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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Solar spielt bei PPA größere Rolle
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Solar spielt bei PPA größere Rolle
2024 hat es einen Rückgang an deutscher PPA-Leistung gegeben. Ein Grund dafür war wohl der Preisverfall bei Herkunftsnachweisen. Die PV ist bei HKN erst drittgrößte Technologie.
 
Wer hätte das gedacht, dass neu unter Vertrag genommene Photovoltaikanlagenleistung einmal den deutschen PPA-Markt dominieren würde, während sie noch 2019 in dem Segment nicht einmal messbar gewesen war? 2024 machte PV 1.100 der 1.800 MW neu kontraktierten Grünstromdirektlieferverträge aus. Das waren gut 60 Prozent der installierten Leistung, geht es nach eigenen Zahlen, die der Schweizer Datendienstleister Veyt im März in einem Webinar namens „Digital Trader Summit“ zusammen mit dem Münchner Handelsplattformbetreiber Enmacc präsentierte. Der Rest waren Offshore- und − zu einem geringeren Teil − Onshore-Wind.

Allerdings war die Dominanz der PV im vergangenen Jahr zu einem hohen Preis erkauft beziehungsweise schlicht die Folge dessen, dass ihre neu kontraktierte installierte Leistung vom Rekordjahr 2023 aus weniger schnell schrumpfte als die von Offshore-Wind. Für damals zählte Veyt insgesamt 3.900 MW neue PPA, getrieben durch 2.200 MW Windkraft auf See, weil mehrere Projektierer gleichzeitig Scheiben ihrer künftigen Windparks an grünstromhungrige US-Datenkonzerne und andere Industrie verkauften. Die Onshore-Windkraft war 2023 und 2024 unter ferner liefen, die PV lieferte mit 1.500 MW den zweitstärksten Beitrag unter den Technologien. Sie gab also 2024, wie angerissen, ebenfalls nach, nur nicht so stark wie Offshore. Wenn man das Rekordjahr 2023 ausblendet, verzeichneten deutsche PPA also ein fast lineares Leistungswachstum oder sind im vorherigen Trott gewachsen.

Neben dem Zufall vieler gleichzeitiger Offshore-PPA-Abschlüsse im Jahr 2023 mag der Preisverfall des Herkunftsnachweismarktes im Folgejahr um bis zu 90 Prozent (HKN/Guarantees of Origin, GO) einer der Gründe für das Schrumpfen des deutschen PPA-Marktes gewesen sein. Investoren in neue deutsche Freiflächen-PV-Anlagen sind, wenn sie es ohne Teilnahme an den Subventionsausschreibungen versuchen, neben den Erlösen aus dem Solarstrom auf Umsätze aus den HKN für dieselbe Produktionsmenge angewiesen. Für beide Erlösquellen werden in PPA Preise definiert, wobei die einen von den Graustrompreisen für die Futures während der Lieferphase abgeleitet werden, die anderen von einem recht liquiden Primärhandelspreis für HKN. Wenn sich letztere Preise auf Ramschniveau bewegen, mag der eine oder andere Investor noch auf deren Erholung gewartet haben.

Deutsche HKN − von Seltenheitswert

Gehen die PV-Investoren doch in die Ausschreibungen, dauert erstens die Realisierung der Projekte länger. Zweitens gibt es bei wahrgenommenen Zuschlägen keine HKN. Deutschland − darauf wies Daniel Arnesson, Manager Grünstromzertifikate bei Veyt, auf dem „Digital Trader Summit“ hin − sei eines der wenigen Länder im europäischen HKN-System, das die Ausgabe von HKN auf ungeförderten Ökostrom beschränkt − das Argument des Bundes dafür ist das EU-Doppelvermarktungsverbot.

