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E&M: Herr Schlemmermeier, Herr Bartels, Ihre LBD-Beratungsgesellschaft hat den Onlinemarktplatz für Windflächen, Caeli Wind, ausgegründet.
In der Logik der Plattform-Ökonomie müssten Sie möglichst viele und aktive Marktteilnehmer anziehen. Und bei den Grundstücksanbietern
richten Sie sich vor allem an Landwirte. Die bevorzugen aber Mundpropaganda, am besten vom eigenen Berufsstand.
Schlemmermeier: Das funktioniert nur über Offlinevertrieb − eigene Aktivitäten und ein Netzwerk an Vertriebspartnern. Wir bieten Grundstückseigentümern
in Echtzeit mit wenigen einfachen Eingabedaten eine Analytik, eine ‚unverbindliche Ersteinschätzung‘: Eignet sich mein Grundstück
überhaupt? Und wenn ja: Wie viel Pacht kann ich bei einer bestimmten Verzinsung mit Windkraft erzielen? Also zum Beispiel
einen Korridor für einen fairen Wert von 250.000 bis 380.000 Euro per annum. In unseren Gesprächen reagieren Waldeigentümer
regelmäßig überrascht, wie viel Potenzial in ihrem Grund steckt. Sie schätzen auch unsere objektivierte Sicht. Bei uns rufen
schon Kollegen und Grundstücksnachbarn an.
Bartels: Diese Information wie auch der gesamte Prozess mit Caeli ist für den Anbieter bis zuletzt kostenlos. Anschließend kann er exakte Grundstücksgrenzen eintragen und eine Art
Expose erstellen lassen. Damit bringen wir den Grundstückseigentümer auf Augenhöhe mit den Projektentwicklern. Am Schluss
eines mehrstufigen digitalen Prozesses steht dann die Auktionierung des Gestattungsentgelts …
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Quelle: LBD
E&M: … also der Pacht …
Bartels: … unter präqualifizierten Projektentwicklern. Der Meistbietende zahlt dann an uns Maklercourtage.
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Quelle: Marvin Böhm
E&M: Wie weit sind Sie? Wann schalten Sie scharf?
Schlemmermeier: Wir haben seit einem Dreivierteljahr im Auftrag von Landwirten und Forstbetrieben 400.000 Hektar Waldfläche analysiert und,
daraus entstehend, eine Pipeline von gut 1.000 Megawatt ohne rechtliche Restriktionen und mit vernünftigem Windaufkommen.
Die wandeln wir gerade in Verträge und damit in Auktionsflächen. Wir bringen zum Start 20 potenzielle Windparkstandorte auf die Plattform. Wir glauben, dass die Projektentwickler alle kommen, sofern das Regionen
sind, an denen sie Interesse haben.
Bartels: Die ‚unverbindlichen Ersteinschätzungen‘ sind schon freigeschaltet. Zum Frühsommer werden wir die ersten Flächen präsentieren,
auf die geboten werden kann. Und Projektierer können sich auf unserer Website registrieren.
E&M: Was ist der Mehrwert für Projektentwickler? Sie nehmen ihnen im Zweifel lokales Herrschaftswissen weg.
Bartels: All das, was der Projektentwickler normalerweise selbst zusammenträgt, um die Entscheidung zu treffen, kriegt er von uns
auf dem Silbertablett geliefert:
- Also die Windverhältnisse des Grundstücks, daraus folgend den idealen Anlagentyp. Beide Seiten können aber jede lieferfähige Onshore-Anlage durchkalkulieren. Alle sind mit ihren Einkaufskosten und ihrer spezifischen Stromausbeute hinterlegt.
- Die Restriktionen, die gerade von fünf Kollegen aktuell gehalten werden, also im Wesentlichen Natur- und Landschaftsschutzgebiete mit harten oder weichen Tabuzonen, militärische Anlagen, die berühmten Pufferzonen rund um Siedlungen.
- Die Länge der Anbindung zum Hochspannungsnetz.
- Die sinnvolle Anzahl von Anlagen auf dem Grundstück. In Hauptwindrichtung reichen fünf Rotorabstandslängen mehr als aus, im rechten Winkel zur Windrichtung reichen auch drei Rotorlängen − das und mehr rechnet unser System automatisiert im Hintergrund aus und macht einen optimalen Platzierungsvorschlag.
- Eine vom Eigner einstellbare Verzinsung. Das sind in aller Regel mehr als die drei, dreieinhalb Prozent aus den Ausschreibungen. Der Eigner stellt auch ein, wie viel Prozent der Zinsen er als Pacht ausschütten möchte. Aus alledem erhält er als Teil des Exposes ein Ertragsgutachten mit jährlichen Zeitreihen.
- Ein 3D-Rendering eines Windparkprojekts, um die optische Landschaftswirkung zu bewerten.
- Und wenn er der Meistbietende ist, eine attraktive Fläche.
Die Projektierer, denen wir die Plattform zeigen, sagen: Bei uns läuft das Tage bis Wochen über mehrere Abteilungen, nur um eine Ersteinschätzung zu haben.
E&M: Das heißt, Sie nehmen Projektentwicklern auch noch Arbeit weg. Wie wird sich dieses Berufsbild ändern?
Schlemmermeier: Die kleinsten Projektentwickler, die nur regional ausgerichtet sind, werden wohl nicht auf die Plattform gehen. Am anderen
Ende stehen große integrierte Energieversorgungsunternehmen, die ihr konventionelles Kraftwerksportfolio ersetzen wollen und
die wachsen wollen, in Europa zweistellige Milliardenbeträge aufrufen und die Projekte brauchen.
E&M: RWE äußerte sich so.
