Der Energiekonzern Eon hat bei MM Neuss, einem Unternehmen aus der Papierindustrie, eine „vollautomatisierte, große KWK-Anlage“ in Betrieb genommen. 

 

Die KWK-Anlage wird vollständig automatisiert und zugleich marktorientiert betrieben: Der Eon-Konzern hat eine Groß-KWK-Anlage bei MM Neuss, einem Unternehmen der Mayr-Melnhof Karton Group, in Betrieb genommen. Sie ist laut Eon in dieser Größenordnung die erste KWK-Anlage, die „vollständig über eine intelligente Steuerungslösung geregelt“ wird.

Am Standort Neuss wird die Kartonfabrik von MM Neuss künftig flexibel mit Strom und Wärme versorgt. Zentrales Alleinstellungsmerkmal der neuen Anlage ist laut Eon der hohe Automatisierungsgrad, ermöglicht durch die Energielösung „E.on IQ Energy“. Die integrierte Steuerung vernetzt Kraftwerk, Produktionsprozesse und Netzanschluss in Echtzeit und reagiert dynamisch auf Veränderungen von Marktpreisen, Produktion oder technischen Bedingungen. Die komplett digitalisierte Steuerung erlaubt nach Auskunft des Versorgers zudem einen unbeaufsichtigten Betrieb über bis zu 72 Stunden hinweg.
 
„Durch die Verbindung hochmoderner Kraft-Wärme-Kopplung, digitalisierter Steuerung mit Eon IQ Energy und Wasserstoffbereitschaft schaffen wir eine zukunftssichere Infrastruktur“, zeigt sich Manfred Wirsing, Mitglied der Geschäftsführung der Eon Energy Projects GmbH, überzeugt. Die Anlage sei mehr als nur ein Kraftwerk. „Sie ist ein Leuchtturm moderner Energieinfrastruktur und zeigt, wie industrielle Partner zuverlässig, flexibel und effizient auf ihrem Weg zur Klimaneutralität begleitet werden können.“
 
Die in KWK betriebene Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) erzielt eine elektrische Leistung von 22 MW sowie eine thermische von 59 MW. Damit sollen jährlich bis zu 22.000 Tonnen CO2 im Vergleich zur konventionellen Erzeugung eingespart werden. Hersteller der KWK-Anlage ist Eon selbst. Lieferant der Gasturbine war Solar Turbines, der Modellname lautet Titan 130. Hersteller der Dampfturbine ist TGM Kanis. Ergänzend zur Hauptanlage wurde ein neues Reservekesselsystem installiert, das ebenfalls unbemannt und gesteuert durch technische und marktbezogene Parameter funktioniert, so Eon. 

Ein Speicher gehört in diesem Fall nicht zur Anlage, da sie so flexibel ist, dass sie nahezu in Echtzeit auf sich ändernde Produktionsbedingungen reagieren kann, erklärt der Konzern auf Nachfrage von E&M. Dadurch werde auch das Ausblasen von Dampf auf ein Minimum reduziert. Mit einem Brennstoffnutzungsgrad von bis zu 91 Prozent zähle das Kraftwerk außerdem zu den effizientesten seiner Art. 
 

Eon setzt bei der Anlage von MM Neuss seine eigens entwickelte Plattform Eon IQ Energy ein. Die seit 2018 genutzte Lösung kommt inzwischen auch in weiteren Kundenprojekten der Papier- und Chemieindustrie sowie in Bestandsanlagen bei Eon zum Einsatz und wird aktuell für Rechenzentrumsprojekte weiterentwickelt.
In Neuss übernimmt die Plattform die kontinuierliche Marktbeobachtung, gleicht Strom- und Dampfbedarfe ab und steuert den Anlagenbetrieb in Echtzeit. Über eine Schnittstelle wird der Fahrplan direkt in die Kraftwerksleittechnik übertragen. Die Plattform verknüpft Markt- und Produktionsdaten und optimiert die Strom- und Dampferzeugung vollautomatisch. Sie reagiert flexibel auf Strompreise, indem sie bei niedrigen Preisen Lasten absenkt und bei hohen KWK-Strom ins Netz einspeist.

Die Anlage steuert ohne jegliche manuelle Interaktion die unterschiedlichen Dampf- und Stromerzeuger an und garantiert damit die effizienteste Betriebsweise. „Die Kundenzufriedenheit hinsichtlich Verfügbarkeitsanforderungen steht dabei stets im Vordergrund“, teilte Eon dazu mit. Das bedeutet, sollte ein Erzeuger unvorhergesehen ausfallen, übernehmen die restlichen Erzeuger die Dampfproduktion.

​Plattform steuert den Anlagenbetrieb in Echtzeit

Der Betrieb ist für bis zu 72 Stunden unbeaufsichtigt ausgelegt. Im Störungsfall fährt die Anlage automatisch in einen sicheren Zustand. Ein Eingriff durch Anlagenfahrer ist nach Konzernauskunft lediglich erforderlich, um Störungen zu quittieren oder Startbefehle für die Gasturbine zu erteilen. Ab diesem Punkt fährt die Anlage wieder ohne Eingriffe hoch. 

Der Bau der Anlage begann im September 2022 und wurde im Dezember 2024 abgeschlossen. Eon hat auch den Betrieb übernommen. Bereits beim Bau wurde das Kraftwerk auf Wasserstoffkompatibilität ausgelegt. Schon heute könne ein Wasserstoffanteil von 10 Prozent im Brennstoffgemisch eingesetzt werden. Perspektivisch lasse sich die Anlage auf bis zu 100 Prozent Wasserstoffbetrieb umstellen, heißt es von Eon.

MM Neuss ist ein Unternehmen der Papierindustrie und Teil der Mayr-Melnhof Karton Group. Diese ist einer der weltweit größten Hersteller von gestrichenem Recyclingkarton mit einer wachsenden Position im Segment Frischfaserkarton und weiß gestrichenem Recycling-Liner. Am Standort der MM in Neuss werden pro Jahr etwa 400.000 Tonnen Recycling-Liner und Recyclingkarton in einer Maschine für Recyclingqualitäten produziert. 

Die Anlage auf einen Blick
Betreiber: Mayr-Melnhof Karton Group
Anlage: Die in KWK betriebene Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) erzielt eine elektrische Leistung von 22 MW sowie eine thermische von 59 MW. Die Gasturbine stammt von Solar Turbines (Modellname Titan 130), die Dampfturbine von TGM Kanis
Besonderheit: Die digitalisierte Steuerung erlaubt einen unbeaufsichtigten Betrieb von bis zu 72 Stunden
Einsparung: 22.000 Tonnen CO2 jährlich
Ansprechpartner: Kai Robert Blum, Eon Group Communications & Political Affairs, kairobert.blum@eon.com