Deswegen wurden 2023 laut Zahlen der Denkfabrik Ember und der europäischen HKN-Clearingstelle AIB bei einer deutschen Grünstromerzeugungsmenge von 264 Milliarden kWh für nur 41 Milliarden kWh HKN ausgegeben. Der Anteil an deutschem Grünstrom, der HKN erhielt, reichte in jenem Jahr also nicht einmal an die 16 Prozent heran. Zwei Jahre zuvor, 2021, waren es noch unter 9 Prozent gewesen. Damals machte die (alte) Wasserkraft die Generierung von HKN praktisch mit sich selbst aus. 2023 wurde sie dann von Onshore-Wind überholt, der HKN für knapp 19 Milliarden kWh holte, während deutsche Wasserkraft-HKN für 14 Milliarden kWh ausgegeben wurden.

Die PV rangierte mit großem Abstand mit gut 3 Milliarden kWh an dritter Stelle in der deutschen HKN-Erzeugungsstatistik. Der Grund für all dies − ungeachtet des PV-Booms und eines neuen Windkraftwachstums − ist, dass hierzulande für EEG-geförderten Strom keine HKN ausgegeben werden. Die alte große Wasserkraft war schon immer förderfrei und erstmals seit 2021 kamen jedes Jahr Tausende MW Windkraft aus der Förderung heraus. Ihre Betreiber waren damit erstmals zu HKN berechtigt. Das ist zwar auch bei der PV so, doch handelt es sich bei diesen Altanlagen häufiger um kleine private Dachanlagen im einstelligen kW-Bereich, die unter dem Radar des Stromgroßhandels sind.

Immerhin sind laut der aktuellen Direktvermarktungsveröffentlichung der Übertragungsnetzbetreiber für den April 2025 mittlerweile gut 9.000 MW PV in der förderfreien Direktvermarktung inklusive PPA. Bei Onshore-Wind als größter regenerativer Quelle in dem Segment sind es knapp 14.000 MW.

Norwegische Wasserkraft

Relativ zum Rest Europas gesehen ergibt das eine Basis für einen knappen und damit teureren Markt für deutsche HKN. Viele Grünstromvertriebe importieren daher noch günstigere norwegische Wasserkraft-HKN und löschen sie in Deutschland, um innerdeutsche Liefermengen als Ökostrom kennzeichnen zu dürfen. Die Praxis ist legal, aber umstritten, weil mit dem Odium des Greenwashing belegt. Jedenfalls führte sie zu einer mindestens seit 2019 stetig weiter ins Negative wachsenden HKN-Handelsbilanz Deutschland, die 2023 erstmals -150 Milliarden kWh überschritt.

Der Trend mit den aus der EEG-Förderung fallenden sogenannten Ü20-Anlagen wird diese Bilanz etwas aufhübschen. Jedenfalls gab sich Daniel Arnesson in dem Webinar überzeugt davon, „dass wir eine große Anzahl an Herkunftsnachweisen haben können von Anlagen, die in den kommenden Jahren aus dem EEG fallen. Das ist essenziell für das Verständnis des Marktes.“

So viel neuer Ökostrom bis 2030

Daniel Arnesson und Veyt haben den großen Wurf gewagt, diese Prognose jahresscharf bis 2030 zu quantifizieren. Dazu rechnen sie nicht nur die Löschungen von HKN für bereits gelieferten Strom gegen, deren Zahl die AIB bisher immer erst im Juli des jeweiligen Folgejahres veröffentlicht. Vielmehr berücksichtigten sie auch nach Arnessons Worten die von der EU für 2027 vorgegebene Umstellung der Förderausschreibungen auf marktnähere Differenzverträge (CfD) und die sich damit ändernde Attraktivität von Neuerrichtungen sowie die Kapazitätsfaktoren der grünen Technologien und potenziellen Standorte (kWh pro kW). Veyt kam zum Schluss, dass die deutschen Ausschreibungen bis 2030 ständig auf mehr als 80 Milliarden kWh wachsende Ökostrommengen generieren können. Die PV ist nach dieser Prognose mit etwa 15 Milliarden kWh zusätzlichem Ökostrom auf Rang drei nach Offshore- und Onshore-Windstrom.

