
Matthias Kurth (2004). Quelle: E&M
E&M VOR 20 JAHREN:
Außer Kurth noch niemand da
Am 1. Juli 2004 hätte die Regulierungsbehörde für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post (RegTP) ihre Arbeit aufnehmen sollen. Zunächst wurde nichts daraus.
Vor 20 Jahren konnte der neue Regulierer für die Energiewirtschaft seine Arbeit nicht planmäßig aufnehmen, weil das zu novellierende
Energiewirtschaftsgesetz und zahlreiche Verordnungen noch fehlten.
Deshalb sprach der damalige E&M-Chefredakteur Helmut Sendner mit Matthias Kurth, dem „Regulierer in Wartestellung“. Hier das etwas gekürzte Gespräch.
E&M: Herr Kurth, erinnern Sie sich noch an die Fernsehsendung „Das heitere Beruferaten“?
Kurth: Ja, mit Robert Lemke.
E&M: Da ging es ja darum, eine typische Handbewegung für seinen Beruf zu machen, den das Rateteam dann herausfinden sollte. Machen Sie doch bitte eine Handbewegung für die Regulierung des Energiemarktes.
Kurth (lacht): Die typische Handbewegung ist, etwas zu unterschreiben, das eine Regulierungsverfügung beinhaltet. Unsere Arbeit wird sich im Schriftlichen bewegen, um durch die Macht des Wortes beziehungsweise der Argumente Märkte zu beeinflussen.
E&M: Wäre die Symbolisierung eines Gängelbandes für Ihre Arbeit nicht zutreffender?
Kurth: Gängelband hat einen negativen Touch. Wir wollen Wettbewerb fördern, um durch größere Angebotsvielfalt bessere Dienstleistungen für die Verbraucher zu schaffen. Wir sind keine Gängler, sondern Türöffner für mehr Kreativität und Innovation.
Wir wollen nur in Konfliktfällen tätig sein
E&M: Das Wort „schlanker“ Regulierer ist mittlerweile schon etwas abgegriffen, ist Ihnen „kreativer“ Regulierer lieber?
Kurth: Es geht uns darum, Verkrustungen oder gar Abschottungen aufzulösen, Probleme des Netzzugangs und fairer Netzentgelte zu lösen und gute Marktbedingungen zu gewährleisten. Im günstigen Fall sind wir Moderatoren bei bestehenden Konflikten, im ungünstigsten Fall haben wir über Konflikte zu entscheiden: schnell Klarheit schaffen, schnell Rahmenbedingungen setzen, um Planungssicherheit zu schaffen.
E&M: Wie weit sind Sie mit Ihrer Personalrekrutierung?
Kurth: Wir haben an die 200 Bewerbungen für Führungsstellen bekommen und an die 900 Bewerbungen für den Stab. Einige Stellenbesetzungen haben wir schon durchgeführt, über die ich aber noch nicht sprechen kann. Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass wir in der Strom- und Gaswirtschaft erfahrene Menschen bei uns haben wollen. Das ist uns bisher gelungen.
E&M: Sie wollen auch Mediator sein.
Kurth: Wir wollen auf gütliche Lösungen im Markt setzen und das Rad nicht neu erfinden, wo es belastbare und gut praktizierte Regelungen in den Verbändevereinbarungen gibt. Es wird letzten Endes von den Marktbeteiligten abhängen, wie intensiv die Regulierung sein wird. Wir wollen nur in Konfliktfällen tätig sein, da aber schnelle Lösungen herbeiführen.
E&M: Ein klarer Konfliktfall liegt vor bei der Verzinsung des Eigenkapitals bei Netzinvestitionen und somit der Höhe der Netznutzungsentgelte. Die 4,5 Prozent Eigenkapitalverzinsung plus 1,7 Prozent Wagniszuschlag stehen im Raum: Ist das etwas, womit Sie leben können?
Kurth: Wir haben noch kein Energiewirtschaftsgesetz und keine Netzentgelt-Verordnung. Beide werden Grundlage für unsere Arbeit sein, deshalb kann ich hier noch nichts dazu sagen. Was vorgesehen ist, das ist eine Methodenregulierung, bei der wir letzten Endes die Prinzipien der Kalkulation vorgeben werden, was in der Verbändevereinbarung angedacht und durch den Kalkulationsleitfaden vorstrukturiert ist. Darauf aufbauend wird es eine ex-post Aufsicht geben. Wir würden im Einzelfall prüfen und Vergleichsmarktbetrachtungen in unsere Arbeit einbeziehen. Sie kennen die Diskussionen der Strukturklassen, die wir uns dann genauer anschauen müssen. Entgelte und Kosten müssen einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung entsprechen und so wird man auch zu einer Vergleichsmarktbetrachtung kommen.
