
Alternativen zum Erdgas
Biogas ist ein naheliegender Erdgasersatz. Derzeit wird Biogas zumeist aus Deutschlands rund 9.200 Biogasanlagen in Blockheizkraftwerken (BHKW) vor Ort in Strom umgewandelt. Diese BHKW mit einer Gesamtleistung von etwa 4.200 MW − vergleichbar mit vier Kernkraftwerken − sind direkt an Biogasanlagen angebunden. Der Hauptgrund dafür ist finanzieller Natur: Betreiber erhalten für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Strom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Vergütung, die jährlich etwa 9 Milliarden Euro für alle Biogasanlagen beträgt.
Im Gegensatz dazu wird Biogas, das gereinigt und als Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist wird, nur zum normalen Erdgaspreis vergütet. Das ist weniger profitabel. Die aktuellen Erdgaspreise an der Leipziger Energiebörse EEX liegen zwischen 32 und 57 Euro/MWh, während Biomethan, das für das Erdgasnetz aufbereitet wird, im Minimum rund 80 Euro/MWh kostet. Dies macht seine Nutzung im Erdgasnetz unwirtschaftlich.
Biomethan spielt daher im Wärmemarkt kaum eine Rolle. In Baden-Württemberg gibt es zwar eine Vorschrift, die bei Sanierungen die Nutzung von Biomethan zu zwei Dritteln fordert, aber auch das schafft keinen großen Markt. In anderen Bundesländern fehlen solche Regelungen. Im Gebäudeenergiegesetz wird die Nutzung von Biomethan nun zumindest bundesweit einheitlich erlaubt.
Dennoch: Aktuell gibt es nur wenige Tarife in Deutschland, die reines Biogas aus lokalen Anlagen anbieten. Die „BALANCE VNG Bioenergie GmbH“, eine Tochtergesellschaft des Leipziger Erdgaskonzerns VNG AG, setzt jedoch auf Biomethan im Wärmemarkt. Sie betreibt 40 Biogasanlagen in Mittel- und Norddeutschland, von denen zehn Biomethan ins Gasnetz einspeisen und nahe gelegene Wärmenetze versorgen.
Biogas könnte theoretisch bis zu 10 Prozent der ehemaligen russischen Erdgasimporte ersetzen, mit Potenzial zur Steigerung auf 20 Prozent. Die derzeitige Vergütungspolitik für Strom steht jedoch einer stärkeren Nutzung von Biogas im Wege.
Wasserstoff vorrangig für industrielle Anwendungen
Auch wegen dieser eher geringen Potenziale von Biogas gilt Wasserstoff als die Alternative Nummer eins. Das flüchtige Element
lässt sich aber nur schwer in ein netzgebundenes Energiesystem integrieren. Am ehesten eignen sich noch die Verteilnetze.
Sie bestehen meist aus Polyethylen und werden mit niedrigem Druck betrieben. Dadurch wird die Diffusionsfreudigkeit von Wasserstoff
deutlich gehemmt. Ein Praxistest, wie er seit 2017 für die Verteilnetze mit dem Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen im Auftrag
des Cottbuser Netzbetreibers Mitnetz Gas durchgeführt wird, steht für Fernleitungen noch aus.
Die Fernleitungsnetze bestehen aus Stahl und werden mit deutlich höheren Drücken betrieben. Dennoch deklarierte der Deutsche
Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) jüngst pauschal alle Ferngasrohrleitungen als wasserstofftauglich.
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Quelle: E&M/Frank Urbansky
Wenn Wasserstoff ein echter Ersatz für Erdgas sein soll, muss er umweltfreundlich hergestellt werden. 98 Prozent des Wasserstoffs werden weltweit derzeit durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen. Künftig soll die Herstellung
auf der Elektrolyse basieren. Doch das ist teuer. An der Leipziger Energiebörse EEX gibt es bereits einen H2-Index für Elektrolysewasserstoff,
den „Hydrix“. Dort sind die Preise derzeit mit um die 225 Euro/MWh mehr als dreimal so hoch wie für Wasserstoff aus der Dampfreformierung.
Und das schlägt auch den Kunden aufs Gemüt. Die Raffinerie Heide (Schleswig-Holstein) hat im November vergangenen Jahres den
Bau eines 30-MW-Elektrolyseurs gestoppt. Er wäre so groß gewesen, dass er nicht nur die Raffinerie, sondern auch umliegende
Interessenten mit Wasserstoff hätte versorgen können. Doch die prognostizierten Kosten wären am Markt nicht vermittelbar gewesen.
Importe wären nötig
Nach Plänen der Nationalen Wasserstoffstrategie sollen in Deutschland 30 bis 50 Prozent des grünen Wasserstoffs produziert werden. Wird das Land als Produktionsstandort an den Rand gedrängt, helfen nur
Importe. Dafür kommen vor allem Länder in der südlichen Hemisphäre wie Chile oder Namibia oder der südliche Mittelmeerraum
infrage. Hier gibt es genügend Wind- und Sonnenenergie, aber auch eine weniger drastisch regulierte Energiewirtschaft als
hierzulande, die zwangsläufig zu hohen Preisen führt.