„Die Ausschreibungen reichen meines Erachtens nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen“, sagte Daniel Arnesson von Veyt voraus. Die Nachfrage müsse genauso angereizt werden, auch um die Überversorgung mit (nichtdeutschen) HKN, die deren Preise verdorben hat, zu beenden.

Zwei Hebel für höhere HKN-Nachfrage

Einen Hebel dafür sieht Arnesson in der Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie. Seit Anfang 2023 verlangt der Bund im Gegenzug für Beihilfen, dass 30 Prozent der Energie für die Industrieprozesse aus erneuerbaren Quellen stammen müssen, davon 80 Prozent aus Mittelwesteuropa und der Rest aus dem übrigen europäischen Wirtschaftsraum. Dabei müssen die Industrieunternehmen einheimischen Ökostrom monatsscharf mit der Löschung gleich vieler HKN koppeln, bescheinigt von einem Umweltgutachter. Diese Regel wird zwar die Nachfrage nach deutschen HKN erhöhen, aber „mehr Komplexität“ in diesen Markt bringen, meinte der Veyt-Mann. Jedenfalls verbrauchte allein die deutsche Chemieindustrie im Jahr 2020 gut 30 Milliarden kWh, wovon sie 21 Milliarden kWh nicht selbst produzierte.

Einen weiteren Nachfrageschub für Ökostrom sagt Arnesson im Kraftstoffsektor voraus. Die EU hat für 2030 eine Quote von 5,5 Prozent für Biokraftstoffe und für erneuerbare Kraftstoffe nichtbiologischen Ursprungs (RFNBO) am gesamten Verkehrsaufkommen angeordnet. Für Ökostromerzeuger und -nachfrager ist der Mindestanteil von RFNBO von 1 Prozent interessant, in Küstenstaaten sogar 1,2 Prozent. Das kann zum Beispiel die Lieferung von Solarstrom via PPA an einen Elektrolyseur sein, der Wasserstoff herstellt. Bei Industriewasserstoff, egal ob er energetisch genutzt wird oder nicht, soll die RFNBO-Quote sogar 42 Prozent betragen und im Jahr 2035 die 60 Prozent erreichen.

Die regenerative Quelle wird mit HKN belegt, und zwar erst monats- und dann gar stundenscharf statt wie bisher jahresscharf − eine bürokratische Komplikation, die GP Joule und Steag Iqony schon drei Wochen vor dem Webinar auf der Leitmesse E-world angeprangert hatten. Daniel Arnesson sprach von einem „nicht vielversprechenden Stand jetzt“ und kündigte an, dass die EU dieses Dekarbonisierungsziel im Verkehr 2030 verfehlt und erst „irgendwann“ in der Dekade darauf erreicht.

Außerdem ist der EU die „Zusätzlichkeit“ (additionality) der grünen Kraftwerke wichtig, sodass sie nur drei Jahre älter sein dürfen als der mit ihrer Hilfe erzeugte Kraftstoff nichtbiologischen Ursprungs. Allerdings gilt dies nicht für die ersten RFNBO-Raffinerien, die bis 2038 errichtet werden − ein weiterer Anreiz, dies zu tun.
Enmacc-Chef Jens Hartmann merkte an, er könne mit der „Idee der Zusätzlichkeit“ nichts anfangen.

Es sei doch wichtiger, einen liquiden, funktionierenden Markt zu etablieren, statt ihn mit diesem Kriterium von vorneherein zu spalten. Daniel Arnesson gab ihm nur recht, was Deutschland betrifft. Der Bund stelle unter anderem aus dem Grund keine HKN für geförderten Ökostrom aus, weil andernfalls der HKN-Markt dann unter einer Flut „zusammenbräche“. 
 

Georg Eble
Redakteur
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Dienstag, 06.05.2025, 09:15 Uhr

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