
Quelle: Pixabay / Gerd Altmann
REGULIERUNG:
Urteil: Auch BHKW-Inselversorgung muss reguliert werden
Die deutsche Regulierungsausnahme für „Kundenanlagen“ ist nach einem Voraburteil des Europäischen Gerichtshofs so nicht mehr haltbar. Das zumindest meint ein unbeteiligter Fachanwalt.
Auf Betreiber selbst kleinster geschlossener Stromversorgungen mehrerer Kunden in Wohnblocks, auf Flughäfen, an Bahnhöfen,
in Shopping Malls oder Industrieparks kommen womöglich regulatorische Pflichten eines Verteilnetzbetreibers zu. So kann man
ein Voraburteil deuten, das der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 28. November verkündet und danach veröffentlicht hat.
Demnach widerspricht die deutsche Regulierungsausnahme für die oben genannten „Kundenanlagen“ in einem vorab entschiedenen Einzelfall der EU-Strombinnenmarkt-Richtlinie von 2019, die die Entflechtung von Stromverkauf und -durchleitung vorschreibt. Der EuGH beantwortete mit seinem Urteil eine Vorlage des Bundesgerichtshofs, bei dem jetzt folgende Prozessserie weitergehen dürfte:
Engie Deutschland klagt − bisher erfolglos − dafür, dass zwei BHKW samt Leitungsnetz als „Kundenanlagen“ anerkannt werden und vom vorgelagerten Verteilnetzbetreiber (VNB) einen Elektrohauptanschluss und Zählpunkte bekommen. Die BHKW mit 20 kW und 40 kW elektrischer Leistung und geplantem Stromabsatz von 288 und 400 MWh versorgen jeweils einen Wohnblock mit 96 und 160 Wohneinheiten einer Wohnungsbaugenossenschaft im sächsischen Zwickau mit Strom und Wärme über eigene Leitungen. Rechtlich wichtig: Engie erhebt einen einheitlichen Strompreis, ohne Netzentgelt.
Die Anerkennung als Kundenanlage verweigert seit 2019 der − ironischerweise selbst nicht ganz entflochtene − VNB Zwickauer Energieversorgung (ZEV). Die Wohnblocks waren zuvor direkt an das Verteilnetz der ZEV angeschlossen gewesen. Engie hatte mit der Wohnungsbaugenossenschaft ZWG 2020 den Wärmeversorgungsvertrag geschlossen, der noch im selben Jahr in die Erfüllung gehen musste.
Engie ging für den Erhalt des privilegierten Status durch die Instanzen und verlor bisher jedes Mal: 2019 bei der Landesregulierungsbehörde im sächsischen Wirtschaftsministerium und 2020 beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden.
Der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem seitdem Engies Rechtsbeschwerde liegt, war bisher die erste Instanz, die geneigt war, Engie Recht zu geben und damit letztlich die ZEV zu verpflichten, zwei Elektrohauptanschlüsse und Zählpunkte herauszurücken, geht aus den Ausführungen im EuGH-Urteil hervor.
Das dürfte jetzt nach dem Voraburteil, das in die gegenteilige Richtung ging, zumindest in diesem Rechtsstreit nicht mehr möglich sein. Der EuGH hat dem BGH nur überlassen, ob er eine frühere Strombinnenmarkt-Richtlinie von 2012 anwendet. Der Rechtsstreit geht selbstredend nur über den elektrischen Teil der Nahversorgung. Wärmenetze müssen nicht entflochten werden.
Engie teilte auf Anfrage mit, man werte die Entscheidung des EuGH aus und sondiere die möglichen Folgen. Die ZEV begrüßte am 2. Dezember dessen Rechtsauffassung. Die Urteilsbegründung sowie weitere Details und Folgen würden derzeit geprüft. Zur weiteren Prozessdauer könne man keine Aussage treffen.
Verwaltungsrechtler: Gesetzgeber muss nachschärfen
Nach Ansicht von Sebastian Helmes, einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, dessen Großkanzlei Dentons an der Prozessserie nicht beteiligt ist, lässt sich der Einzelfall Zwickau verallgemeinern. Helmes will dies daran erkennen, dass die Begründung des EuGH „sehr grundsätzlich ausgefallen“ sei. Mit der „Privilegierung ,nebenberuflicher Netzbetreiber’ könnte es deswegen nun grundsätzlich vorbei sein“, schreibt er der Presse, „zumindest soweit es um Pflichten geht, die unionsrechtlich verbindlich vorgegeben sind“, etwa die buchhalterische Entflechtung von Stromverkauf- und -transport.
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Es spreche sogar einiges dafür, dass auch die Befreiung der „Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung“, also etwa von Industriekraftwerken zur ausschließlichen Versorgung des konzerneigenen Werkes, EU-rechtswidrig ist. Jetzt sei der deutsche Gesetzgeber gefordert − was wegen der bevorstehenden Neuwahl freilich noch dauere.
