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Enerige & Management > Aus Dem Jahresmagazin  - Wie die Politik den Netzausbau zum teuren Hobby macht
Quelle: E&M
AUS DEM JAHRESMAGAZIN :
Wie die Politik den Netzausbau zum teuren Hobby macht
Der Bau neuer Stromtrassen macht die Energiewende teuer. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die Politik hat eine erhebliche Mitschuld daran, dass alles mehr kostet und länger dauert.
 
„Im Norden überflüssigen Strom zu erzeugen und im Süden neue Kraftwerke zu bauen, ist ein teures Hobby.“ Ironisch kommentierte der damalige Tennet-Chef Lex Hartmann Forderungen der bayerischen Landespolitik, statt der sogenannten Monstertrassen im Freistaat neue Gaskraftwerke zu bauen. Das war im Februar 2014 in Berlin, als die Übertragungsnetzbetreiber das Projekt Südlink vorstellten, das 4.000 MW Windkraftstrom von der Küste in den Freistaat und nach Baden-Württemberg bringen soll. Was Hartmann damals noch nicht wusste: Es würde alles noch teurer werden, genauer gesagt noch viel teurer, ja sogar sehr viel teurer. Und es würde alles viel länger dauern als geplant, sehr viel länger. 

Das kam so: Nach endlosen Streitereien über den Trassenverlauf von Südlink und Südostlink einigte sich die Bundespolitik im Juli 2015 darauf, die Projekt mit Erdkabeln statt Freileitungen zu realisieren. Und vernichtete so zunächst mal drei Jahre Planungsarbeit von Transnet BW und Tennet. Doch damit nicht genug. Von 3 Milliarden Euro, die der 700 Kilometer lange Südlink kosten sollte, war anfangs die Rede. Jetzt, wo der Bau in die Gänge kommt, ist von 10 Milliarden Euro die Rede. Ob es dabei bleibt, wenn er, vermutlich 2028 und damit sechs Jahre später als vorgesehen, fertig sein sollte? Vermutlich eher nicht.

Kosten für Südlink verdreifachen sich

Obendrauf kommen die Redispatch-Kosten. Sie werden fällig, wenn wegen Netzengpässen Windräder im Norden abgeschaltet und Kraftwerke im Süden angeworfen werden müssen. Der Windmüller wird für seinen Verlust entschädigt und der Kraftwerksbetreiber im Süden für seinen Aufwand ebenfalls. Es sind Milliarden jedes Jahr, die den Verbraucher belasten − denn Netzengpässe auf den Nord-Süd-Trassen sind keine Ausnahme, sondern mittlerweile eher an der Tagesordnung. Geld, das man auf die Baukosten für die Trassen noch mal drauflegen kann. Die ursprüngliche Idee war ja gewesen, Südlink und Südostlink mit der Abschaltung der Kernkraftwerke Neckarwestheim bei Heilbronn (Baden-Württemberg) und Isar 2 bei Landshut in Bayern 2022 in Betrieb zu nehmen, damit sie Ersatzstrom liefern können. 
 
Die Kabel für den Südostlink warten im Regensburger Hafen schon darauf, vergraben zu werden
Quelle: E&M / Günter Drewnitzky


Zieht man hier eine kurze Zwischenbilanz und sucht nach den Ursachen für die Kostenexplosion bei der Energiewende, so sind die Schuldigen schnell ausgemacht. Sie sitzen nicht bei den Stromkonzernen und Netzbetreibern, sondern in den Landes- und Bundesparlamenten − und gehören jetzt zu denen, die ständig und laut beklagen, dass der Strom in Deutschland so teuer ist. Und wenn einige sagen, dass das an der Energiewende liegt, dann ist das nur die halbe Wahrheit, beziehungsweise − wie beim Südlink − ein Drittel davon und weniger. 

Aktion Rolle rückwärts läuft

Es waren schlichtweg populistische Entscheidungen von Politikern, die keine Lust hatten, dem besorgten und „Monstertrassen“ skandierenden Bürger gegenüberzutreten und ihm zu erklären, dass man dieselben eben braucht, wenn man grünen Strom will und keinen aus Atommeilern und Kohlekraftwerken. Also wurde beschlossen, die Probleme einfach zu vergraben. Was sich letztlich als Schuss in den Ofen herausstellte. Die Widerstände gegen die Trassen wurden nicht weniger, im Gegenteil. Im Endeffekt hatte man jetzt noch mehr Ärger am Hals − und das für viel zusätzliches Geld. 

Schließlich wagte sich Ende 2023 der Netzbetreiber 50 Hertz aus der Deckung. Sicher auch inspiriert von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das den Klima- und Transformationsfonds kassiert hatte, mit dem neben anderen Energiewendeprojekten die Netznutzungsentgelte subventioniert werden sollten, brachte der Übertragungsnetzbetreiber eine Rückkehr zum Freileitungsbau ins Spiel.