Im Gasbereich gibt es größeren Handlungsbedarf als beim Strom
E&M: Auch Regelenergie und Bilanzkreise sind Streitpunkte
Kurth: Die Frage der Regelenergie wird sicherlich in der Verordnung thematisiert werden. Meine These generell ist, alles in Stein zu meißeln, kann letzten Endes innovative Prozesse oder die Dynamik des Marktes behindern. Ich habe Verständnis dafür, dass die Marktbeteiligten Planungssicherheit in Gesetz und Verordnungen wollen. Aber die Wohltat kann zur Plage werden, wenn Dinge festgeschrieben werden, die noch im Fluss sind.
E&M: Was darf denn Bestandteil der Netznutzungsentgelte sein?
Kurth: Klar ist, dass es keine so genannte Quersubventionierung geben kann und darf. Es dürfen nur Kosten enthalten sein, die einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung entsprechen.
E&M: Wie lange wird es dauern, bis man im Gasmarkt von Ihnen etwas spürt?
Kurth: Auch da hängen unsere Befugnisse wiederum von der entsprechenden Verordnungslage ab, so dass ich im Augenblick noch nichts dazu sagen kann. In jedem Fall wollen wir in den Dialog mit der Branche eintreten, um auszuloten, was in welchem Zeitraum machbar ist. Sicherlich gibt es im Gasbereich größeren Handlungsbedarf als beim Strom.
E&M: Wir haben beim Strom in Deutschland ein Oligopol, das … : Könnten Sie den Satz bitte vollenden?
Kurth (lacht): Ich weiß nicht, worauf Sie jetzt hinaus wollen. Ich kann nur so viel sagen, dass wir nicht beim Handel, bei Erzeugung und beim Vertrieb zuständig sind. Unsere wesentliche Aufgabe ist der Netzzugang und die wettbewerbliche Öffnung der Netze.
E&M: Ihre Arbeit wird von dem ausstehenden Energiewirtschaftsgesetz und den dazugehörenden Verordnungen bestimmt: Inwieweit mischen Sie sich in den Gesetzgebungsprozess ein?
Kurth: Wir haben zum Entwurf des Energiewirtschaftsgesetzes eine Stellungnahme an das Ministerium abgegeben. Wir haben darüber hinaus Kräfte aus der Regulierungsbehörde zurzeit abgeordnet, um bei der Verordnungsgebung das Ministerium zu unterstützen und unseren Erfahrungsschatz aus dem Bereich der bisherigen Regulierungsarbeit einzubringen.
E&M: Wo sehen Sie die wesentlichen Knackpunkte?
Kurth: Da kommen wir in eine politische Diskussion, die ich im Moment öffentlich nicht führen möchte.
Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie
E&M: Sie sind viel unterwegs bei den unterschiedlichsten Verbänden und auch Unternehmen: Haben Sie irgendwelche Lager in der Energiewirtschaft entdeckt?
Kurth: Ich nehme zumindest wahr, dass die völlig ablehnende Haltung gegen Regulierung, die ja noch vor einem Jahr bestand, im Schwinden ist. Es geht jetzt nicht mehr um das ‚Ob’, sondern um das ‚Wie’ der Regulierungstätigkeit. Lager haben wir insoweit, dass auf der Abnehmerseite von erheblich überhöhten Nutzungsentgelten gesprochen wird und auf der Anbieterseite von angemessenen Entgelten die Rede ist.
E&M: Das Schlimmste, was man Ihnen wird nachsagen können: Sie sind verantwortlich, dass nicht mehr in Netze investiert wird und somit für Blackouts in Deutschland.
Kurth: Diese Diskussion ist in ihrer Plattheit absurd. Die Aspekte der Versorgungssicherheit und der Qualität der Versorgung werden wichtige Elemente in der Arbeit der Regulierungsbehörde sein.
E&M: Telefonieren hat immer funktioniert, so wird es auch immer Strom geben?
Kurth: So wird es sein. Dabei sage ich ausdrücklich, dass derjenige mit den höchsten Netznutzungsentgelten nicht automatisch die größte Sicherheit bietet. Das ist nur eine starke Behauptung, aber ein schwaches Argument. Ein Großteil unserer Wirtschaft steht im globalen Wettbewerb mit der Herausforderung, Qualität zu erhöhen bei günstigeren Preisen. Die Behauptung, man könne Qualität und Sicherheit nur mit hohen Preisen garantieren, die riecht mir doch sehr nach einem gewissen Monopoldenken.