Helmes erinnert daran, dass der EuGH vor 16 Jahren die weitergehende Regulierungsausnahme für die „Objektnetze“ gekippt hatte. Damals habe der EuGH aber nur den diskriminierungsfreien Netzzugang behandelt und der Bund im Nachlauf nur an dieser Stelle nachgeschärft.
Der EuGH hat das Voraburteil mit Gründen auf seiner Website veröffentlicht.
Demnach widerspricht die deutsche Regulierungsausnahme für die oben genannten „Kundenanlagen“ in einem vorab entschiedenen Einzelfall der EU-Strombinnenmarkt-Richtlinie von 2019, die die Entflechtung von Stromverkauf und -durchleitung vorschreibt. Der EuGH beantwortete mit seinem Urteil eine Vorlage des Bundesgerichtshofs, bei dem jetzt folgende Prozessserie weitergehen dürfte:
Engie Deutschland klagt − bisher erfolglos − dafür, dass zwei BHKW samt Leitungsnetz als „Kundenanlagen“ anerkannt werden und vom vorgelagerten Verteilnetzbetreiber (VNB) einen Elektrohauptanschluss und Zählpunkte bekommen. Die BHKW mit 20 kW und 40 kW elektrischer Leistung und geplantem Stromabsatz von 288 und 400 MWh versorgen jeweils einen Wohnblock mit 96 und 160 Wohneinheiten einer Wohnungsbaugenossenschaft im sächsischen Zwickau mit Strom und Wärme über eigene Leitungen. Rechtlich wichtig: Engie erhebt einen einheitlichen Strompreis, ohne Netzentgelt.
Die Anerkennung als Kundenanlage verweigert seit 2019 der − ironischerweise selbst nicht ganz entflochtene − VNB Zwickauer Energieversorgung (ZEV). Die Wohnblocks waren zuvor direkt an das Verteilnetz der ZEV angeschlossen gewesen. Engie hatte mit der Wohnungsbaugenossenschaft ZWG 2020 den Wärmeversorgungsvertrag geschlossen, der noch im selben Jahr in die Erfüllung gehen musste.
Engie ging für den Erhalt des privilegierten Status durch die Instanzen und verlor bisher jedes Mal: 2019 bei der Landesregulierungsbehörde im sächsischen Wirtschaftsministerium und 2020 beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden.
Der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem seitdem Engies Rechtsbeschwerde liegt, war bisher die erste Instanz, die geneigt war, Engie Recht zu geben und damit letztlich die ZEV zu verpflichten, zwei Elektrohauptanschlüsse und Zählpunkte herauszurücken, geht aus den Ausführungen im EuGH-Urteil hervor.
Das dürfte jetzt nach dem Voraburteil, das in die gegenteilige Richtung ging, zumindest in diesem Rechtsstreit nicht mehr möglich sein. Der EuGH hat dem BGH nur überlassen, ob er eine frühere Strombinnenmarkt-Richtlinie von 2012 anwendet. Der Rechtsstreit geht selbstredend nur über den elektrischen Teil der Nahversorgung. Wärmenetze müssen nicht entflochten werden.
Engie teilte auf Anfrage mit, man werte die Entscheidung des EuGH aus und sondiere die möglichen Folgen. Die ZEV begrüßte am 2. Dezember dessen Rechtsauffassung. Die Urteilsbegründung sowie weitere Details und Folgen würden derzeit geprüft. Zur weiteren Prozessdauer könne man keine Aussage treffen.
Verwaltungsrechtler: Gesetzgeber muss nachschärfen
Nach Ansicht von Sebastian Helmes, einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, dessen Großkanzlei Dentons an der Prozessserie nicht beteiligt ist, lässt sich der Einzelfall Zwickau verallgemeinern. Helmes will dies daran erkennen, dass die Begründung des EuGH „sehr grundsätzlich ausgefallen“ sei. Mit der „Privilegierung ,nebenberuflicher Netzbetreiber’ könnte es deswegen nun grundsätzlich vorbei sein“, schreibt er der Presse, „zumindest soweit es um Pflichten geht, die unionsrechtlich verbindlich vorgegeben sind“, etwa die buchhalterische Entflechtung von Stromverkauf- und -transport.
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Sebastian Helmes
Quelle: Dentons
Quelle: Dentons
Es spreche sogar einiges dafür, dass auch die Befreiung der „Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung“, also etwa von Industriekraftwerken zur ausschließlichen Versorgung des konzerneigenen Werkes, EU-rechtswidrig ist. Jetzt sei der deutsche Gesetzgeber gefordert − was wegen der bevorstehenden Neuwahl freilich noch dauere.
Helmes erinnert daran, dass der EuGH vor 16 Jahren die weitergehende Regulierungsausnahme für die „Objektnetze“ gekippt hatte. Damals habe der EuGH aber nur den diskriminierungsfreien Netzzugang behandelt und der Bund im Nachlauf nur an dieser Stelle nachgeschärft.
Der EuGH hat das Voraburteil mit Gründen auf seiner Website veröffentlicht.
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Freitag, 29.11.2024, 14:19 Uhr
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