E&M VOR 20 JAHREN:
Warten auf die Steuerbefreiung
Vor 20 Jahren war die Kohlelobby noch stark. Doch nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass GuD-Kraftwerke mehr Flexibilität und Effizienz ins Erzeugungsportfolio bringen.
Im Jahr 2002 gingen viele in der Energiebranche davon aus, dass der Bundestag noch vor der Sommerpause eine fünfjährige Erdgassteuerbefreiung
für hocheffiziente und vergleichsweise wenig CO2 emittierenden Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD-Kraftwerke) beschließen
würde. Gleichzeitig blieb aber weiter unklar, ob Investoren sich dann überhaupt zum Bau entschließen würden. Gleichzeitig
versuchten politische Entscheidungsträger, die Technologie auszubremsen, die bei entsprechenden Rahmenbedingungen in der Lage
war, auch den Atomkraftwerken in der Grundlast Konkurrenz zu machen.
E&M-Chefreporter Ralf Köpke gab 2002 einen Überblick über die geplanten Projekte.
Herbert Aly, Geschäftsführer der Concord Power GmbH, hätte Anfang Mai eigentlich feiern müssen: Das Oberverwaltungsgericht Greifswald wies die Klage der Umweltverbände Nabu und BUND gegen die Teilgenehmigung des GuD-Kraftwerks mit 1 200 MW Leistung, das die Concord in Lubmin bauen will, zurück. Eine Beteiligung der Verbände an dem Genehmigungsverfahren sei nicht notwendig, entschieden die Richter. Es handelt sich übrigens um einen Standort voller Symbolik: Auf dem rund 15 Kilometer nordöstlich von Greifswald gelegenen Gelände wird gerade der alte DDR-Atommeiler KKW Nord demontiert.
Richtig freuen kann sich Aly aber nicht. Bei dem seit Mitte 1996 geplanten Projekt eines hocheffektiven, mit Erdgas betriebenen Grundlastkraftwerks ist nämlich immer noch nicht sicher, ob es wirtschaftlich realisierbar ist. Rund 70 Prozent der Kosten werden bei dem in Lubmin geplanten GuD-Kraftwerk auf den Brennstoff entfallen, rechnet der Manager vor. Die Concord-Macher gehen davon aus, dass sie nicht die ans Heizöl gekoppelten Gaspreise bezahlen müssen. „Es wird sich ein eigener Gasmarkt für Kraftwerke entwickeln“, sagt Aly.
Mit seinem Lubmin-Projekt wäre er ein begehrter Großkunde: Der prognostizierte Jahresbedarf von gut 2 Mrd. m3 entspricht nach Concord-Angaben in etwa einem Zehntel des gesamten Erdgasverbrauchs in Ostdeutschland. Allerdings muss für das im Kraftwerk eingesetzte Erdgas Mineralölsteuer gezahlt werden, während Kohle- und Kernkraftwerke nicht mit einer Brennstoffsteuer belastet werden. In zehn Jahren summiere sich in Lubmin der Wettbewerbsnachteil auf 200 Mio. Euro.
Um eine Mineralölsteuerbefreiung wird bereits seit Jahren gestritten. Weil sie in der mit relativ geringen CO2-Emissionen behafteten GuD-Technik eine Alternative zu Atomreaktoren sehen, drängten die Bündnisgrünen im Herbst 1999 bei den Beratungen zur zweiten Stufe der Ökosteuerreform darauf, endlich auch bei Gaskraftwerken auf eine Brennstoffsteuer zu verzichten – zumindest dann, wenn sie es auf einen Wirkungsgrad von 55 Prozent bringen. Das Vorhaben hätte diesen Strom um rund 0,3 Ct/kWh verbilligt und damit die GuD-Kraftwerke auch bei der Erzeugung von Grundlaststrom konkurrenzfähig gemacht.
Düsseldorf und Brüssel als GuD-Bremser
Doch der Plan alarmierte die Kohlelobby in Düsseldorf und in Berlin und stellte die rot-grüne Bundesregierung vor eine regelrechte Zerreißprobe. Er sei „das Trojanische Pferd zur Zerstörung unserer einheimischen Energiebasis“ polterten mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Revier. Wolfgang Clement, der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, schuf Fakten: In mehreren Gesprächen mit dem Kanzleramt schraubte der Kohlefreund nicht nur den für die Mineralölsteuer-Befreiung notwendigen Wirkungsgrad schrittweise von 55 auf 57,5 Prozent hoch; er setzte zudem eine zeitliche Befristung durch. Nur jene Kombianlagen, die bis Ende März 2003 ans Netz gehen, sollten in den Genuss einer zehnjährigen Steuerbefreiung kommen.
