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Enerige & Management > Windkraft Offshore - Sehenden Auges in 610 Millionen kWh Abregelung
Quelle: Shutterstock / Thampapon
WINDKRAFT OFFSHORE:
Sehenden Auges in 610 Millionen kWh Abregelung
Der Sieger der nächsten Offshorewind-Fächenausschreibung muss 1.200 MW errichten, erhält aber nur einen Netzanschluss für 1.000 MW. Dieses „Overplanting“ hat Vor- und Nachteile.
 
Der Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) hat sich zu dem sogenannten „Overplanting“ positioniert. Grundsätzlich steht die Lobby um die Betreiber der deutschen Windparks auf See zu der neuen Vorgabe des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), bei bestimmten künftigen Windpark-Flächen mehr elektrische Leistung zu ermöglichen, als der Netzanschluss bei Volllast aufnehmen kann.

Der Grundgedanke, bei gleichen Netzanbindungskosten mehr Windstrom an Land zu bringen, sei richtig, so der BWO am 13. Februar bei einem Pressetermin und in einer begleitenden Mitteilung. Der Verband stößt sich aber daran, die künftigen Betreiber auf 20 Prozent mehr installierter Leistung zu verpflichten, als die Kapazität des Netzanbindungs-Systems hergibt. Der BWO fordert, dass der Projektierer über das Ausmaß des Overplanting selbst entscheiden darf. „Windpark-Entwickler haben ein eigenes Interesse an der Maximierung des Stromertrags“, sagte Geschäftsführer Stefan Thimm.

Das Overplanting kommt bei der für Juni ausgeschriebenen Nordsee-Fläche N-9.4 erstmals zur Anwendung: Vorgesehen ist eine Netzanbindung von 1.000 MW, der erfolgreiche Bieter muss aber 1.200 MW Windräder installieren (wir berichteten). Bei N-9.4 ist der Drops gelutscht, die Ausschreibung ist bekanntgemacht, da gibt es kein Zurück, aber für künftige Ausschreibungen will der BWO die Wahlfreiheit wiedererlangen.

Was das bei der Fläche N-9.4 und der später zu vergebenden Nachbarfläche N-9.5 bedeutet, hat das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) aus Oldenburg in einem Begleitgutachten berechnet – nicht für den BWO, sondern für BSH. Auf dieser Basis schrieb das BSH das Overplanting Ende Januar erstmals in den neuen Flächennutzungsplan (FEP) für Nord- und Ostsee hinein.

Laut Martin Dörenkämper und Lukas Vollmer vom IWES erzeugen N-9.4 und N-9.5 dereinst mit 1.200 MW in einem Szenario zwar während eines Jahres 660 Millionen kWh Windstrom mehr als mit 1.000 MW. Sie würden aber zeitgleich während der höchsten Windstärken 610 Millionen kWh mehr produzieren, als ableitbar wäre. Daher müssen sie abgeregelt werden.
 
Um die grauen Flächen links oben geht es unter anderem in der Overplanting-Vorgabe. Eine davon, N-9.4, kommt im Juni unter den Hammer
Quelle: Wab

Aus Sicht des BWO und des IWES ist das in Kauf zu nehmen, weil es auf den Mehrertrag ankommt. Laut einem Szenario des IWES führt der Ausbau von heute 9.200 MW auf 70.000 MW bis 2045 zu einem jährlichen Stromertrag von 220 Milliarden kWh. Das ist schon nahe an den 250 Milliarden kWh, die die Bundesregierung für die eigene Offshore-Windenergie vorsieht.

Warum zusätzliche Flächen nötig sind

Aber: Knapp vorbei ist auch daneben, das Leistungsziel verfehlt das Strommengen-Ziel, sagen Martin Dörenkämper und Lukas Vollmer vom IWES. Umso mehr wäre das so, wenn der nächste Bundestag das Leistungsziel sänke. Von entsprechenden Diskussionen sprach BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm, ohne Details zu nennen, und verwahrte sich wie die IWES-Forscher dagegen. Öffentlich bekannt ist, dass der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die 70.000 MW ablehnt (wir berichteten) und die AfD jeden Ausbau Erneuerbarer.

Martin Dörenkämper sieht vielmehr zusätzlichen Flächenbedarf über die bisherigen Festlegungen und Reservierungen des BSH hinaus, vor allem in den küstenfernen westlichen Nordsee-Gebieten. Dort blasen die Winde nach ihren Erkenntnissen stärker, aber nicht nur dies: „Ein Anteil von rund 30 Gigawatt westlich der Schifffahrtsroute 10 ergänzt die bereits festgelegten 40 Gigawatt im küstennäheren Bereich ideal. Dies stabilisiert die ohnehin sehr konstante Stromerzeugung durch Offshore-Wind weiter.“ Der IWES-Forscher brachte seinen Rat so auf den Punkt: „Jede zusätzliche Offshore-Windenergieanlage steigert den Ertrag.“

Warum geringere Leistungsdichte und Overplanting zusammenpassen

Dörenkämper und der BWO tragen den Gedanken des BSH mit, dass Windpark-Flächen wie N-9.4 weniger leistungsdicht belegt werden sollen, damit alle Windparks in der Nähe insgesamt mehr Strom erzeugen, weil sich die Windräder dann gegenseitig weniger den Wind wegnehmen. Das BSH und im Nachgang die Bundesnetzagentur hatten das Leistungsziel für diese Fläche daher auf 1.000 MW halbiert. Ausgehend von der halbierten installierten Leistung, ordnete das BSH eine Erhöhung auf 1.200 MW an, um die Stromausbeute der Fläche selbst zu erhöhen.

Geringere Leistungsdichten und Overplanting sind also kein logischer Widerspruch, das eine bezieht sich auf das Verhältnis der Windparks zueinander, das andere auf den Netzanschluss eines oder weniger Windparks.
 

Georg Eble
Redakteur
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