Allein dadurch könnten 20 Milliarden Euro gespart und die Netzentgelte um 1 Milliarde gesenkt werden, hieß es in einem internen Papier, das rasch seinen Weg nach draußen fand. Seitdem läuft die Kehrtwende von der Kehrtwende, zumindest die Diskussion darüber, getreu dem Motto: „Vorwärts Kameraden, es geht zurück!“ 
Im Interview mit E&M, das er im vergangenen Juni führte, erklärte der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller zum Thema Einsparungen durch Freileitungen: „Es macht Sinn für die Neubauleitungen. Das sind die Gleichstromtrassen DC40, 41, 42 (Ostwestlink, Nordwestlink, Südwestlink; d. Red.). Bei diesen Leitungen geht es um ungefähr 15 bis 20 Milliarden Euro über die Zeit hinweg. Darum sagen wir, wenn vor allem die betroffenen Bundesländer dem zustimmen würden und man diese Entscheidung aus der Vergangenheit korrigiert, würde das den Netzausbau deutlich beschleunigen.“ 

Für Südlink und Südostlink gilt das nicht. Hier ist „schon“ der Baustart erfolgt, nachdem es weiter viel Ärger mit den Grundbesitzern und Bürgerinitiativen gab und gibt. So mancher beginnt sich zu fragen, ob nicht ein paar Stahlmasten in der Landschaft das kleinere Übel sind, im Vergleich zu meterbreiten Trassen, die für die Baustellenfahrzeuge und Kabeltransporte freigeräumt werden müssen, und 1,5 Meter tiefe Gräben für die Kabel. 

Aktuell macht der Rhein-Main-Link Schlagzeilen, der über 600 Kilometer von Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen in den Großraum Frankfurt führt. Anwohner und Kommunalpolitiker sehen durch den geplanten Verlauf Waldgebiete in Gefahr sowie Baugebiete und Grundwasserversorgung beeinträchtigt. Auch hier ist also das volle Gegenprogramm zu erwarten. 

Die Politik zeigte sich ebenfalls schon bald wendebereit, wenigstens in Teilen. Freileitungen, wenn es dadurch Vorteile bei Kosten und Bautempo gibt, hieß es dazu aus der Unionsfraktion und auch bei der SPD besteht die Bereitschaft, den noch bestehenden Erdkabelvorrang für die großen Hochspannungsgleichstromvorhaben zu kippen. In den Bundesländern gibt es indes unterschiedliche Sichtweisen, was die ganze Sache wieder erschweren dürfte. Für eine Überraschung sorgt indes Bayern: „Überirdisch, wo möglich, unterirdisch, wo nötig“, sagte ein wendiger Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einer Regierungserklärung im Landtag. 

Der letzte Erdkabelabschnitt ist über alle Zweifel erhaben

Es gibt viele Gründe, die gegen Erdkabel sprechen: Die archäologischen Untersuchungen, die entlang der ganzen Trasse durchgeführt werden müssen, sind höchst aufwendig, das gilt ebenso für die Umweltverträglichkeitsprüfungen im Vergleich mit Freileitungsprojekten. Hinzu kommen technische Gründe. Zum Beispiel finden auf den Kabeltrommeln nur gut 1,7 Kilometer Leitung Platz. Nachdem die verlegt sind, muss das nächste Teilstück über eine Muffe angeschlossen werden, was nach Ansicht von Experten ein Schwachpunkt ist.

Reparatur und Wartung der Trassen gelten als ungleich komplizierter und teurer als bei Freileitungen. Bei denen könnte man sich auch die so emotional wie kontrovers geführte Erwärmungsdebatte sparen: Die Bauern fürchten, dass die Böden durch die Erdkabelwärme austrocknen und die Erträge zurückgehen. Die Netzbetreiber argumentieren, wissenschaftliche Untersuchungen würden das nicht bestätigen. 

Zumindest ein Teilstück des Südlinks dürfte aber in seiner unterirdischen Streckenführung über jeden Zweifel erhaben sein: Im Raum Heilbronn tauchen die normalerweise in 1,5 Metern Tiefe verlegten Erdkabel ganz weit ab: In einem Schacht geht es 200 Meter nach unten und dann, in den Stollen der Heilbronner Salzwerke, mühelos und ohne aufwendige Horizontalbohrungen unter Straßen, Bahnlinien, Flüssen, Wohngebieten und der Autobahn hindurch. 17 Kilometer legt die Leitung so zurück. Und wenn es wieder nach oben geht, ist der Südlink am Ziel: im Konverter, der den Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, damit er nach 10 Milliarden teuren 700 Kilometern voller Widerstände ins Netz eingespeist werden kann. 
 

Günter Drewnitzky
Redakteur
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Dienstag, 10.12.2024, 09:38 Uhr

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