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Enerige & Management > Sonderteil: Stark Im Wind - Windmühlen-Flügel: Kleine Ursache, große Wirkung
Quelle: E&M
SONDERTEIL: STARK IM WIND:
Windmühlen-Flügel: Kleine Ursache, große Wirkung
Reparaturen an Rotorblättern erfordern oft eine monatelange Montage im Werk. Alte Anlagen sind dann mit einem Bein schon im Rückbau. Dabei wachsen zwei technische Alternativen heran.
 
Es ist der Horror jedes Betreibers von Windenergieanlagen: Eine Inspektion – oder ein Unfall! – ergibt, dass ein Rotorblatt nur noch unvollständig an der Nabe befestigt ist. Es droht ein monatelanger Stillstand der Anlage und damit der sofortige unvorhergesehene Stopp aller Stromeinnahmen, weil das Rotorblatt im Werk des Herstellers repariert oder von dort ein Ersatzteil angeliefert werden muss.
Je nach Alter des Windrades ist das ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der Rückbau liegt in der Luft. Zumindest in Deutschland ist der Betreiber dazu verpflichtet. Dann wandern alle drei Rotorblätter auf die Deponie oder als Brennmaterial im Zementwerk.

Das Teure daran ist die weit entfernte Reparatur. Technische Alternativen dazu präsentieren mindestens zwei Aussteller auf der Weltleitmesse Wind Energy in Hamburg (24. bis 27. September): Ematec aus dem bayerischen Memmingerberg und „We4Ce“ aus dem holländischen Almelo. Beide verlagern bestimmte Reparaturen an Rotorblättern an den Standort der Windenergieanlage zurück.
 
Ein Hebewerkzeug von Ematec an einem Rotorblatt in den Lüften. Auf der Wind Energy präsentieren die Bayern ein Hebewerkzeug, mit dem sich demontierte Blätter am Boden spannungsfrei wenden lassen
Quelle: Ematec

Blattwender als Messeneuheit

Ematec ist ein Hersteller von Hebezeugen für die Windkraft-Industrie. In Hamburg präsentieren die Allgäuer eine neue Blattwendeeinrichtung, „die es ermöglicht, ein Rotorblatt am Boden um die Längsachse zu pitchen. So lassen sich die Blätter für Reparaturen stufenlos drehen – und das in neutralem Zustand, also ohne Spannung“, erklärt CTO Julian Eberhard. „Diese Innovation wird den Unternehmen Millionen an Euro an Servicekosten einsparen. Erstmals überhaupt lassen sich jetzt die meisten Reparaturen direkt am Standort des Windrads erledigen.“

Die von Ematec bisher entwickelten Rotorblatt-Traversen mit den Typenbezeichnungen RBC und RBC-D sind etabliert: Allein der Windturbinen-Hersteller (OEM) Enercon aus dem niedersächsischen Aurich hat binnen vierer Jahre 30 Traversen bestellt und einen Großteil davon weltweit im Einsatz. Der Rostocker OEM Eno Energy gehört auch zu den Kunden.
 
Ematecs neues Hebewerkzeug „wird den Unternehmen Millionen an Euro an Servicekosten einsparen“, verspricht CTO Julian Eberhard. „Erstmals überhaupt lassen sich jetzt die meisten Reparaturen direkt am Standort des Windrads erledigen“
Quelle: Ematec

Gründungssaga: Schrott verhindern

Die Vision, „gelockerte Rotorblätter kostengünstig zu reparieren, statt dass sie nach Ablauf der sechsjährigen Garantiezeit Schrott sind“, hat Edo Kuipers 2007 einen sicheren Ingenieursjob aufgeben und zum Gründer werden lassen, erzählt der 51-jährige Holländer E&M. Kuipers weiß, wovon er spricht, war er doch vor der Gründung von We 4 Ce – einer hippen Schreibweise von „we foresee“ - etwa „wir sind vorausschauend“ – zehn Jahre lang Blattingenieur bei einem Rotorblatt-Hersteller.

Kuipers beschäftigte sich mit den sicherheitskritischsten Teilen einer Windenergieanlage: den Rotorblattbuchsen. Das sind mit Harz in die Rotorblatt-Blattfüße einlaminierte Stahlzylinder, in denen dann die Bolzen stecken, die an der anderen Seite an die Nabe angeflanscht werden. Jede Buchse muss Zugkräfte von bis zu 1.000 Kilonewton aushalten. Das ist, wie wenn 50 Pkw gleichzeitig an ihr zögen.

