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Quelle: Pixabay / Steve Cliff
E&M VOR 20 JAHREN:
Ein reizendes Modell
Auch vor 20 Jahren traf sich die Energiewirtschaft am Anfang des Jahres in Berlin, um mit der Politik auf Tuchfühlung zu gehen. Es ging vor allem um Regulierung.
Im Sommer 2005 nahm der Regulierer für den Energiemarkt in Deutschland seine Arbeit auf. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation
und Post wurde folglich in Bundesnetzagentur umbenannt. Nach eigenen Angaben sind bei der Behörde aktuell insgesamt rund 3.000
Menschen in Bonn, in Mainz und an 44 weiteren Standorten beschäftigt.
Lange hatte sich die Energiewirtschaft gegen den Regulierer gesträubt. Sie war zuvor allerdings mit dem Versuch, den Wettbewerb und den Netzzugang auf den Energiemärkten mit sogenannten Verbändevereinbarungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern selbst zu organisieren, gescheitert.
Beim Gipfeltreffen der Energiewirtschaft im Januar 2005 in Berlin war deshalb auch die künftige Rolle des Regulierers ein heißes Thema. Der damalige E&M-Chefredakteur Helmut Sendner kommentierte damals die Veranstaltung.
„Das ist ja der Gipfel“, pflegt der Volksmund zu sagen, wenn er ausdrücken will, dass etwas unerhört, eine Frechheit sozusagen sei. Die Euroforum/Handelsblatt-Konferenz „Energiewirtschaft 2005“ vom 18. bis 20. Januar in Berlin war so etwas wie ein Gipfeltreffen der Energiebranche, und wie mancher Teilnehmer empfand, war sie der „Gipfel“.
„Ich ertrage die Larmoyanz der Sprecher nicht mehr“, sagte ein Vertreter der Weltbank in einem Diskussionsbeitrag am Nachmittag des zweiten Konferenztages, und bedankte sich bei Utz Claassen, dem EnBW-Chef für sein Referat. „Nein“, sagte der umstrittene EnBW-Lenker, Angst müsse man vor dem Wettbewerb nicht haben, und erklärte positiv professoral, wie der Wettbewerb aufzunehmen sei, und warb für sein Modell der Anreizregulierung. Ehe der gefürchtete Regulator Matthias Kurth die Branche fremdbestimme, müsse sie selbst aktiv die Regeln vorgeben. Das war am Mittwoch.
Branche will selbst die Regeln setzen
Am Freitag saß Claassen dann gemeinsam mit Berthold Bonekamp (Vorstand RWE), Johannes Teyssen (Vorstand Eon) und Klaus Rauscher (Vorstandsvorsitzender Vattenfall Europe) beim Gipfeltreffen mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, um dem zu erklären, was im seit Monaten umstrittenen Energiewirtschaftsgesetz stehen dürfe und was nicht. Wenn die Netznutzungsentgelte nicht ausreichend hoch sind, so die Drohung der EVU-Chefs, dann werde nicht mehr in die Netze investiert.
Die großen Versorger haben in den vergangenen Wochen kräftig zugelangt und ihre Netznutzungsentgelte deutlich erhöht, und die Branche insgesamt gibt an, dass im Jahr 2003 die Investitionen in Kraftwerke und Netze wieder gestiegen seien. 3,8 Milliarden Euro haben die Versorger investiert, 40 Prozent davon entfielen auf den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze. Was also soll die Drohung? Gewiss, Deutschland hat mit einer Stromausfalldauer von durchschnittlich 15 Minuten pro Jahr die sicherste Versorgung der EU-Länder. Aber die Ausfälle in den anderen Ländern haben zumindest auf das Wirtschaftswachstum keinen Einfluss, denn das Bruttosozialprodukt steigt bei unseren Nachbarn mehr als bei uns. Claassen bei der Konferenz: „Sinkende Netznutzungsentgelte bedeuten nicht gleichzeitig weniger Versorgungssicherheit, das ist nirgendwo empirisch belegt.“
Um die Netzkosten und die Versorgungssicherheit geht es auch bei einer Dena-Studie. Dena-Chef Stephan Kohler reiste mit seinem Aufsichtsrat Wolfgang Clement zur Konferenz, um ihm in letzter Minute zuzuflüstern, wie der Minister öffentlich zur Schadensbegrenzung beitragen kann. Clement bei der Konferenz: „Ein zuverlässiges Netz und damit der Erhalt eines hohen Niveaus an Versorgungssicherheit bei Strom und Gas sind auch wichtige Anliegen unserer EnWG-Novelle. Und ich bin überzeugt, dass das geht – natürlich nicht zum Nulltarif. Für den Netzbetreiber müssen sich Investitionen in den Unterhalt und den Ausbau der Netze auch in Zukunft rechnen.“
Da klagt eine Branche (mit Recht), dass ihr Rechtssicherheit fehlt, verweist darauf (mit Recht), dass die Staatsquote an den Energiekosten enorm gestiegen ist und ihr Unrecht geschehe, wenn von Abzockerei die Rede ist. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass es die Energiebranche längst nicht mehr gibt, auch wenn die Referenten in Berlin von ihr sprachen. Wen vertritt Harry Roels noch, außer sein eigenes Unternehmen, RWE, wenn er davon spricht, dass das Kartellrecht im liberalisierten Markt überdacht werden müsse, dass sowohl horizontale als auch vertikale Verbindungen weniger restriktiv zu behandeln seien. Nachtigall, ich ….
