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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - Sommerstrom im Untergrund
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
Sommerstrom im Untergrund
Die Idee, Wasserstoff in Porengestein in geologischen Schichten zu speichern, ist noch nicht überall bekannt. Nicht so in Österreich bei der RAG Austria AG. 
 
„Wir haben ihn hier überall in Österreich“ − Markus Mitteregger, CEO der RAG Austria AG, hält das handgroße Bruchstück eines Bohrkerns vor die Journalisten und die Vertreter des Branchenverbands Zukunft Gas. Er gießt ein wenig Mineralwasser über den Stein und es verschwindet in den Poren, nichts sickert durch − im Kleinen zeigt sich, was der Erdgasspeicherbetreiber seit Jahren erfolgreich durchführt, zum einen im Erdgasspeicher Haidach. Dessen Kapazitäten vermarkten die Sefe Storage (vormals Astora) und die RAG über ihre Tochter RAG Energy Storage. Mit einem Speichervolumen von 2,9 Milliarden Kubikmeter hält der − nach Rehden in Niedersachsen − zweitgrößte Speicher Mitteleuropas im Sandstein gespeichertes Erdgas bereit.

Aber damit nicht genug. In dem Sedimentgestein lässt sich, wie Mitteregger darlegt, zum anderen auch Wasserstoff speichern. Im Demonstrationsprojekt „Underground Sun Storage“ in Rubensdorf bei Gampern hat die RAG den Speicherbetrieb mit 100 Prozent Wasserstoff zum Ziel. Diese Speicherung war Thema einer Pressereise, zu der Zukunft Gas nach Österreich geladen hatte.

Der Wasserstoffspeicher in Rubensdorf ist der weltweit erste geologische Speicher, auch Porenspeicher genannt. Der zweite Typus Untergrundspeicher sind Kavernenspeicher in ausgedienten Salzstöcken. Auf diese setzen aufgrund der geologischen Gegebenheiten deutsche Speicherbetreiber bei der Wasserstoffspeicherung, wie die Oldenburger EWE an ihrem Gasspeicherstandort Harsefeld in Niedersachsen.

Niedrigerer Energiegehalt als Herausforderung

Bei der RAG Austria AG (Renewables and Gas) ist man sich allerdings sicher: An weiteren Speichern führt kein Weg vorbei. CEO Mitteregger begründet das mit dem niedrigeren Energiegehalt von Wasserstoff. Dieser „hat nur ein Drittel der Energie von Erdgas, nutzt aber einen gleich großen Speicher“, so Mitteregger mit Blick auf die Wasserstoffspeicherung in ausgeförderten Erdgasspeicherstätten. Stephan Bauer, Leiter bei RAG Green Gas Technology, unterfüttert dies mit Zahlen: „Österreich hat eine Energiespeicherkapazität von 97 TWh Erdgas. Wandeln wir die Erdgasspeicher zu Wasserstoffspeichern um, haben wir aufgrund der niedrigeren Energiedichte nur 33 TWh übrig. Wir gehen daher davon aus, dass wir zusätzliche Lagerstätten erschließen müssen, um den Bedarf decken zu können.“

Die Lagerstätte in Rubensdorf verfügt über ein Arbeitsgasvolumen von 1,2 Millionen Kubikmetern. Das ist ein 24.000stel des Speichervolumens des 25 Kilometer westlicher gelegenen Erdgasspeichers Haidach. „In der Welt der Gasspeicher ist unser Rubensdorfer Speicher ein sehr kleiner, aber im Bereich der Wasserstoffspeicher ist er ein großer“, so Bauer. Das Arbeitsgasvolumen des Haidacher Speichers sei jedoch die Messlatte, die man auch für die Speicherung von Wasserstoff anvisiere. Bauer: „Wollen wir den Markteintritt schaffen, müssen wir skalieren.“

