
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe dafür gesorgt, dass das Thema sichere Energieversorgung gerade im Mittelpunkt
aller Überlegungen stehe, betonte Bayernwerk-Vorstandsvorsitzender Egon Leo Westphal am 4. Mai in Regensburg vor Journalisten. Und er erinnerte daran, dass das Thema in der Vergangenheit leider oft nur am Rande interessiert habe. Aber auch daran, dass
der gesamte Umbau der Systeme auf erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren die Versorgungssicherheit nie beeinträchtigt
habe. Jetzt würden die Erneuerbaren als Freiheitsenergien bezeichnet, was pathetisch klinge, aber zutreffe: „Sie können unsere
Abhängigkeit von den ausländischen Rohstoffen Gas, Öl und Kohle weiter eindämmen.“
Als Achillesferse bezeichnete Westphal das Gas. Positiv sei immerhin, dass man gut durch den Winter gekommen sei und die Speicher
wieder gefüllt werden. Allerdings wäre es wohl besser gewesen, wenn man dem Thema schon früher mehr Aufmerksamkeit gewidmet
hätte.
Ausbauziele immer ambitionierter
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie ging der Vorstandsvorsitzende auf die immer ambitionierteren Ausbauziele
ein. Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung sollen bereits im Jahr 2030 rund 80 % des Bruttostromverbrauchs von 600
Mrd. kWh aus regenerativer Erzeugung stammen. Bei Photovoltaik sehen sie Ausbauraten von bis zu 22.000 MW pro Jahr vor, sodass
bis 2030 etwa 215.000 MW aus Solaranlagen zur Verfügung stehen sollen. Heute sind es 59.000 MW im Bestand, die Zubaurate beträgt
aktuell jährlich 5.300 MW.
Westphal machte im Laufe seiner Rede bei der Jahrespressekonferenz immer wieder deutlich, dass sein Unternehmen diese Ausbaupläne
unterstütze und gutheiße. Allerdings auch, was sie bedeuten: Eine Vervierfachung des jährlichen PV-Zubaus. Was wiederum konkret
so aussieht: Jeden Tag müssten 30 Fußballfelder mit Solaranlagen bebaut werden. Ab sofort – und sieben Tage die Woche.
Allerdings sei schon vor dem Krieg in der Ukraine eine „Neupositionierung“ in der Gesellschaft spürbar gewesen, was die Erneuerbaren
angeht. Seit dem Jahr 2020 wurden neue PV-Anlagen mit 9.000 MW im eigenen Netz angeschlossen, aktuell lägen Anschlussanträge
mit einem Volumen von 15.000 MW vor – die zehnfache Leistung des Kernkraftwerks Isar 2. Und die politische Neupositionierung
lasse noch weitere Dynamik erwarten.
Kritik übte Westphal daran, dass die Politik dem Netzausbau zu wenig Beachtung schenke. Dabei sei das Netz der eigentliche
Schlüssel zum Erfolg der Energiewende, ohne einen massiven Ausbau werde die Umsetzung der Energiezukunft nicht gelingen. Welche
Dimension das Thema hat, verdeutlichte er mit Blick auf die Umspannwerke. Bis 2040 müssten 600 neue gebaut werden – 300 sind
aktuell beim Bayernwerk in Betrieb. Und: Eine kürzlich in Betrieb genommene Anlage in Postbauer-Heng habe von der Planung
bis zur Fertigstellung 40 Monate gebraucht – und das sei vergleichsweise schnell gewesen.
„Das, was wir an Netzinfrastruktur in den nächsten Jahren neu schaffen, um die Energiezukunft in Bayern zu stemmen, lässt
sich auf einen einfachen Nenner bringen: Wir bauen in den nächsten 15 bis 20 Jahren ein weiteres Bayerwerk“, betonte Westphal.
Rekordinvestitionen geplant
Melanie Wiese, im Bayernwerk-Vorstand verantwortlich für Finanzen, Materialwirtschaft und IT, verwies auf ein Rekordbuget
im vergangenen Jahr für den Netzausbau von 650 Mio. Euro. In diesem Jahr sind 680 Mio. Euro eingeplant, 750 Mio. Euro sollen es im nächsten sein und 815 Mio. Euro 2024. Von 2020 bis 2024 stecke man damit 4 Mrd. Euro in das regionale
Verteilnetz. Wobei sie zu verstehen gab, dass diese Planung im vergangenen November gemacht wurde. In Anbetracht der aktuellen
Situation seien eher noch höhere Beträge wahrscheinlich. Sorge bereitet ihr bei den Ausbaumaßnahmen allerdings der Fachkräftemangel.
Hier gelte es, intelligente Lösung über IT und Digitalisierung zu finden, um gegenzusteuern.
Vorstand Andreas Ladda, zuständig für Personal und Markt, ging auf nachhaltige Energielösungen ein, die das Unternehmen seinen
Kunden wie Kommunen oder Industriebetrieben anbietet. Mit Standardisierung wolle man der wachsenden Komplexität in diesem
Bereich begegnen. Zu den Angeboten gehören regionale Strommärkte oder Energieportale, mit denen Städte und Gemeinden sich
über ein digitales Abbild einen Überblick über den Zustand ihrer Anlagen machen können. Auch bei der Quartiersentwicklung
wolle man neue Maßstäbe setzen und hier ab 2030 keine fossilen Brennstoffe mehr einplanen.
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Mittwoch, 04.05.2022, 16:09 Uhr