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, der den Versorgern wegen ihrer Preiserhöhungen aktuell in die Bücher schauen will, muss genau das bekämpfen, will er nicht seine Selbstachtung verlieren mit seiner ärmlichen Energie-Eingreiftruppe: Dreizehn gegen mehr als 1 000 Unternehmen.
180 Mitarbeiter sollen regulieren
Da hat es Matthias Kurth schon heute leichter. Er hat sein Mitarbeiter-Kontingent schleichend erhöht hat: Sechzig sollten es mal sein in der „schlanken Behörde“, die nun kontinuierlich auf Fett setzt – von achtzig war die Rede, von 120, und jetzt hat Kurth angekündigt, dass 180 Kollegen in der REGTP die Kontrolle über das Monopol der Netze übernehmen werden. Sie mögen ihr Geld hoffentlich im Sinne der Energieverbraucher verdienen, denen sie ja dienen sollen.
Thyssen-Krupp ist zum Beispiel ein solcher Verbraucher. Der mit Abstand größte deutsche Stahlproduzent, so klagte Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Berlin, habe genauso unter hohen Energiepreisen zu leiden wie seine Branche insgesamt. „Existenzbedrohend“ sei die Lage, so der Interessensvertreter. Dennoch stellte Thyssen-Krupp-Chef Schulz bei der Hauptversammlung ein im Vergleich zum vorangegangenen Jahr besseres Ergebnis in Aussicht. Jetzt steht sogar fest: Das Ergebnis wurde mehr als verdoppelt.
„Regulierung ist die Kunst der Überwindung von Widersprüchen. Regulierung muss integer sein, und somit ist sie gut“, sagte EnBW-Chef Utz Claassen. Und sein Pendant bei RWE, Harry Roels, warnte vor einer Regulierung, „die einseitig auf kurzfristige Effizienzgewinne durch reinen Preiswettbewerb ausgerichtet ist“. Dagegen erklärte Wirtschaftsminister Clement, „die Saumseligen, die schlicht zu träge sind, runter vom Sofa und rein in den Trainingsanzug zu kommen“, zur Zielgruppe von Kurth und seinen Beamten. Oder für die, die es herber mögen: „Bei den Langsamen soll künftig die Daumenschraube angesetzt werden. Es muss attraktiver für die Netzbetreiber werden, sich anzustrengen. Sonst bleiben wir mit unserer staatlichen Kontrolle immer nur zweiter Sieger. Anreizregulierung ist also eigentlich ein moderner Trimm-Dich-Pfad.“
Lange hatte sich die Energiewirtschaft gegen den Regulierer gesträubt. Sie war zuvor allerdings mit dem Versuch, den Wettbewerb und den Netzzugang auf den Energiemärkten mit sogenannten Verbändevereinbarungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern selbst zu organisieren, gescheitert.
Beim Gipfeltreffen der Energiewirtschaft im Januar 2005 in Berlin war deshalb auch die künftige Rolle des Regulierers ein heißes Thema. Der damalige E&M-Chefredakteur Helmut Sendner kommentierte damals die Veranstaltung.
„Das ist ja der Gipfel“, pflegt der Volksmund zu sagen, wenn er ausdrücken will, dass etwas unerhört, eine Frechheit sozusagen sei. Die Euroforum/Handelsblatt-Konferenz „Energiewirtschaft 2005“ vom 18. bis 20. Januar in Berlin war so etwas wie ein Gipfeltreffen der Energiebranche, und wie mancher Teilnehmer empfand, war sie der „Gipfel“.
„Ich ertrage die Larmoyanz der Sprecher nicht mehr“, sagte ein Vertreter der Weltbank in einem Diskussionsbeitrag am Nachmittag des zweiten Konferenztages, und bedankte sich bei Utz Claassen, dem EnBW-Chef für sein Referat. „Nein“, sagte der umstrittene EnBW-Lenker, Angst müsse man vor dem Wettbewerb nicht haben, und erklärte positiv professoral, wie der Wettbewerb aufzunehmen sei, und warb für sein Modell der Anreizregulierung. Ehe der gefürchtete Regulator Matthias Kurth die Branche fremdbestimme, müsse sie selbst aktiv die Regeln vorgeben. Das war am Mittwoch.
Branche will selbst die Regeln setzen
Am Freitag saß Claassen dann gemeinsam mit Berthold Bonekamp (Vorstand RWE), Johannes Teyssen (Vorstand Eon) und Klaus Rauscher (Vorstandsvorsitzender Vattenfall Europe) beim Gipfeltreffen mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, um dem zu erklären, was im seit Monaten umstrittenen Energiewirtschaftsgesetz stehen dürfe und was nicht. Wenn die Netznutzungsentgelte nicht ausreichend hoch sind, so die Drohung der EVU-Chefs, dann werde nicht mehr in die Netze investiert.
