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F&E:
Wie der Emissionshandel von politischer Glaubwürdigkeit abhängt
Der CO2-Preis im Zertifikatehandel ist nicht zuletzt eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, stellen Forschende fest. Im Fall sinkender Glaubwürdigkeit raten sie zu Maßnahmen.
 
Ein Finanzminister einer Klimaschutz-Regierung, der mit Porsche vorfährt, ein Ministerpräsident, der sich in seinem Amt als „ausbefördert“ sah und dann nach gescheiterter Selbstbeförderung zum Kanzleramtsaspiranten als „Kandidat der Herzen“, eine Partei, die einst mit dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ in den Wahlkampf zog und heute mehr Produktion von Kriegsgerät fordert – was unter politischer Glaubwürdigkeit zu verstehen ist, erschließt sich zuweilen nicht so leicht. Das jedoch schmälert nicht ihre Bedeutung, wie Forschende jetzt am Beispiel des EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) aufzeigen.

„Damit die Kohlenstoffpreise im EU ETS hoch genug sind, um Emissionsminderungen langfristig effizient anzureizen, ist eine große politische Glaubwürdigkeit entscheidend“, berichten Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Sie kommen zu dem Schluss, dass nicht nur die Verschärfung der Emissionsobergrenzen den Preis von unter 10 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2017 auf etwa 80 Euro 2022 ansteigen ließ. Ausschlaggebend gewesen sei auch ein „stärkeres politisches Bekenntnis zum ETS“.

Unternehmen handeln vorausschauender

Die ETS-Reformen in den vergangenen Jahren hätte die Glaubwürdigkeit des Handelssystems erhöht und Unternehmen dazu gebracht, ihr Marktverhalten an langfristigen Klimazielen auszurichten. Unternehmen begannen, vorausschauender zu handeln und kurzfristig weniger CO2 auszustoßen, um Zertifikate für eine spätere Nutzung aufzubewahren, resümieren die Wissenschaftler. „Alles, was der langfristigen Glaubwürdigkeit von Klimazielen schadet, könnte im Gegenzug dazu führen, dass die CO2-Preise im ETS kurzfristig wieder einbrechen und unzureichend in Klimaschutz investiert wird“, sagt PIK-Expertin Joanna Sitarz.

Sie und ihre Kollegen haben modelliert, welche Kohlenstoffpreise sich aus den Emissionsobergrenzen ergeben. Und das unter zwei Annahmen. Im ersten Fall gingen die Forschenden davon aus, dass Unternehmen vorausschauend agieren und berücksichtigen, dass Zertifikate in Zukunft knapp werden. Im anderen Fall nahmen sie an, dass sich eine Konzentration auf kurzfristige Entwicklungen erfolgt. Die Modellierung schließt zeitlich zwei ETS-Reformen ein: die Reform der Marktstabilitätsreserve im Jahr 2018 und das Klimaschutzpaket „Fit for 55“, das die EU vor drei Jahren geschnürt hat.

Mit ihrem Modellansatz für kurzfristig handelnde Unternehmen ermittelten die PIK-Wissenschaftler CO2-Preise, die in etwa mit denen aus der Zeit vor 2018 überstimmen. „Die Firmen zweifelten wahrscheinlich an der langfristigen Glaubwürdigkeit der Klimapolitik und handelten hauptsächlich im Hinblick auf die kurzfristige Emissionsobergrenze“, sagt Robert Pietzcker, Mitautor der Studie. Die Preisentwicklung im Zuge der Reform konnte im Modell nicht allein durch die Änderung der Emissionsobergrenze nachvollzogen werden.

Stabilisierung durch „zeitnahe Verknappung des Angebots“

„Nach der Reform stiegen die Preise in der realen Welt stark an. Im Modell bewirkte die Änderung der Emissions-Obergrenzen jedoch nur einen geringen Preisanstieg, wenn wir von Unternehmen ausgingen, die kurzfristig handeln ohne langfristige Knappheiten zu berücksichtigen“, so Pietzcker. Bei einer Umstellung des Modells auf langfristig handelnde Akteure habe man den real beobachteten Preisanstieg reproduzieren können. Auch den Preisanstieg nach dem Fit-for-55-Paket konnten die Studienautoren mit ihrem Modellansatz für vorausschauend handelnde Unternehmen simulieren.

„Politische Entscheidungsträger sollten bedenken, dass ein Preisrückgang nicht nur signalisieren kann, dass Emissionsreduzierungen weniger kosten, sondern auch darauf hindeuten könnte, dass Unternehmen die langfristige Emissions-Obergrenze weniger glaubwürdig finden. Der jüngste Rückgang der CO2-Preise könnte auch auf Zweiteres zurückzuführen sein“, so PIK-Forscher Michael Pahle. Bestehende Mechanismen zur Stabilisierung des Emissionshandel-Marktes sollten darauf ausgerichtet werden, „den CO2-Preis im Fall sinkender Glaubwürdigkeit zum Beispiel durch zeitnahe Verknappung des Angebots zu stabilisieren“, empfiehlt er.
 

Manfred Fischer
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Freitag, 31.05.2024, 13:42 Uhr

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