Deshalb sprach der damalige E&M-Chefredakteur Helmut Sendner mit Matthias Kurth, dem „Regulierer in Wartestellung“. Hier das etwas gekürzte Gespräch.
E&M: Herr Kurth, erinnern Sie sich noch an die Fernsehsendung „Das heitere Beruferaten“?
Kurth: Ja, mit Robert Lemke.
E&M: Da ging es ja darum, eine typische Handbewegung für seinen Beruf zu machen, den das Rateteam dann herausfinden sollte. Machen Sie doch bitte eine Handbewegung für die Regulierung des Energiemarktes.
Kurth (lacht): Die typische Handbewegung ist, etwas zu unterschreiben, das eine Regulierungsverfügung beinhaltet. Unsere Arbeit wird sich im Schriftlichen bewegen, um durch die Macht des Wortes beziehungsweise der Argumente Märkte zu beeinflussen.
E&M: Wäre die Symbolisierung eines Gängelbandes für Ihre Arbeit nicht zutreffender?
Kurth: Gängelband hat einen negativen Touch. Wir wollen Wettbewerb fördern, um durch größere Angebotsvielfalt bessere Dienstleistungen für die Verbraucher zu schaffen. Wir sind keine Gängler, sondern Türöffner für mehr Kreativität und Innovation.
Wir wollen nur in Konfliktfällen tätig sein
E&M: Das Wort „schlanker“ Regulierer ist mittlerweile schon etwas abgegriffen, ist Ihnen „kreativer“ Regulierer lieber?
Kurth: Es geht uns darum, Verkrustungen oder gar Abschottungen aufzulösen, Probleme des Netzzugangs und fairer Netzentgelte zu lösen und gute Marktbedingungen zu gewährleisten. Im günstigen Fall sind wir Moderatoren bei bestehenden Konflikten, im ungünstigsten Fall haben wir über Konflikte zu entscheiden: schnell Klarheit schaffen, schnell Rahmenbedingungen setzen, um Planungssicherheit zu schaffen.
E&M: Wie weit sind Sie mit Ihrer Personalrekrutierung?
Kurth: Wir haben an die 200 Bewerbungen für Führungsstellen bekommen und an die 900 Bewerbungen für den Stab. Einige Stellenbesetzungen haben wir schon durchgeführt, über die ich aber noch nicht sprechen kann. Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass wir in der Strom- und Gaswirtschaft erfahrene Menschen bei uns haben wollen. Das ist uns bisher gelungen.
E&M: Sie wollen auch Mediator sein.
Kurth: Wir wollen auf gütliche Lösungen im Markt setzen und das Rad nicht neu erfinden, wo es belastbare und gut praktizierte Regelungen in den Verbändevereinbarungen gibt. Es wird letzten Endes von den Marktbeteiligten abhängen, wie intensiv die Regulierung sein wird. Wir wollen nur in Konfliktfällen tätig sein, da aber schnelle Lösungen herbeiführen.
E&M: Ein klarer Konfliktfall liegt vor bei der Verzinsung des Eigenkapitals bei Netzinvestitionen und somit der Höhe der Netznutzungsentgelte. Die 4,5 Prozent Eigenkapitalverzinsung plus 1,7 Prozent Wagniszuschlag stehen im Raum: Ist das etwas, womit Sie leben können?
Kurth: Wir haben noch kein Energiewirtschaftsgesetz und keine Netzentgelt-Verordnung. Beide werden Grundlage für unsere Arbeit sein, deshalb kann ich hier noch nichts dazu sagen. Was vorgesehen ist, das ist eine Methodenregulierung, bei der wir letzten Endes die Prinzipien der Kalkulation vorgeben werden, was in der Verbändevereinbarung angedacht und durch den Kalkulationsleitfaden vorstrukturiert ist. Darauf aufbauend wird es eine ex-post Aufsicht geben. Wir würden im Einzelfall prüfen und Vergleichsmarktbetrachtungen in unsere Arbeit einbeziehen. Sie kennen die Diskussionen der Strukturklassen, die wir uns dann genauer anschauen müssen. Entgelte und Kosten müssen einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung entsprechen und so wird man auch zu einer Vergleichsmarktbetrachtung kommen.
