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Enerige & Management > Recht - WSW droht nach erstem Fernwärme-Urteil Millionenverlust
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
RECHT:
WSW droht nach erstem Fernwärme-Urteil Millionenverlust
Weil Wuppertals Stadtwerke aus Müll produzierte Fernwärme an Gas- und Strompreis orientiert abgerechnet haben, müssen sie 350.000 Euro zurückzahlen.
 
Das Landgericht Wuppertal hat ein Urteil zu Fernwärme-Preisen gefällt, das für Aufsehen sorgt. Es verwirft eine Abrechnungspraxis, die die Kosten allein anhand aktueller Gas- und Strom-Börsenpreisen berechnet. Das Problem: In diesem und weiteren Fällen reichen die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) die in Rechnung gestellte Wärmeenergie zu 85 Prozent aus einem Müllheizkraftwerk weiter.

Und diese effektiven Kosten durch Erzeugung und Bereitstellung aus Abfall ziehe der Versorger gar nicht heran, kritisiert das Gericht. Also erhielt die Klägerin, ein Wohnungsbauunternehmen mit fünf am Fernwärmenetz hängenden Mieteinheiten, Recht. Die Rechnung der WSW für das Unternehmen war im Jahr 2022 laut Urteil um exakt 349.868,67 Euro zu hoch.

Erschwerend kommt für den Versorger hinzu, dass es nach Informationen unserer Redaktion offenbar mehr als ein Dutzend weiterer Klagen mit ähnlichem Hintergrund gibt. Die Rückzahlungsforderungen könnten also leicht die Millionen-Euro-Grenze überschreiten.

Erstes Urteil gesprochen – Versorger geht in Berufung

Anwältin Irina Jansen bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion, dass ihre Wuppertaler Kanzlei „recht:bergisch“ Mandanten in aktuell fünf Fällen vertrete. Darin gehe es um Rechnungen, die seit 2021 um vier- bis sechsstellige Summen zu hoch ausgefallen sein sollen. Klage eingereicht haben hier Familien, deren Fernwärmerechnungen sich um mehr als das Dreizehnfache verteuert haben sollen, und auch Immobilieneigentümer mit Mietparteien.

Das Landgericht Wuppertal erklärte auf Anfrage, dass es mindestens zwei weitere Fälle im Haus gebe. Eine Klägerin wolle sich vor einem Güterichter mit den WSW einigen. Die Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses pocht in einem anderen Verfahren auf Rückzahlung in Höhe von mehr als 16.000 Euro. Hier bemühten sich die Parteien laut Sprecher des Gerichts aktuell um einen Vergleich. 
Im Fall des Wohnungsbauunternehmens müssen die Stadtwerke das Geld nicht zurückzahlen – noch nicht. Denn die Wuppertaler haben gegen das im April verkündete Urteil (Aktenzeichen: 5 O 162/23) Berufung eingelegt. Der Fall liegt also nun beim Oberlandesgericht in Düsseldorf.

Auf Anfrage dieser Redaktion äußern die WSW sich zurückhaltend. Ein Sprecher bestätigte lediglich, dass das Unternehmen mit der eingelegten Berufung gegen die Auffassung des Landgerichts vorgehe, dass die Preisklausel unwirksam sei. Die Klausel existierte im „Talwärme Classic“-Tarif, der „mittlerweile ausgelaufen“ sei. Zu weiteren Verfahren wollte der Sprecher keine Stellung nehmen.

Stadtwerke Wuppertal: Gibt keinen speziellen Preis für Abfall-Wärme

In der Praxis hatten die WSW ihre Preise im Abrechnungsjahr 2022 zu 60 Prozent am Börsenpreis für Erdgas berechnet und zu 40 Prozent an dem für Strom. Gegen das Einbeziehen des Gaspreises hatte das Gericht nichts einzuwenden. Der Strompreis hatte in der Geschäftsbeziehung von WSW und Wohnungsbauunternehmen nach Auffassung des Landgerichts indes keinerlei Relevanz. Die WSW hatten versucht, die Kostenstruktur auch über ihre Geschäftsbeziehung mit dem Müllheizwerk zu erklären. Die Wärme entstehe über Frischdampf, den die WSW sowohl für die Wärme- als auch die Stromversorgung nutze.

Die WSW hatten vor Gericht weiter argumentiert, ein spezieller Preis für Fernwärme aus Abfall existiere nicht. Das Müllheizwerk liefere je nach Jahreszeit zu viel oder zu wenig Wärme. Bei Spitzenlasten im Winter müssten die Stadtwerke eine zusätzliche – vornehmlich (zu 90 Prozent) über eingekauftes Erdgas sichergestellte – Eigenerzeugung über ein Gas- und Dampfturbinenheizwerk vorhalten. Und die sei teuer. Nach Darstellung der WSW mache sie allein 80 Prozent der Gesamtkosten aus, die der Versorger pro Jahr für die Wärmebeschaffung selbst ausgibt.

Für das Gericht war die Interpretation der gesetzlichen Vorgaben für Preisanpassungsklauseln durch die WSW entscheidend. Diese Klauseln sind eine Wissenschaft für sich und immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen der Fernwärme-Anbieter, die in ihren Gebieten Monopolisten sind, und Verbrauchenden (wir berichteten). Die Stadtwerke würden dem Gebot, ihre Preise auch an den tatsächlich – durch die Müllverwertung – entstehenden Kosten zu orientieren, mit ihrer Berechnungsformel „nicht gerecht“, so das Landgericht. Sowohl Kosten- als auch Marktelemente seien zwingend in der Preisklausel anzuwenden.

Das Wohnungsbauunternehmen bezog sich in seiner Klage auf die erheblichen Kostensteigerungen der WSW-Fernwärme seit 2019. Netto kostete eine kWh damals 5,64 Cent. Anpassungen nahmen die WSW folgend immer halbjährlich vor, zum 1. Juli und 1. Januar. Während der Energiekrise kletterte der Preis im ersten Halbjahr 2022 sprunghaft auf 11,32 Cent, später im Jahr auf 15 Cent und für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2022 noch einmal auf 22,39 Cent. Im ersten Halbjahr 2023 berechneten die WSW schließlich 43,32 Cent netto.

Diese Preisgestaltung führte im Jahr 2022 zu Gesamtkosten für das Wohnungsbauunternehmen in Höhe von gut 498.000 Euro netto beim Arbeitspreis. Die Rechnung beglich das Unternehmen zwar, klagte dann aber gegen die Berechnungsgrundlage. Für das in Rede stehende Jahr würde der zu zahlende Betrag nach dem Urteil des Landgerichts am Ende nur noch rund 150.000 Euro betragen, also weniger als ein Drittel des Verlangten.

Anwältin Irina Jansen sagt, dass Immobilieneigentümer die enorme Kostensteigerung oft nicht weiterreichen würden. Für viele der Mietparteien sei dies schlicht nicht zu bezahlen.
 

Volker Stephan
© 2025 Energie & Management GmbH
Freitag, 06.06.2025, 15:56 Uhr

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