Freilich half nicht nur das Kanzleramt Clement beim Ausbremsen der GuD-Technik, sondern auch Brüssel. Weil er einen Beihilfetatbestand witterte, ließ sich Wettbewerbskommissar Mario Monti nur zu einer fünfjährigen Steuerbefreiung bewegen. Selbst dieses hart errungene Zugeständnis hat die Bundesregierung noch nicht in Gesetzesform gegossen. Anfang Juli soll es soweit sein.
Für Aly ist das eine Enttäuschung: „Wir müssen einfach einsehen, dass es in dieser Republik Kräfte gibt, die es geschafft haben, die für die GuD-Kraftwerke notwendige zehnjährige Steuerbefreiung zu verhindern.“ Auch wenn der Bundestag seine Zustimmung für die fünfjährige Steuerbefreiung gibt, ist noch nicht klar, ob Concord Power, an der die Energie Baden-Württemberg Kraftwerke AG (EnBW) zur Hälfte beteiligt ist, die Investitionsentscheidung für das 600-Mio.-Euro-Projekt fällt. „Über uns hängt wie ein Damoklesschwert, dass es in Brüssel noch einmal zu einem Hauptbeihilfeverfahren kommt“, beschreibt Aly die nächste mögliche Hürde. Das administrative Procedere einer Prüfung, das zwölf und mehr Monaten dauern kann, würde den Zeitplan für das Lubmim-Projekt kippen. Der Vorschlag der Bundesregierung sieht nämlich vor, dass es die fünfjährige Steuerbefreiung nur für Kraftwerke geben wird, die aller spätestens bis Ende September 2005 ans Netz gegangen sind. Die NRW-Landesregierung drängt allerdings darauf, die Frist noch um ein Jahr zu verkürzen.
„Mit gestuften Investitionsentscheidungen können wir den Termin halten, wenn Brüssel nicht dazwischenfunkt“, meint Aly. Dass die Wettbewerbshüter unter Mario Monti überhaupt ins Spiel kommen, hat der Energiemanager pikanterweise seinem früheren Partner, dem Vattenfall-Konzern zu verdanken. Bis zu deren Übernahme der Hamburgischen Electricitäts-Werke waren die Schweden Partner der Vasa Energy GmbH, in deren Diensten auch Aly stand.
Nun, da Vattenfall mit der HEW, der Berliner Bewag, der Veag und der Laubag die „Dritte Kraft“ zusammengeschweißt hat, will das Management um Klaus Rauscher die Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland vor überlegener technischer Konkurrenz schützen. Wie das aussieht, hat Concord-Lenker Aly schon erfahren müssen: „In Brüssel wird kolportiert, dass GuD-Kraftwerke mit 57,5 Prozent Wirkungsgrad längst Stand der Technik sind und deshalb eine Steuerbefreiung völlig überflüssig ist.“
Nicht nur die Braunkohle-Lobby wehrt sich gegen die hocheffizienten Kraftwerke, auch die Steinkohle macht mobil. Anfang März kündigte Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold an, mit Landesmitteln die Entwicklung eines Steinkohlekraftwerkes bis 2010 zu fördern, das es gleichwohl nur auf einen Wirkungsgrad von 47 Prozent bringen soll. Diesen Wirkungsgrad hätte allerdings bereits der 329-MW-Steinkohleblock D im Kraftwerk Westfalen erreichen sollen, für den die Dortmunder VEW Energie 1999 Lieferoptionen für die Hauptkomponenten vergeben hatte. Das ehrgeizige Projekt verschwand nach der Fusion der VEW mit RWE in den Schubladen, weil es in Konkurrenz zu den reichlich vorhandenen, weitgehend abgeschriebenen Kraftwerken des Konzerns nicht wirtschaftlich wäre.
