
Die Vorschläge der Kommission zur Definition nachhaltiger Investments seien nicht geeignet, die nachhaltige Transformation
der deutschen Energiewirtschaft zu unterstützen, sagte der Vorsitzende von "Zukunft Gas“, Timm Kehler, am Abend des 11. Dezembers
in einer Online-Debatte der Brancheninitiative. Alle Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft seien sich einig darüber, dass
in Deutschland bis 2030 Gaskraftwerke mit einer Kapazität zwischen 15 und 40 GW gebaut werden müssten. Davon befänden sich
gegenwärtig nur 2,5 GW im Bau. Das Investitionsvolumen bis 2030 bezifferte Kehler auf 30 Mrd. Euro.
Die Idee, dieses Geld in nachhaltige Technologie zu investieren, sei richtig. Mit der Komplexität der Kriterien, die die EU-Kommission
dafür im Rahmen der Taxonomieverordnung anlegen wolle, seien die meisten Investoren jedoch überfordert. Damit werde die Attraktivität
einer Investition in „nachhaltige“ Gaskraftwerke beeinträchtigt. Einen „Business Case“ für Gaskraftwerke nach der Taxonomie
vermochte Kehler nicht zu erkennen.
Die Gas-Lobby kritisiert, dass nach dem Vorschlag der Kommission nur solche Gaskraftwerke als nachhaltig gelten, die über
ihren gesamten Lebenszyklus weniger als 100 Gramm CO2 je erzeugter Kilowattstunde ausstoßen. Alternativ gilt: Anlagen, die
vor dem 31. Dezember 2030 genehmigt werden, dürfen maximal 270 g/kWh ausstoßen oder 550 Kilogramm pro installiertes Kilowatt.
Sie müssen ein Kraftwerk mit höherem CO2-Ausstoß ersetzen, dürfen aber höchstens eine um 15 % höhere Kapazität aufweisen.
Außerdem müssen sie den Einsatz von emissionsarmen Gasen sukzessive steigern und dürfen von 2036 an nur noch grünen Wasserstoff
oder vergleichbare Gase einsetzen. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen müssen darüber hinaus 10 Prozent Energie gegenüber der Anlage
einsparen, die sie ersetzen. In der deutschen Gaswirtschaft gelten diese Bedingungen als in absehbarer Zeit praktisch nicht
erfüllbar.
VKU: Zu restriktiv
Auch der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) kritisierte die „restriktiven Vorgaben“ der Kommission. „Realistisch erscheinen 820 kg
CO2-Äquivalent pro kW Gesamtleistung“, heißt es in einem Positionspapier, das der Verband vorlegte. Vorgaben zur Beimischung
klimaneutraler Gase müssten mindestens von ihrer Verfügbarkeit am Markt abhängig gemacht werden. Sofern die Taxonomie-Kriterien
nicht erfüllt werden könnten, seien Investoren auf eine „höhere staatliche Förderung“ angewiesen.
"Läuft auf Kapazitätsmechanismus heraus"
Der Vorschlag der Kommission, sagte der Chef des Kraftwerksbetreibers Uniper, Gundolf Schweppe, sei nicht das erhoffte Aufbruchsignal.
Es fehle der notwendige Pragmatismus. Das gelte nicht zuletzt für die Erwartung, dass neue Gaskraftwerke an den Standorten
der Anlagen errichtet würden, die sie ersetzen. Dabei handele es sich vorwiegend um Kohlekraftwerke. Deren Standorte seien
jedoch nicht notwendigerweise auch für Gaskraftwerke geeignet.
Schweppe geht davon aus, dass Gaskraftwerke unter den genannten Bedingungen nur 1000 bis 2000 Betriebsstunden im Jahr erreichen.
Auf dieser Grundlage würden die notwendigen „20 bis 30 Gaskraftwerke“ in den nächsten Jahren nicht gebaut. Investoren fehle
es vor allem an der notwendigen Planungssicherheit.
Die sieht man bei Zukunft Gas durch ein dreifaches Risiko in Frage gestellt:
- einen völlig neuartigen Kraftwerksmarkt, der in der Zukunft entstehen soll,
- eine ungeklärte Laufzeit der Anlagen
- und die Notwendigkeit, wachsende Mengen grünen Wasserstoff einzusetzen.
Die Betreiber der Gaskraftwerke könnten nicht sicher sein, dass der Wasserstoff auch fristgerecht am Markt verfügbar sei.
Bereits 2026 könnten Gaskraftwerke nicht mehr alleine mit Erdgas betrieben werden, obwohl grüner Wasserstoff oder andere nicht-fossile
Gase bis dahin nicht in größeren Mengen verfügbar sein würden, sagte Schweppe weiter.
Er und Kehler gehen davon aus, dass Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren nur im Rahmen eines Kapazitätsmechanismus
erreicht werden kann. Dafür müsse dann auch auf Gaskraftwerke zurückgegriffen werden, die die Taxonomie-Kriterien nicht erfüllten.
Deutschland will Stellung nehmen
Derweil hat die Bundesregierung am 12. Januar eine Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Taxonomie angekündigt. Eine Vertreterin
der Bundesregierung erklärte in einer Sitzung des Finanzausschusses, die Frist zur Stellungnahme sei bis zum 21. Januar verlängert
worden. Die Haltung der Bundesregierung zur Atomenergie sei unverändert ablehnend. Erdgas sei eine wichtige Brückentechnologie
beim Kohleausstieg.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am selben Tag bei seiner ersten Regierungsbefragung im Bundestag seine Haltung zur Atomenergie:
"Die Nutzung der Kernenergie ist nicht nachhaltig, um das sehr klar zu sagen. Und sie ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll."
Mittwoch, 12.01.2022, 09:38 Uhr