zusammen mit einem Industriepartner ein neues Konzept zur Herstellung von grünem Ammoniak entwickelt. Die zugrunde liegende Studie erschien am 2. Juni 2025 im Fachmagazin International Journal of Hydrogen Energy unter dem Titel „Dynamic simulation of pressure regulation in green ammonia synthesis loops“.

Verfasst wurde sie von Forschenden des Forschungszentrums Jülich (Nordrhein-Westfalen), der Technischen Universität München (Bayern) sowie Fachleuten der Münchener Linde Engineering.

In einer Simulation zeigten die Partner, wie ein Ammoniakreaktor konstruiert und gesteuert werden müsste, um auch bei stark schwankendem Stromangebot aus erneuerbaren Energiequellen zuverlässig zu arbeiten. Sie verweisen auf Zahlen der britischen Royal Society, der nationalen Akademie der Wissenschaften des Vereinigten Königreichs. Laut dieser verursache die Herstellung von Ammoniak jährlich rund 500 Millionen Tonnen CO2, was in etwa dem gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands pro Jahr gleichkomme.

Herkömmlicher Ammoniak versus grüner Ammoniak

Ein Hauptgrund für diese Emissionen ist die klassische Wasserstoffproduktion aus fossilem Erdgas, die dem Haber-Bosch-Verfahren vorgeschaltet ist. Dabei reagieren Wasserstoff und Stickstoff unter hohem Druck von etwa 150 bis 300 bar und bei Temperaturen zwischen 400 und 500 Grad Celsius mithilfe eines Eisenkatalysators zu Ammoniak (NH3). Der benötigte Stickstoff (N2) wird in der Regel durch Luftzerlegung gewonnen. Der Wasserstoff (H2) stammt bislang überwiegend aus der Dampfreformierung von Erdgas (CH4). Dieser fossile Ursprung führt zu hohen CO2-Emissionen, die das Verfahren zu einem der klimaschädlichsten in der chemischen Industrie machen.

Grüner Ammoniak hingegen basiert auf Wasserstoff, der über die Elektrolyse von Wasser und unter Einsatz von Ökostrom gewonnen wird. Die schwankende Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom erschwert jedoch eine gleichmäßige Wasserstoffversorgung. Herkömmliche Reaktoren sind auf einen Dauerbetrieb ausgelegt. Schnelle Lastwechsel würden, so heißt es weiter, zu Druckschwankungen führen, die die Anlagenbauteile stark beanspruchen.

Laut den Forschungspartnern lassen sich diese Schwankungen mit einer intelligenten Druckregelung in einem sogenannten „Ammoniak-Loop“ abfedern. In diesem Teil der Anlage werden nicht umgesetzte Reaktionsgase wie Wasserstoff und Stickstoff zurück in den Kreislauf geführt. Durch eine gezielte Steuerung dieses Rückführsystems lassen sich laut den Simulationen schnelle Lastwechsel mit stabilen Druckverhältnissen kombinieren.

Die Simulation zeige, so die Forscher, dass sich die Produktionsmenge innerhalb einer Minute um drei Prozent erhöhen oder verringern lässt. Solch schnelle Lastwechsel seien mit heutigen erdgasbasierten Anlagen technisch kaum möglich, da diese für den gleichmäßigen Dauerbetrieb ausgelegt sind.

Mithilfe des Ammoniak-Loop wären geringere Puffer und niedrigere Wandstärken bei Reaktorbauteilen möglich. Beides könnte die Investitionskosten in der Ammoniakproduktion senken – ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Machbarkeit der grünen Ammoniaksynthese.

„Damit grüner Ammoniak einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann, müssen die Kosten konkurrenzfähig sein“, betont Andreas Peschel, Direktor am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft des Forschungszentrums Jülich und Mitautor der Studie.

Bereits in einer früheren Arbeit hatte das Forschungsteam ein Reaktordesign vorgestellt, das prinzipiell für flexible Fahrweise geeignet ist. Die jetzt veröffentlichte Steuerungsidee soll diesen Ansatz ergänzen. In einem nächsten Schritt wollen die Forschungspartner mit Versuchsanlagen am Forschungszentrum Jülich zeigen, wie sich die simulierten Eigenschaften unter realitätsnahen Bedingungen umsetzen lassen.

Der zwölfseitige Artikel „Dynamic simulation of a highly load-flexible Haber–Bosch plant“  der Studienautoren ist über die Internetseite des International Journal of Hydrogen Energy abrufbar.
 

Davina Spohn
Redakteurin
+49 (0) 8152 9311 18
eMail
facebook
© 2025 Energie & Management GmbH
Dienstag, 03.06.2025, 15:52 Uhr

Mehr zum Thema