Die Vision der RAG ist es, einzelne „Keimzellen“ zu schaffen, die dann mit anderen europaweit zusammenwachsen. In der „Keimzelle“ Rubensdorf speist das Unternehmen seit November 2023 testweise Wasserstoff in eine ausgeförderte Erdgaslagerstätte in 1.100 Metern Tiefe ein. Von November 2023 bis April 2024 erfolgte die Einspeicherung von Wasserstoff, im Mai fand die „Begasung“ der Anlage statt. Damit wurde der Ausspeichervorgang simuliert: Die obertägigen Anlagen wie Gastrocknung und Verdichter kamen in ersten Kontakt mit dem Wasserstoff. Mit der im Juni begonnenen Ausspeicherung sammelt die RAG eine Menge Erkenntnisse. Etwa darüber, wie sich die Sonde verhält und welchen Verunreinigungsgrad der ausgespeicherte Wasserstoff hat.

Saisonale Speicherung von Wasserstoff

Zum Betrieb des „Underground Sun Storage“ nutzt die RAG überschüssigen PV-Strom. Es handelt sich um ein europäisches Referenzprojekt für die saisonale Wasserstoffspeicherung. Die zeitliche Eingrenzung „saisonal“ rührt aus dem Energieerzeugungsmix Österreichs.

Laut dem Monitoringbericht der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control hatte Österreich 2022 einen Ökostromanteil an der Bruttostromerzeugung von insgesamt rund 77 Prozent. Davon entfielen auf die Wasserkraft 57 Prozent. Der Rest stammte aus Windkraft, Biomasse und Photovoltaik. Letztere ist jüngst enorm angestiegen. 2023 belief sich die Bruttostromerzeugung aus PV auf 2.800 MW − laut der österreichischen Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist das bis dato der höchste Ausbauwert in einem einzigen Jahr in Österreich. Der Bedarf zur Stabilisierung des Stromnetzes ist groß.

Der Plan der österreichischen Regierung sieht vor, den Strombedarf des Landes ab 2030 bilanziell ganz mit Erneuerbaren zu decken, wie RAG-Chef Mitteregger erklärt. Berechnungen zufolge würden dabei im Sommerhalbjahr Erzeugungsüberschüsse von bis zu 10 Milliarden kWh auftreten. Im Winterhalbjahr wäre mit ebenso großen Erzeugungslücken zu rechnen.

Über das Projekt „Underground Sun Storage“ sollen 4,2 Millionen kWh überschüssiger Strom aus den Sommermonaten in den Winter gebracht werden. Wie Stephan Bauer erklärt, werde Wind- und Sonnenstrom in großer Menge von vielen Produzenten zur gleichen Zeit erzeugt, in der er nicht unmittelbar verbraucht werden könne. Diesen Strom für Verbrauchsspitzen und stromarme Wintermonate „haltbar“ zu machen, sei Hauptgrund für die Herstellung von Wasserstoff.

Die Speicherung der Energie in Batteriespeichern oder Pumpspeicherkraftwerken sei hierfür ungeeignet. Diese könnten nur in kurzen Perioden speichern: „Batterien 24 Stunden, ein Pumpspeicherkraftwerk eine Woche. Das ist viel zu wenig, wir müssen den Ökostrom über Monate verlagern.“ 

Zwei Produktionsverfahren im Blick

Bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff zeigt sich das Unternehmen technologieoffen. Zwei Wasserstoffproduktionsverfahren verfolge die RAG, wie Markus Kainz, Leiter RAG Energy Valley, gegenüber E&M anführt. Zum einen die Elektrolyse von Wasser wie beim Projekt „Underground Sun Storage“ in Rubensdorf. Dort sollte bereits 2023 ein 2-MW-PEM-Elektrolyseur in Betrieb gehen. Die Pandemie und damit verbundene Lieferschwierigkeiten sorgten für Verzögerung. Der Wasserstoff kam ersatzweise via Trailer. Aktuell arbeitet die RAG an der Inbetriebnahme des Elektrolyseurs, der dann die Produktion des Wasserstoffs vor Ort übernehmen soll.