Im Gasbereich gibt es größeren Handlungsbedarf als beim Strom
E&M: Auch Regelenergie und Bilanzkreise sind Streitpunkte
Kurth: Die Frage der Regelenergie wird sicherlich in der Verordnung thematisiert werden. Meine These generell ist, alles in Stein zu meißeln, kann letzten Endes innovative Prozesse oder die Dynamik des Marktes behindern. Ich habe Verständnis dafür, dass die Marktbeteiligten Planungssicherheit in Gesetz und Verordnungen wollen. Aber die Wohltat kann zur Plage werden, wenn Dinge festgeschrieben werden, die noch im Fluss sind.
E&M: Was darf denn Bestandteil der Netznutzungsentgelte sein?
Kurth: Klar ist, dass es keine so genannte Quersubventionierung geben kann und darf. Es dürfen nur Kosten enthalten sein, die einer energiewirtschaftlich rationellen Betriebsführung entsprechen.
E&M: Wie lange wird es dauern, bis man im Gasmarkt von Ihnen etwas spürt?
Kurth: Auch da hängen unsere Befugnisse wiederum von der entsprechenden Verordnungslage ab, so dass ich im Augenblick noch nichts dazu sagen kann. In jedem Fall wollen wir in den Dialog mit der Branche eintreten, um auszuloten, was in welchem Zeitraum machbar ist. Sicherlich gibt es im Gasbereich größeren Handlungsbedarf als beim Strom.
E&M: Wir haben beim Strom in Deutschland ein Oligopol, das … : Könnten Sie den Satz bitte vollenden?
Kurth (lacht): Ich weiß nicht, worauf Sie jetzt hinaus wollen. Ich kann nur so viel sagen, dass wir nicht beim Handel, bei Erzeugung und beim Vertrieb zuständig sind. Unsere wesentliche Aufgabe ist der Netzzugang und die wettbewerbliche Öffnung der Netze.
E&M: Ihre Arbeit wird von dem ausstehenden Energiewirtschaftsgesetz und den dazugehörenden Verordnungen bestimmt: Inwieweit mischen Sie sich in den Gesetzgebungsprozess ein?
Kurth: Wir haben zum Entwurf des Energiewirtschaftsgesetzes eine Stellungnahme an das Ministerium abgegeben. Wir haben darüber hinaus Kräfte aus der Regulierungsbehörde zurzeit abgeordnet, um bei der Verordnungsgebung das Ministerium zu unterstützen und unseren Erfahrungsschatz aus dem Bereich der bisherigen Regulierungsarbeit einzubringen.
E&M: Wo sehen Sie die wesentlichen Knackpunkte?
Kurth: Da kommen wir in eine politische Diskussion, die ich im Moment öffentlich nicht führen möchte.
Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie
E&M: Sie sind viel unterwegs bei den unterschiedlichsten Verbänden und auch Unternehmen: Haben Sie irgendwelche Lager in der Energiewirtschaft entdeckt?
Kurth: Ich nehme zumindest wahr, dass die völlig ablehnende Haltung gegen Regulierung, die ja noch vor einem Jahr bestand, im Schwinden ist. Es geht jetzt nicht mehr um das ‚Ob’, sondern um das ‚Wie’ der Regulierungstätigkeit. Lager haben wir insoweit, dass auf der Abnehmerseite von erheblich überhöhten Nutzungsentgelten gesprochen wird und auf der Anbieterseite von angemessenen Entgelten die Rede ist.
E&M: Das Schlimmste, was man Ihnen wird nachsagen können: Sie sind verantwortlich, dass nicht mehr in Netze investiert wird und somit für Blackouts in Deutschland.
Kurth: Diese Diskussion ist in ihrer Plattheit absurd. Die Aspekte der Versorgungssicherheit und der Qualität der Versorgung werden wichtige Elemente in der Arbeit der Regulierungsbehörde sein.
E&M: Telefonieren hat immer funktioniert, so wird es auch immer Strom geben?
Kurth: So wird es sein. Dabei sage ich ausdrücklich, dass derjenige mit den höchsten Netznutzungsentgelten nicht automatisch die größte Sicherheit bietet. Das ist nur eine starke Behauptung, aber ein schwaches Argument. Ein Großteil unserer Wirtschaft steht im globalen Wettbewerb mit der Herausforderung, Qualität zu erhöhen bei günstigeren Preisen. Die Behauptung, man könne Qualität und Sicherheit nur mit hohen Preisen garantieren, die riecht mir doch sehr nach einem gewissen Monopoldenken.
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Freitag, 13.09.2024, 16:41 Uhr
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