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Enerige & Management > Politik - Unterschiedliche Erwartungen an neue EU-Kommissare
Quelle: Europäische Union / Mario Salerno
POLITIK:
Unterschiedliche Erwartungen an neue EU-Kommissare
In Brüssel beginnen in dieser Woche die Anhörungen der designierten Kommissarinnen und Kommissare durch das Europäische Parlament.
 
Die meisten Zuständigkeiten in der Energie- und Klimapolitik hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf vier Mitglieder des neuen Kollegiums verteilt: die Spanierin Teresa Ribera Rodriguez soll Vizepräsidentin der Kommission für eine „saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transition“ werden, der Franzose Stephane Sejourne wird Vizepräsident für „Wohlstand und Industrie-Strategie“, der Däne Dan Jörgensen ist als Kommissar für „Energie und Wohnen“, der Niederländer Wopke Hoekstra als Kommissar für „Klima und sauberes Wachstum“ vorgesehen.

Dass die vier Kommissarinnen und Kommissare mehr Zeit damit verbringen werden, ihre Arbeit zu koordinieren und miteinander abzustimmen (oder sich wahlweise in die Haare zu kriegen) als ihren eigentlichen Aufgaben nachzugehen, ist kein Zufall. In dem von ihr geschaffenen Kompetenzchaos stärkt die Kommissionspräsidentin vor allem ihre eigene Macht. In Zukunft kann sie praktisch jede Entscheidung an sich ziehen. Die Kommissarinnen und Kommissare und die ihnen unterstellten Beamten bereiten diese Entscheidungen allerdings vor.

In den Anhörungen der Ausschüsse geht es formal darum zu prüfen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Aufgaben qualifiziert sind. Politische Überlegungen sollten keine Rolle spielen. Tatsächlich ist das Kollegium weitgehend nach den in der EU herrschenden politischen Verhältnissen zusammengesetzt: mehr als die Hälfte der Kandidaten gehören der Europäischen Volkspartei (EVP) an, der Rest sind Sozialdemokraten und Liberale. Der Vormarsch der Rechtspopulisten kommt darin zum Ausdruck, dass die italienische Regierung den Postfaschisten Raffaele Fitto nominiert hat. Er soll sich unter anderem auch um die Anpassung an den Klimawandel in Europa kümmern.

Gute Chancen

An der politischen Zusammensetzung der Kommission wird sich voraussichtlich nichts ändern. Alle Kandidaten haben gute Chancen, von den sie befragenden Ausschüssen bestätigt zu werden. Sozialdemokraten und Grüne würden den Postfaschisten zwar gerne verhindern, müssten dann aber damit rechnen, dass zum Beispiel die sozialdemokratische Vize-Präsidentin Ribera ebenfalls kein grünes Licht bekommt.

Mit Ribera und Energiekommissar Jörgensen sind für die Energie- und Klimapolitik der neuen Kommission zwei Sozialdemokraten mitverantwortlich. Beide waren als Energieminister Mitglied im Ministerrat und sind in Brüssel keine Unbekannten. Ribera stand während der spanischen Ratspräsidentschaft im letzten Jahr an der Spitze des Energierates und verhandelte wichtige Projekte wie das Gaspaket oder die Gebäuderichtlinie.

Stephane Sejourne war bis Anfang des Jahres Vorsitzender der liberalen Parlamentsfraktion. Er hat zwar keine wirtschafts- oder industriepolitische Erfahrung, aber einen kurzen Draht zu Frankreichs Staatspräsident Macron.

Wopke Hoekstra von der EVP ist bereits seit einem Jahr Klimakommissar und soll diese Aufgabe in der neuen Kommission behalten. Er hat sich als versierter Diplomat und Vertreter der EU bei den internationalen Klimaverhandlungen bewährt.

Andere Prioritäten?

In den bevorstehenden Anhörungen werden die Fraktionen versuchen, die Kandidaten auf ihre Prioritäten festzulegen. So erwarten etwa die Grünen, dass die Kommission den angekündigten Vorschlag für ein Klimaziel von 90 Prozent für 2040 „jetzt schnell auf den Tisch legt“. Auch die Ankündigung der Kommissionspräsidentin, nach dem Klimapakt („Green Deal“) in den nächsten Jahren einen Industriepakt („Industrial Deal“) zu schließen, wird in den Anhörungen eine zentrale Rolle spielen.

Sozialdemokraten, Grüne und die meisten Liberalen wollen verhindern, dass die anspruchsvollen Klimaziele, die von der Kommission „von der Leyen I“ durchgesetzt wurden, durch die Kommission „von der Leyen II“ verwässert werden. Die Fraktionen rechts von der Mitte könnten damit gut leben, wenn es notwendig wäre, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu verbessern. Dieses Ziel, sagt der EVP-Abgeordnete Peter Liese (CDU), müsse oberste Priorität für die neue Kommission haben. Dafür seien Abstriche an einzelnen Maßnahmen notwendig, auch wenn seine Partei an den großen Klimazielen festhalte. Das beschlossene Aus für Verbrennermotoren etwa müsse in seiner jetzigen Form auf den Prüfstand.

EVP: Kein neuer Timmermans

Die EVP werde sich vor allem dafür stark machen, dass die Transition auf eine größere Akzeptanz stoße: „Einen neuen Timmermans können wir jedenfalls nicht gebrauchen“, sagt Liese mit Blick auf den Niederländer, der den Klimapakt ohne Rücksicht auf Verluste durchgeboxt hat. Von der spanischen Vizepräsidentin erwarte man mehr Gesprächsbereitschaft gegenüber der Industrie und der Landwirtschaft.
  Liese will auch mehr Geld in die Hand nehmen, um sozial schwache Gruppen bei der Umstellung zum Beispiel auf die Elektromobilität zu unterstützen. Geld dafür könne durch den Emissionshandel (ETS2) generiert werden, der 2027 für Verkehr und Gebäude starten soll. Die neue Kommission sollte auch über eine Reform des ETS1 nachdenken, um „negative Emissionen“ in den Emissionshandel zu integrieren. Außerdem müsse noch vor 2030 klar sein, wie es mit dem Emissionshandel in den 30er Jahren weitergehe.

Die Grünen setzen bei der Senkung der CO2-Emissionen vor allem darauf, die Subventionen für fossile Energie zu reduzieren. Vom neuen Klimakommissar, der auch für die Steuerpolitik zuständig sein soll, erwarte man dabei mehr Einsatz, sagt ihr energiepolitischer Sprecher, Michael Bloss. Die Elektromobilität müsse durch günstigere Strompreise an den Ladesäulen, Leasingprogramme für sozial schwache Autofahrer und eine „Begrünung“ der Autoflotten von Unternehmen gefördert werden. Am Verbrennerverbot und den Flottengrenzwerten für die Autoindustrie müsse die neue Kommission aber festhalten.
 

Tom Weingärtner
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Montag, 04.11.2024, 10:45 Uhr

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