Schlemmermeier: Die werden einen solchen Zugang schätzen. Sie haben natürlich Rahmenverträge mit Enercon, Vestas, Nordex & Co., die sicherlich
signifikant unter den 1.000 Euro das Kilowatt liegen, die wir kalkulieren, und letztlich darüber Wettbewerbsvorteile generieren.
Die brauchen Volumen, Pipeline, alle Kanäle, die im Markt da sind.
Zusätzlich wird es New Entries geben, die für die Grundstückseigner attraktiv sind, nämlich dass sich die Investoren selbst
bereits um Grundstücke bemühen und die Projektentwicklungskompetenzen einkaufen, um sich zu präqualifizieren. Wir denken da
an Unternehmen wie Deutsche Bank, Munich Re, Macquarie, CIT, die großen Infrastrukturinvestoren, die einen Riesenhunger auf
Projektvolumen haben, mehrere Milliarden Euro in ihren Fonds haben und möglichst früh in den Markt einsteigen wollen. Und
der früheste Eintrittszeitpunkt ist die Grundstückssicherung. Die Plattform vermittelt und vereinfacht den Zugang zu Grund
und Boden − das ist heute das knappe Gut.
E&M: Was unterscheidet Caeli von den bestehenden Windpotenzialatlanten und -rechnern von Agora Energiewende, Enervis oder von
Nefino?
Schlemmermeier: Die Potenzialanalyse bahnt bei uns Geschäfte an, ist aber nicht unser Geschäft, wir wollen Marktteilnehmer zusammenzubringen.
Bartels: Was wir machen, ist fast die schlüsselfertige Planung eines Windparks auf der gegebenen Fläche.
E&M: Inklusive Wirtschaftswege und der Pacht dafür?
Bartels: (lacht) Wegepacht − so weit sind wir noch nicht, aber wir können errechnen, ob der große Lkw mit den Komponenten durchkommt.
E&M: Es gibt etablierte Plattformen für den Windkraftersatzteilhandel. Überlegen Sie, mit ihnen zu kooperieren?
Bartels: Die führende dieser Plattformen ist Kooperationspartner von uns geworden. Für die bauen wir einen kleinen Caeli-Marktplatz,
damit wir den Traffic der Kollegen gemeinsam monetarisieren können.
E&M: Ist das Windturbine.com oder ein anderer?
Bartels: Da haben Sie ins Schwarze getroffen.
E&M: Bilden Sie auch die kommunale Beteiligungsmöglichkeit ab, wonach die betroffenen Gemeinden bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde
erhalten dürfen?
Bartels: Im Gestattungsvertrag werden wir regeln, dass der Projektentwickler sich dazu verpflichtet, den Gemeinden das anzubieten.
Das ist Marktstandard. Es ist auch notwendig, dass die Gemeinden an der Wertschöpfung der Erneuerbaren teilhaben. Wir sind
jetzt bei einem Base-Preis von 85,90 Euro die Megawattstunde am langen Ende, da sollte sich das auch jeder Anlagenbetreiber
außerhalb des EEG leisten können, zwei Cent davon zu zahlen, um Akzeptanz zu bekommen.
E&M: Sie beide fungieren als Gründungsgeschäftsführer von Caeli Wind, gehören aber auch der Geschäftsführung der LBD an. Wie lange
noch?
Schlemmermeier: Caeli ist eine Inkubation aus dem Beratungsgeschäft und aus unseren Fähigkeiten im digitalen Service. Aber es ist ein selbsttragendes
Geschäftsmodell und muss auch eine solche Gesellschaft werden. Wir machen im Family-and-Friends-Bereich eine erste (Finanzierungs-;
d. Red.) Runde, die dafür eine Basis schafft. Erst in der nächsten Runde werden wir institutionelle Investoren an Bord nehmen.
Heiko und ich werden so lange dabei sein, bis das Unternehmen Cash-positiv ist.
E&M: Vattenfall hält Kombi-Parks aus Wind, PV und Batterien in Planung und Betrieb für effizienter als die getrennten Technologien.
Denken Sie auch in Richtung PV oder Kombinationen? Oder über den deutschen Rahmen hinaus?
Bartels: Aktuell ist unser Augenmerk auf Deutschland ausgerichtet. Die Perspektive des Portals ist aber europäisch, wir haben das
auch schon modelliert. Was wir hier abbilden, lässt sich auf jedes europäische Land übertragen. Was sich unterscheidet, ist,
wie wir an die Daten rankommen. Italien etwa ist sehr offen, was digitale Daten anbetrifft.
Schlemmermeier: Wir Deutschen bilden uns immer ein, wir seien ganz toll, aber die Italiener haben den Ausweis von Flächen besser im Griff.
Dort hat Klimaschutz Vorrang vor Naturschutz. Es gibt wenig Ablehnungsgründe, institutionalisierte Antragskonferenzen und
13 Milliarden Euro Fördermittel als Investitionszuschuss, das geht da alles zack, zack. Der Markt ist attraktiv. Aber wir
wollen erst im Heimatmarkt erfolgreich sein.
Für Solarprojekte braucht man ein Bauleitverfahren bei der Kommune, die Ja oder Nein sagen kann. Das Mindeste, mit dem man
in eine Auktion gehen könnte, wäre ein Aufstellungsbeschluss und dafür ein energiewirtschaftliches Konzept. Das heißt, Grundstückseigentümer
und Projektentwickler können sich nur in einer frühen Phase zusammentun. Das ist nicht für ein Modell wie unseres geeignet.
Aber wenn sich das Genehmigungsrecht für Solar ändert, dann werden wir sicherlich Solarflächen aufnehmen.
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Dienstag, 24.05.2022, 09:00 Uhr