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Quelle: E&M
GASTBEITRAG:
Dreh- und Angelpunkt der Wärmewende ist vor Ort
Wie sich mit einer gezielter Einbindung aller Betroffenen vor Ort Fortschritte in Sachen Wärmewende erzielen lassen, weiß *Michael Geißler von der Berliner Energieagentur.
Die kommunale Wärmeplanung ist eine Mammutaufgabe, bis Juni 2028 sollen alle rund 11.000 Kommunen Deutschlands eine Wärmeplanung
erstellt haben – Großstädte bereits bis Mitte 2026. Landläufig wird auf den individuellen Einsatz von Wärmepumpen gesetzt. Man sollte sich aber bewusst machen, was das in der
Praxis bedeutet. Denn geht man davon aus, dass bis 2035 in 38 Prozent des Wohnungsbestandes moderne Luft-Wasser-Wärmepumpen
mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitszahl von 3,2 eingesetzt werden (Szenario des Ariadne-Projekts 2021), dann ist hierfür
ein zusätzlicher Strombedarf von rund 66 TWh nötig.
Für jede Wohnung ist dabei von einem Mehrbedarf von im Schnitt 4.300 kWh/a auszugehen. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch der privaten Haushalte von 3.200 kWh/a würde sich also der Strombedarf in den Verteilnetzen mehr als verdoppeln (Borderstep Institut 2023). Eine entsprechende Auslegung der Verteilnetze ist aufwendig und kostenintensiv. Hinzu kommt die Frage, wo all der erneuerbare Strom herkommen soll.
Daher ist das Quartier für eine sinnvolle Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt. Mithilfe von gemeinschaftlichen lokalen Wärmenetzen (statt vieler Individuallösungen mit Wärmepumpen) kann der quartiersbedingte Stromverbrauch stark verringert, private Investitionen angestoßen und so verhindert werden, dass zu hohe Lastbedarfe in Netzen abgebildet und unnötig hohe Infrastrukturkosten verursacht werden.
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Doch das geht nicht von alleine, hierfür müssen alle vor Ort zusammenarbeiten: Kommune, Planende, Beratende, Energieversorger, Immobilienbesitzende und Netzbetreiber. Damit das gut funktioniert, braucht es die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen und die Bereitstellung grundlegender Informations- und Mustermaterialien (wie über das Kompetenzzentrum für kommunale Wärmewende) sowie Schulungen und Qualifizierungsprogramme. Vor allem aber stabile Möglichkeiten, mit allen Akteuren vor Ort in einem moderierten Austausch die beste Wärmeversorgung für das Quartier zu ermitteln und umzusetzen.
1 Euro kann bis zu 630 Euro an Investitionen initiieren
Durch die Haushaltskürzungen haben sich die Rahmenbedingungen hierfür wesentlich verschlechtert. So ermöglichte beispielsweise das weggefallene KfW-Programm 432 zur energetischen Stadtsanierung, die verschiedenen Eigentümer zu bündeln und Quartierskonzepte zu erarbeiten, die sich in die Stadtentwicklungsplanung der Kommune einfügen und so die Kommunen entlasten. Und das mit einer enormen Hebelwirkung, die mit 1 Euro Bundesmittel bis zu 630 Euro energetischer Investitionen im Quartier initiieren konnte.
So wurde, um nur ein Beispiel aus den über 2.000 bewilligten Förderanträgen zu nennen, in Berlin-Zehlendorf ein Quartier mit neun Siedlungen, fünf Schulen, Kirche, Sportfeld, Krankenhaus, Friedhof und Ladenstraße und einem Anteil von rund 50 Prozent denkmalgeschützten Gebäuden für eine energetische Sanierung gewonnen.
Dort hatte eine Bewohnerinitiative ab 2021 mit Unterstützung der Berliner Energieagentur eine Potenzialanalyse zur Wärmeversorgung erstellt und die Option eines kalten Nahwärmenetzes mit den Bewohnern diskutiert und vorbereitet. Die unmittelbare Folge war neben einer sofortigen Steigerung der Sanierungsrate im Quartier, dass in den Folgejahren über 80 Dächer mit Photovoltaik ausgestattet wurden. Mittlerweile hat die Initiative eine Genossenschaft gegründet und ist in die konkrete Wärmenetzplanung eingestiegen (https://kliq-berlin.de/ ).
Das Beispiel zeigt, dass mit gezielter Einbindung Aller vor Ort auch denkmalgeschützte Quartiere für die erneuerbare Wärmewende gewonnen, privates Investment angereizt, Investitionsgrundlagen für Energieversorger geschaffen sowie energie- und kosteneffiziente Lösungen gefunden werden können. Vor dem Hintergrund weiterhin klammer Haushaltskassen brauchen wir genau das. Wir müssen die Menschen vor Ort aktiv ins Handeln bringen – und das ist schon seit vielen Jahrzehnten das Kerngeschäft der Energie- und Klimaschutzagenturen. Die zukünftige Bundesregierung sollte hierfür die besten Rahmenbedingungen nachhaltig sicherstellen.