Die großen Versorger haben in den vergangenen Wochen kräftig zugelangt und ihre Netznutzungsentgelte deutlich erhöht, und die Branche insgesamt gibt an, dass im Jahr 2003 die Investitionen in Kraftwerke und Netze wieder gestiegen seien. 3,8 Milliarden Euro haben die Versorger investiert, 40 Prozent davon entfielen auf den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze. Was also soll die Drohung? Gewiss, Deutschland hat mit einer Stromausfalldauer von durchschnittlich 15 Minuten pro Jahr die sicherste Versorgung der EU-Länder. Aber die Ausfälle in den anderen Ländern haben zumindest auf das Wirtschaftswachstum keinen Einfluss, denn das Bruttosozialprodukt steigt bei unseren Nachbarn mehr als bei uns. Claassen bei der Konferenz: „Sinkende Netznutzungsentgelte bedeuten nicht gleichzeitig weniger Versorgungssicherheit, das ist nirgendwo empirisch belegt.“
Um die Netzkosten und die Versorgungssicherheit geht es auch bei einer Dena-Studie. Dena-Chef Stephan Kohler reiste mit seinem Aufsichtsrat Wolfgang Clement zur Konferenz, um ihm in letzter Minute zuzuflüstern, wie der Minister öffentlich zur Schadensbegrenzung beitragen kann. Clement bei der Konferenz: „Ein zuverlässiges Netz und damit der Erhalt eines hohen Niveaus an Versorgungssicherheit bei Strom und Gas sind auch wichtige Anliegen unserer EnWG-Novelle. Und ich bin überzeugt, dass das geht – natürlich nicht zum Nulltarif. Für den Netzbetreiber müssen sich Investitionen in den Unterhalt und den Ausbau der Netze auch in Zukunft rechnen.“
Da klagt eine Branche (mit Recht), dass ihr Rechtssicherheit fehlt, verweist darauf (mit Recht), dass die Staatsquote an den Energiekosten enorm gestiegen ist und ihr Unrecht geschehe, wenn von Abzockerei die Rede ist. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass es die Energiebranche längst nicht mehr gibt, auch wenn die Referenten in Berlin von ihr sprachen. Wen vertritt Harry Roels noch, außer sein eigenes Unternehmen, RWE, wenn er davon spricht, dass das Kartellrecht im liberalisierten Markt überdacht werden müsse, dass sowohl horizontale als auch vertikale Verbindungen weniger restriktiv zu behandeln seien. Nachtigall, ich ….
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, der den Versorgern wegen ihrer Preiserhöhungen aktuell in die Bücher schauen will, muss genau das bekämpfen, will er nicht seine Selbstachtung verlieren mit seiner ärmlichen Energie-Eingreiftruppe: Dreizehn gegen mehr als 1 000 Unternehmen.
180 Mitarbeiter sollen regulieren
Da hat es Matthias Kurth schon heute leichter. Er hat sein Mitarbeiter-Kontingent schleichend erhöht hat: Sechzig sollten es mal sein in der „schlanken Behörde“, die nun kontinuierlich auf Fett setzt – von achtzig war die Rede, von 120, und jetzt hat Kurth angekündigt, dass 180 Kollegen in der REGTP die Kontrolle über das Monopol der Netze übernehmen werden. Sie mögen ihr Geld hoffentlich im Sinne der Energieverbraucher verdienen, denen sie ja dienen sollen.
Thyssen-Krupp ist zum Beispiel ein solcher Verbraucher. Der mit Abstand größte deutsche Stahlproduzent, so klagte Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Berlin, habe genauso unter hohen Energiepreisen zu leiden wie seine Branche insgesamt. „Existenzbedrohend“ sei die Lage, so der Interessensvertreter. Dennoch stellte Thyssen-Krupp-Chef Schulz bei der Hauptversammlung ein im Vergleich zum vorangegangenen Jahr besseres Ergebnis in Aussicht. Jetzt steht sogar fest: Das Ergebnis wurde mehr als verdoppelt.
„Regulierung ist die Kunst der Überwindung von Widersprüchen. Regulierung muss integer sein, und somit ist sie gut“, sagte EnBW-Chef Utz Claassen. Und sein Pendant bei RWE, Harry Roels, warnte vor einer Regulierung, „die einseitig auf kurzfristige Effizienzgewinne durch reinen Preiswettbewerb ausgerichtet ist“. Dagegen erklärte Wirtschaftsminister Clement, „die Saumseligen, die schlicht zu träge sind, runter vom Sofa und rein in den Trainingsanzug zu kommen“, zur Zielgruppe von Kurth und seinen Beamten. Oder für die, die es herber mögen: „Bei den Langsamen soll künftig die Daumenschraube angesetzt werden. Es muss attraktiver für die Netzbetreiber werden, sich anzustrengen. Sonst bleiben wir mit unserer staatlichen Kontrolle immer nur zweiter Sieger. Anreizregulierung ist also eigentlich ein moderner Trimm-Dich-Pfad.“
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Freitag, 17.01.2025, 05:17 Uhr
Freitag, 17.01.2025, 05:17 Uhr
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