Sinkt die Zugkraft durch Risse und Blasen im Harz unter die Hälfte, erhöhen sich die Spannungen auf den Rotorblättern, die dann schneller altern. „Betroffen ist eine Reihe von Windkraftanlagen von 1,5 MW bis 3 MW und Blattlängen bis 60 Meter“, resümiert Edo Kuipers. Das Problem trete bei solchen Kleinwindanlagen verstärkt seit einigen Jahren auf, weil Hersteller die Buchsen technisch enger auslegten, um zu sparen.

Bislang fräst ein Hersteller die schadhaften Buchsen in seinem Werk heraus und klebt neue ein. Bei We 4 Ce geschieht das Ausbohren und Fräsen am Boden des Windparks selbst, und zwar durch die dänische CNC-Onsite, einen Hersteller mobiler Fräsanlagen.

Dann übernimmt Kuipers Team: Es gießt mit einem patentierten, hohlen, in die neue Buchse geschobenen Stahlzylinder Epoxidharz als Klebeverbindung zwischen Buchse und Rotorblatt und in die rippenartigen Aussparungen Glaslaminat. Gefragt nach der Erfindungstiefe, zählt Kuipers begeistert auf: „Wir verwenden keinen Polyesterharz. Er ist die Ursache des Problems. Außerdem ist unser Spender so konstruiert, dass er in der Buchse bündig abschließt und so Luftblasen vermeidet. Er gießt das Harz gleichmäßig in einem Vakuum, während er sukzessive herausgezogen wird.“

We 4 Ce geht Zertifizierungen an

Feldtests hat We 4 Ce an Windparks in China, Indien, Thailand und Brasilien laufen. Schwellenländer also. „Wir lancieren unsere Klebemethode jetzt im Markt und beabsichtigen auch Zertifikate vom TÜV und vom Germanischen Lloyd“, kündigt Kuipers an und bleibt ehrlich: „Wenn ein Kunde jetzt schon eine 100-prozentige Zertifizierung haben möchte, sage ich ihm: Komm im Frühjahr 2025 wieder, denn ich brauche noch ein paar Tests.“ Bisher gilt noch: auf eigene Gefahr.

Für Reparaturen von 30-Millimeter-Buchsen (M30), die in 1,5-MW-Rotorblättern verbaut sind, hat We 4 Ce ein Zertifikat der holländischen Einrichtung UL, dass ihre Methode mindestens gleichwertig ist. Derzeit laufen Lebensdauer-Tests für M36-Buchsen in 2,5-MW-Windrädern. Kuipers: „Wir gehen in Richtung 6 MW und Offshore.“

Was der „Refit“ kostet

Am Anfang werden zur Schadensanalyse Proben entnommen. „Bei 5 Millimetern Spiel funktioniert unsere Refit Infusion Technology“, veranschaulicht der We-4-Ce-Mitgründer, „bei 15 Millimetern sind die Vorschäden irreparabel hoch.“ Der „Refit“ – da ist wieder Kuipers offen – kostet „im Durchschnitt 30.000 bis 40.000 Euro, abhängig vom Anlagentyp“. Ein Ersatz-Rotorblatt dagegen schlüge mit 80.000 bis 200.000 Euro zu Buche – wenn überhaupt noch eines herstellbar ist. Die Jungs von We 4 Ce reduzieren zudem den Stillstand eines Windparks auf wenige Wochen.

„Bei einer einzigen kaputten Buchse lohnt sich unsere Reparatur noch nicht“, sagt Kuipers gewohnt freimütig, „aber bei einem ganzen Windpark.“ Sein siebenköpfiges Team finanziert sich derzeit aus Eigenkapital, holländischen Fördermitteln und Zusatzausbildungen für Servicetechniker. „Es ist nicht unsere Ambition, einen Serviceclub aufzubauen“, stellt Kuipers gleich klar. Unter den Kunden ist auch ein ungenannter Rotorblatt-Hersteller. Ein thailändischer Windparkbetreiber beteilige sich sogar, so Kuipers, an den Testkosten, obwohl sich betriebswirtschaftlich neue Rotorblätter gelohnt hätten. Er will es einfach wissen.

 
Ein Rotorblatt fasst an seinem Fuß Dutzende verklebte Buchsen, in die Bolzen gesteckt werden. Die Bolzen werden mit der Nabe verschraubt
Quelle: We 4 Ce B. V.
 
Edo Kuipers miit dem von We 4 Ce erfundenen Harzspender, miit dem neue Buchsen am Fuß des Rotorblatts verklebt und laminiert werden
Qelle: We 4 Ce B. V.

 
 

Georg Eble
Redakteur
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Freitag, 20.09.2024, 08:50 Uhr

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