GuD-Pläne schlummern in Schubladen
Über eine Unterstützung seiner Landesregierung hätte sich auch Hermann Kamperhoff gefreut. Der geschäftsführende Gesellschafter der BAW Holding West GmbH aus Castrop-Rauxel, die im Importkohlehandel und in der Kokskohleaufbereitung tätig ist und früher ein kleines Zechen-Kraftwerk betrieben hatte, überraschte die Energiewelt vor dem Jahrtausendwechsel mit einem ehrgeizigen Projekt: Zusammen mit dem japanischen Handelshaus Marubeni Corporation und dem amerikanische Energie-Trader Dynegy Inc. aus Houston plante der BAW-Mann, zwei GuD-Kaftwerke im Wert von zusammen mehr als 700 Mio. Euro zu bauen und zu betreiben. Mitte 2003, so die damalige Ankündigung, sollten die Kombianlagen im westmünsterländischen Ahaus (Leistung 800 MW) und in Dortmund (400 MW) den ersten Strom erzeugen. Die Neubaupläne in Ahaus und Dortmund liegen inzwischen auf Eis – und nicht nur, weil das Dreier-Konsortium sich zerstritten hat. „Ohne eine Befreiung von der Mineralölsteuer wird sich hierzulande momentan kein Gaskraftwerk rechnen“, musste BAW-Chef Kamperhoff erkennen. Mittlerweile hat er sich von einem der beiden Projekte verabschiedet: „Uns ist immer wieder recht deutlich zu verstehen gegeben worden, dass wir in NRW unerwünscht sind.“
Ebenfalls im Kohleland NRW, und zwar im Chemiepark Knapsack bei Köln, plant die InterGen Power GmbH und Co. KG ein 800-MW-GuD-Kraftwerk. Die deutsche Niederlassung des 1995 gegründeten internationalen Konzerns InterGen, der eine Tochter von Shell und Bechtel ist und nach eigenen Angaben derzeit weltweit 21 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von über 15 000 MW baut und betreibt, hat das 400 Mio. Euro teure Projekt im Dezember 2000 von der britischen Powergen übernommen. Projektleiter Matthew Brett rechnet optimistisch mit einem Baubeginn Ende 2002 und der Inbetriebnahme der beiden Siemens-Gasturbinen vom Typ V.94.3A Anfang 2005.
Der finnische Fortum-Konzern hat hingegen seine Pläne, sich im deutschen Markt als unabhängiger Stromerzeuger zu etablieren, ad acta gelegt. Auch er wollte in Lubmin, in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Concorde, ein GuD-Grundlastkraftwerk bauen. Die Finnen, von den Wettbewerbshemmnissen in Deutschland frustriert, haben nicht nur das Lubmin-Projekt aufgegeben, sondern im April auch ihre Tochter Fortum Energie samt der Beteiligung am Elektrizitätswerk Wesertal an die Münchner Eon Energie verkauft. Für das im Juni 2001 in Betrieb genommene Fortum Kraftwerk Burghausen (FKB) wird noch nach einem Käufer gesucht. Das 120-MW-GuD-Kraftwerk muss allerdings für das eingesetzte Erdgas keine Mineralölsteuer zahlen, weil es Dampf und Heizwärme an das Werk Burghausen der Wacker-Chemie liefert und dadurch einen Brennstoffnutzungsgrad von mindestens 70 Prozent erreicht. Das zeitlich unbegrenzte Steuerprivileg für solche Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen hat der EU-Wettbewerbskommissar Monti bereits passieren lassen.
E&M-Chefreporter Ralf Köpke gab 2002 einen Überblick über die geplanten Projekte.
Herbert Aly, Geschäftsführer der Concord Power GmbH, hätte Anfang Mai eigentlich feiern müssen: Das Oberverwaltungsgericht Greifswald wies die Klage der Umweltverbände Nabu und BUND gegen die Teilgenehmigung des GuD-Kraftwerks mit 1 200 MW Leistung, das die Concord in Lubmin bauen will, zurück. Eine Beteiligung der Verbände an dem Genehmigungsverfahren sei nicht notwendig, entschieden die Richter. Es handelt sich übrigens um einen Standort voller Symbolik: Auf dem rund 15 Kilometer nordöstlich von Greifswald gelegenen Gelände wird gerade der alte DDR-Atommeiler KKW Nord demontiert.
Richtig freuen kann sich Aly aber nicht. Bei dem seit Mitte 1996 geplanten Projekt eines hocheffektiven, mit Erdgas betriebenen Grundlastkraftwerks ist nämlich immer noch nicht sicher, ob es wirtschaftlich realisierbar ist. Rund 70 Prozent der Kosten werden bei dem in Lubmin geplanten GuD-Kraftwerk auf den Brennstoff entfallen, rechnet der Manager vor. Die Concord-Macher gehen davon aus, dass sie nicht die ans Heizöl gekoppelten Gaspreise bezahlen müssen. „Es wird sich ein eigener Gasmarkt für Kraftwerke entwickeln“, sagt Aly.
Mit seinem Lubmin-Projekt wäre er ein begehrter Großkunde: Der prognostizierte Jahresbedarf von gut 2 Mrd. m3 entspricht nach Concord-Angaben in etwa einem Zehntel des gesamten Erdgasverbrauchs in Ostdeutschland. Allerdings muss für das im Kraftwerk eingesetzte Erdgas Mineralölsteuer gezahlt werden, während Kohle- und Kernkraftwerke nicht mit einer Brennstoffsteuer belastet werden. In zehn Jahren summiere sich in Lubmin der Wettbewerbsnachteil auf 200 Mio. Euro.