Bleibt die Frage des Transports. Wasserstoff bei minus 252 Grad Celsius tiefgekühlt über die Meere zu transportieren, wäre zu teuer und technisch kaum machbar. Die Verflüssigung von
Wasserstoff ist zudem energetisch ineffizient, da sie 30 bis 40 Prozent zusätzliche Energie erfordert.
Eine Alternative ist deswegen die Speicherung und der Transport von Wasserstoff unter hohem Druck, typischerweise bei mindestens
700 bar, wobei auch 1.000 bar angedacht sind. Dieser Komprimierungsprozess benötigt jedoch ebenfalls zusätzliche Energie, etwa 5 bis 15 Prozent der Wasserstoffenergie.
Außerdem ergeben sich bei hohem Druck erhebliche Sicherheitsrisiken, die hohe und kostenintensive Sicherheitsanforderungen nach sich
ziehen.
Ein erstes Großprojekt − das „World Energy GH2“ −, mit dem Kanada unter anderem Deutschland ab 2025 beliefern wollte, ist auch aus diesen Gründen schon mal ins Stocken geraten. Jetzt werden erste Lieferungen
für 2027 avisiert.
Deswegen gibt es Überlegungen, den Wasserstoff in Methanol oder Ammoniak zu binden und so zu transportieren. Beide Stoffe
wären aufgrund ihrer Brennbarkeit zudem selbst gute Energieträger.
Methanol auch direkt als Brennstoff nutzbar
Grünes Methanol, produziert in sonnenreichen Äquatorregionen, bietet viele Vorteile als Energiequelle. Es kann effizient aus
Wasserstoff gewonnen werden, wobei der benötigte Kohlenstoff aus dem Klimagas CO2 stammt. Seine flüssige Form machen Transport
und Handhabung ähnlich unkompliziert wie bei Erdöl und dessen Derivaten.
Methanol kann auch als Wasserstoffspeicher dienen, denn die Wasserstoffatome lassen sich durch Katalysatoren ohne Verbrennung
abtrennen. Das macht es zu einer attraktiven Option für den Schiffstransport, da die Risiken der Wasserstoffspeicherung durch
Druck oder Verflüssigung entfallen. Methanol ist für Menschen zudem weniger schädlich. Schließlich erfordert es keine großen
Infrastrukturinvestitionen, da es in bestehenden Transportmitteln und an vorhandenen Tankstellen verwendet werden kann.
Als Treibstoff in Verbrennungsmotoren setzt es hocheffizient Energie frei, ohne Schadstoffe außer CO2 zu emittieren. Wird
dieses CO2 aus der Atmosphäre entnommen, ist der Prozess CO2-neutral. Methanol besitzt eine höhere Klopffestigkeit als Diesel,
was einen um etwa 20 Prozent höheren Wirkungsgrad in Verbrennungsmotoren ermöglicht. Es kann auch in Brennstoffzellen verwendet werden, wo der
Wirkungsgrad dem von Wasserstoff ähnelt.
Daher stellt sich die Frage, ob Methanol nicht direkt genutzt werden sollte, anstatt es wieder zu regasifizieren, auch wenn es nur den halben
Brennwert von Benzin hat. Methanol ist flüssig und kann die bestehende Erdölinfrastruktur für Transport und Lagerung nutzen.
Ammoniak wahrscheinlich nur für Insellösungen
Auch Ammoniak kommt als Transportmedium für Wasserstoff infrage. Im Gegensatz zu Methanol hat es jedoch einige gravierende
Nachteile. Der größte wäre wie beim Wasserstoff eine eigene Infrastruktur, die aber außerhalb der chemischen Industrie noch nicht existiert. Ammoniak ist korrosiver, toxischer
und extrem umweltschädlich. Auch die direkte Verwendung als Brennstoff ist wegen der Bildung von Stickoxiden nicht unproblematisch.
Neben diesen technischen Schwierigkeiten gibt es auch politische und rechtliche Hürden für Wasserstoff als Erdgasersatz. Negativ
könnten sich die aktuellen Haushaltsdefizite auswirken. Denn das Wasserstoffkernnetz mit insgesamt 9.800 Kilometern (davon 40 Prozent im Neubau) soll zwar grundsätzlich über Netzentgelte finanziert werden. Bis diese aber erhoben werden können, braucht
es eine Anschubfinanzierung. Und die wäre ausgerechnet aus dem Klima- und Energiefonds gekommen, der nun erst einmal geschlossen
ist.
In anderen Bereichen schwindet ebenfalls die Hoffnung auf den Einsatz von grünem Wasserstoff. Niedersachsen hat 2023 alle
Versuche mit Brennstoffzellenzügen gestoppt, welche die Dieselloks hätten ersetzen sollen. Auch hier sind batterieelektrische
Lösungen günstiger. Und Dänemark hat Ende 2023 aufgrund zu geringer Nachfrage seine Wasserstofftankstellen geschlossen.
Fazit: Erdgas, das aktuell gut 24 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland bedient, wird nicht durch andere gasförmige Energieträger komplett ersetzt
werden können. Hier braucht es andere Brennstoffe oder strombasierte Technologien.
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Quelle: E&M/Frank Urbansky
Dienstag, 16.01.2024, 08:27 Uhr