Daneben setzt die RAG auf die „Methan-Elektrolyse“, nicht zu verwechseln mit der bislang üblichen Dampfreformierung von Erdgas, bei der grauer Wasserstoff entsteht. Bei der Elektrolyse von Methan wird türkiser Wasserstoff erzeugt.
Mithilfe einer elektrischen Spannung und einer Temperatur von 1.500 Grad Celsius wird Erdgas in Wasserstoff und reinen Kohlenstoff zerlegt. CO2 entsteht dabei nicht. Die hohe Temperatur wird durch ein Plasma erzeugt. Kainz leitet das RAG Energy Valley in Krift bei Kremsmünster, wo der Methan-Elektrolyseur installiert ist. 

Im RAG Energy Valley − der Modellregion für 100 Prozent grüne Energieversorgung in Oberösterreich − ging die Anlage Ende September 2023 in Betrieb. Ein Jahr läuft sie als Pilot. Die Methan-Elektrolyse ist, wie Graforce-CEO Jens Hanke erklärt, im Vergleich zur elektrolytischen Spaltung von Wasser sehr effizient: „Etwa 10 bis 14 Kilowattstunden Strom brauchen wir bei der Methan-Elektrolyse für die Produktion eines Kilogramms Wasserstoff.“ Die alkalische Elektrolyse benötige für die gleiche Menge 50 kWh. 60 kWh seien es bei der Elektrolyse mithilfe einer Polymerelektrolyt-Membran (PEM-Elektrolyse).

Pro Betriebsstunde fallen 150 Kilogramm reiner Kohlenstoff an − ein wertvoller Rohstoff, wie Kainz ergänzt. „Die Böden hier sind durch Monokultur stark degradiert.“ Der Kohlenstoff werte die Bodenkultur wieder auf, wie Feldversuche der RAG mit der Universität für Bodenkultur Wien und der Montanuniversität Leoben gezeigt hätten. Dazu kommt der Einsatz des Kohlenstoffs in der Industrie, etwa in der Produktion von Baustrukturen und Computerchips.

Der niedrige Stromverbrauch macht laut Hanke die Methan-Elektrolyse so attraktiv, vor allem dann, wenn nur wenig grüner Strom bereitsteht. Aufgrund der vorhandenen Erdgasinfrastruktur bestehe mit dem Verfahren die Möglichkeit, CO2-freien Wasserstoff und auch Wärme zu beziehen. So komme aus der Anlage eine Temperatur von 1.000 Grad Celsius. Voraussetzung sei natürlich, dass der Strom für den Betrieb grün ist. Im Falle Kremsmünster kommt er aus einem 1-MW-PV-Park oberhalb der Anlage.  
Schema der Methan-Elektrolyse mithilfe eines Plasmas
Quelle: Graforce GmbH


Auch andere Moleküle als Wasser denkbar

Graforce-CEO Hanke weist explizit auf den Begriff „Methan-Elektrolyse“ hin. „Gerade in Deutschland ist es ja wichtig, dass Wasserstoff durch eine Elektrolyse erzeugt wird, vornehmlich mit Wasser. Warum sollte man mithilfe von grünem Strom nicht auch andere Moleküle − wie Erdgas, Ammoniak oder Biomethan − nehmen, um daraus sauberen Wasserstoff zu machen?“

Mehr Offenheit beim Wasserstoffhochlauf wünscht sich auch Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas. Um eine Verknappung von Wasserstoff aufzulösen, müsse Deutschland endlich begreifen, dass eine Wasserstoffwirtschaft aus der Erdgaswelt heraus entstehe. „Wer versucht, die Gasbranche auszutrocknen, betreibt eine künstliche Verknappung wider die Transformation“, so Kehler. Die Preise würden dadurch nur künstlich in die Höhe gepuscht und damit die Wasserstoffkunden von morgen aus dem Land getrieben. 
 
Wasserstoffanlieferung beim Wasserstoffspeicher Rubensdorf im Projekt „Underground Sun Storage“
Quelle: E&M/Davina Spohn
 

Davina Spohn
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