Um eine Mineralölsteuerbefreiung wird bereits seit Jahren gestritten. Weil sie in der mit relativ geringen CO2-Emissionen behafteten GuD-Technik eine Alternative zu Atomreaktoren sehen, drängten die Bündnisgrünen im Herbst 1999 bei den Beratungen zur zweiten Stufe der Ökosteuerreform darauf, endlich auch bei Gaskraftwerken auf eine Brennstoffsteuer zu verzichten – zumindest dann, wenn sie es auf einen Wirkungsgrad von 55 Prozent bringen. Das Vorhaben hätte diesen Strom um rund 0,3 Ct/kWh verbilligt und damit die GuD-Kraftwerke auch bei der Erzeugung von Grundlaststrom konkurrenzfähig gemacht.
Düsseldorf und Brüssel als GuD-Bremser
Doch der Plan alarmierte die Kohlelobby in Düsseldorf und in Berlin und stellte die rot-grüne Bundesregierung vor eine regelrechte Zerreißprobe. Er sei „das Trojanische Pferd zur Zerstörung unserer einheimischen Energiebasis“ polterten mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Revier. Wolfgang Clement, der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, schuf Fakten: In mehreren Gesprächen mit dem Kanzleramt schraubte der Kohlefreund nicht nur den für die Mineralölsteuer-Befreiung notwendigen Wirkungsgrad schrittweise von 55 auf 57,5 Prozent hoch; er setzte zudem eine zeitliche Befristung durch. Nur jene Kombianlagen, die bis Ende März 2003 ans Netz gehen, sollten in den Genuss einer zehnjährigen Steuerbefreiung kommen.
Freilich half nicht nur das Kanzleramt Clement beim Ausbremsen der GuD-Technik, sondern auch Brüssel. Weil er einen Beihilfetatbestand witterte, ließ sich Wettbewerbskommissar Mario Monti nur zu einer fünfjährigen Steuerbefreiung bewegen. Selbst dieses hart errungene Zugeständnis hat die Bundesregierung noch nicht in Gesetzesform gegossen. Anfang Juli soll es soweit sein.
Für Aly ist das eine Enttäuschung: „Wir müssen einfach einsehen, dass es in dieser Republik Kräfte gibt, die es geschafft haben, die für die GuD-Kraftwerke notwendige zehnjährige Steuerbefreiung zu verhindern.“ Auch wenn der Bundestag seine Zustimmung für die fünfjährige Steuerbefreiung gibt, ist noch nicht klar, ob Concord Power, an der die Energie Baden-Württemberg Kraftwerke AG (EnBW) zur Hälfte beteiligt ist, die Investitionsentscheidung für das 600-Mio.-Euro-Projekt fällt. „Über uns hängt wie ein Damoklesschwert, dass es in Brüssel noch einmal zu einem Hauptbeihilfeverfahren kommt“, beschreibt Aly die nächste mögliche Hürde. Das administrative Procedere einer Prüfung, das zwölf und mehr Monaten dauern kann, würde den Zeitplan für das Lubmim-Projekt kippen. Der Vorschlag der Bundesregierung sieht nämlich vor, dass es die fünfjährige Steuerbefreiung nur für Kraftwerke geben wird, die aller spätestens bis Ende September 2005 ans Netz gegangen sind. Die NRW-Landesregierung drängt allerdings darauf, die Frist noch um ein Jahr zu verkürzen.
„Mit gestuften Investitionsentscheidungen können wir den Termin halten, wenn Brüssel nicht dazwischenfunkt“, meint Aly. Dass die Wettbewerbshüter unter Mario Monti überhaupt ins Spiel kommen, hat der Energiemanager pikanterweise seinem früheren Partner, dem Vattenfall-Konzern zu verdanken. Bis zu deren Übernahme der Hamburgischen Electricitäts-Werke waren die Schweden Partner der Vasa Energy GmbH, in deren Diensten auch Aly stand.