*Michael Geißler ist seit mehr als 30 Jahren Leiter der Berliner Energieagentur GmbH (BEA). Darüber hinaus ist er seit 2001 Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands.
Für jede Wohnung ist dabei von einem Mehrbedarf von im Schnitt 4.300 kWh/a auszugehen. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch der privaten Haushalte von 3.200 kWh/a würde sich also der Strombedarf in den Verteilnetzen mehr als verdoppeln (Borderstep Institut 2023). Eine entsprechende Auslegung der Verteilnetze ist aufwendig und kostenintensiv. Hinzu kommt die Frage, wo all der erneuerbare Strom herkommen soll.
Daher ist das Quartier für eine sinnvolle Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt. Mithilfe von gemeinschaftlichen lokalen Wärmenetzen (statt vieler Individuallösungen mit Wärmepumpen) kann der quartiersbedingte Stromverbrauch stark verringert, private Investitionen angestoßen und so verhindert werden, dass zu hohe Lastbedarfe in Netzen abgebildet und unnötig hohe Infrastrukturkosten verursacht werden.
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Michael Geißler
Quelle: BEA
Quelle: BEA
Doch das geht nicht von alleine, hierfür müssen alle vor Ort zusammenarbeiten: Kommune, Planende, Beratende, Energieversorger, Immobilienbesitzende und Netzbetreiber. Damit das gut funktioniert, braucht es die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen und die Bereitstellung grundlegender Informations- und Mustermaterialien (wie über das Kompetenzzentrum für kommunale Wärmewende) sowie Schulungen und Qualifizierungsprogramme. Vor allem aber stabile Möglichkeiten, mit allen Akteuren vor Ort in einem moderierten Austausch die beste Wärmeversorgung für das Quartier zu ermitteln und umzusetzen.
1 Euro kann bis zu 630 Euro an Investitionen initiieren
Durch die Haushaltskürzungen haben sich die Rahmenbedingungen hierfür wesentlich verschlechtert. So ermöglichte beispielsweise das weggefallene KfW-Programm 432 zur energetischen Stadtsanierung, die verschiedenen Eigentümer zu bündeln und Quartierskonzepte zu erarbeiten, die sich in die Stadtentwicklungsplanung der Kommune einfügen und so die Kommunen entlasten. Und das mit einer enormen Hebelwirkung, die mit 1 Euro Bundesmittel bis zu 630 Euro energetischer Investitionen im Quartier initiieren konnte.
So wurde, um nur ein Beispiel aus den über 2.000 bewilligten Förderanträgen zu nennen, in Berlin-Zehlendorf ein Quartier mit neun Siedlungen, fünf Schulen, Kirche, Sportfeld, Krankenhaus, Friedhof und Ladenstraße und einem Anteil von rund 50 Prozent denkmalgeschützten Gebäuden für eine energetische Sanierung gewonnen.
Dort hatte eine Bewohnerinitiative ab 2021 mit Unterstützung der Berliner Energieagentur eine Potenzialanalyse zur Wärmeversorgung erstellt und die Option eines kalten Nahwärmenetzes mit den Bewohnern diskutiert und vorbereitet. Die unmittelbare Folge war neben einer sofortigen Steigerung der Sanierungsrate im Quartier, dass in den Folgejahren über 80 Dächer mit Photovoltaik ausgestattet wurden. Mittlerweile hat die Initiative eine Genossenschaft gegründet und ist in die konkrete Wärmenetzplanung eingestiegen (https://kliq-berlin.de/ ).
Das Beispiel zeigt, dass mit gezielter Einbindung Aller vor Ort auch denkmalgeschützte Quartiere für die erneuerbare Wärmewende gewonnen, privates Investment angereizt, Investitionsgrundlagen für Energieversorger geschaffen sowie energie- und kosteneffiziente Lösungen gefunden werden können. Vor dem Hintergrund weiterhin klammer Haushaltskassen brauchen wir genau das. Wir müssen die Menschen vor Ort aktiv ins Handeln bringen – und das ist schon seit vielen Jahrzehnten das Kerngeschäft der Energie- und Klimaschutzagenturen. Die zukünftige Bundesregierung sollte hierfür die besten Rahmenbedingungen nachhaltig sicherstellen.
*Michael Geißler ist seit mehr als 30 Jahren Leiter der Berliner Energieagentur GmbH (BEA). Darüber hinaus ist er seit 2001 Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands.
Redaktion
© 2025 Energie & Management GmbH
Mittwoch, 15.01.2025, 08:16 Uhr
Mittwoch, 15.01.2025, 08:16 Uhr
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