Nun, da Vattenfall mit der HEW, der Berliner Bewag, der Veag und der Laubag die „Dritte Kraft“ zusammengeschweißt hat, will das Management um Klaus Rauscher die Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland vor überlegener technischer Konkurrenz schützen. Wie das aussieht, hat Concord-Lenker Aly schon erfahren müssen: „In Brüssel wird kolportiert, dass GuD-Kraftwerke mit 57,5 Prozent Wirkungsgrad längst Stand der Technik sind und deshalb eine Steuerbefreiung völlig überflüssig ist.“
Nicht nur die Braunkohle-Lobby wehrt sich gegen die hocheffizienten Kraftwerke, auch die Steinkohle macht mobil. Anfang März kündigte Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold an, mit Landesmitteln die Entwicklung eines Steinkohlekraftwerkes bis 2010 zu fördern, das es gleichwohl nur auf einen Wirkungsgrad von 47 Prozent bringen soll. Diesen Wirkungsgrad hätte allerdings bereits der 329-MW-Steinkohleblock D im Kraftwerk Westfalen erreichen sollen, für den die Dortmunder VEW Energie 1999 Lieferoptionen für die Hauptkomponenten vergeben hatte. Das ehrgeizige Projekt verschwand nach der Fusion der VEW mit RWE in den Schubladen, weil es in Konkurrenz zu den reichlich vorhandenen, weitgehend abgeschriebenen Kraftwerken des Konzerns nicht wirtschaftlich wäre.
GuD-Pläne schlummern in Schubladen
Über eine Unterstützung seiner Landesregierung hätte sich auch Hermann Kamperhoff gefreut. Der geschäftsführende Gesellschafter der BAW Holding West GmbH aus Castrop-Rauxel, die im Importkohlehandel und in der Kokskohleaufbereitung tätig ist und früher ein kleines Zechen-Kraftwerk betrieben hatte, überraschte die Energiewelt vor dem Jahrtausendwechsel mit einem ehrgeizigen Projekt: Zusammen mit dem japanischen Handelshaus Marubeni Corporation und dem amerikanische Energie-Trader Dynegy Inc. aus Houston plante der BAW-Mann, zwei GuD-Kaftwerke im Wert von zusammen mehr als 700 Mio. Euro zu bauen und zu betreiben. Mitte 2003, so die damalige Ankündigung, sollten die Kombianlagen im westmünsterländischen Ahaus (Leistung 800 MW) und in Dortmund (400 MW) den ersten Strom erzeugen. Die Neubaupläne in Ahaus und Dortmund liegen inzwischen auf Eis – und nicht nur, weil das Dreier-Konsortium sich zerstritten hat. „Ohne eine Befreiung von der Mineralölsteuer wird sich hierzulande momentan kein Gaskraftwerk rechnen“, musste BAW-Chef Kamperhoff erkennen. Mittlerweile hat er sich von einem der beiden Projekte verabschiedet: „Uns ist immer wieder recht deutlich zu verstehen gegeben worden, dass wir in NRW unerwünscht sind.“
Ebenfalls im Kohleland NRW, und zwar im Chemiepark Knapsack bei Köln, plant die InterGen Power GmbH und Co. KG ein 800-MW-GuD-Kraftwerk. Die deutsche Niederlassung des 1995 gegründeten internationalen Konzerns InterGen, der eine Tochter von Shell und Bechtel ist und nach eigenen Angaben derzeit weltweit 21 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von über 15 000 MW baut und betreibt, hat das 400 Mio. Euro teure Projekt im Dezember 2000 von der britischen Powergen übernommen. Projektleiter Matthew Brett rechnet optimistisch mit einem Baubeginn Ende 2002 und der Inbetriebnahme der beiden Siemens-Gasturbinen vom Typ V.94.3A Anfang 2005.
Der finnische Fortum-Konzern hat hingegen seine Pläne, sich im deutschen Markt als unabhängiger Stromerzeuger zu etablieren, ad acta gelegt. Auch er wollte in Lubmin, in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Concorde, ein GuD-Grundlastkraftwerk bauen. Die Finnen, von den Wettbewerbshemmnissen in Deutschland frustriert, haben nicht nur das Lubmin-Projekt aufgegeben, sondern im April auch ihre Tochter Fortum Energie samt der Beteiligung am Elektrizitätswerk Wesertal an die Münchner Eon Energie verkauft. Für das im Juni 2001 in Betrieb genommene Fortum Kraftwerk Burghausen (FKB) wird noch nach einem Käufer gesucht. Das 120-MW-GuD-Kraftwerk muss allerdings für das eingesetzte Erdgas keine Mineralölsteuer zahlen, weil es Dampf und Heizwärme an das Werk Burghausen der Wacker-Chemie liefert und dadurch einen Brennstoffnutzungsgrad von mindestens 70 Prozent erreicht. Das zeitlich unbegrenzte Steuerprivileg für solche Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen hat der EU-Wettbewerbskommissar Monti bereits passieren lassen.
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
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Freitag, 27.05.2022, 16:04 Uhr
Freitag, 27.05.2022, 16:04 Uhr
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