
Quelle: E&M
STARK IM WIND:
Schwertransporte digitalisieren - oder vermeiden
Windenergieanlagen leisten heute bis zu 8 MW und werden mehr als 200 Meter hoch. Mit riesigen Rotorblättern und schwereren Gondeln wachsen die logistischen Herausforderungen.
Die komplexen Genehmigungsverfahren für die Schwerlasttransporte dauern oft Monate. Für jedes Bauteil sind separate Genehmigungen
nötig. Unterschiedliche Vorgaben führen zu weiteren Verzögerungen. Am wichtigen Standort Cuxhaven mit dem Siemens-Gamesa-Windturbinenwerk
verhinderten zudem zeitweise Straßensperrungen den Her- oder Abtransport von Komponenten.
„In Deutschland sorgt die längere Dauer bei Kunden und am Markt zunehmend für Frustration“, erklärt Olaf Pfaus, General Manager Projects Germany bei dem unter anderem auf Windenergiekomponenten spezialisierten Logistiker DSV Air & Sea Germany GmbH. Viele klassische Häfen seien kaum noch nutzbar.
DSV hat darauf reagiert: „Flexible Lagerlösungen, alternative Hafenstandorte und eine angepasste Routenplanung stellen sicher,
dass die Logistik trotz wachsender Komponenten zuverlässig bleibt“, so Pfaus. „Wichtig ist, Back-up-Lösungen zu haben, da
Endkunden bei Verzögerungen oft Konventionalstrafen verlangen. Das globale Netzwerk von DSV ist hier entscheidend.“
Felix Rehwald, Sprecher des Auricher Windturbinenherstellers (OEM) Enercon, sieht Deutschland weiter im Rückstand: „In den Niederlanden liegt die Transportgenehmigung nach drei bis vier Tagen vor und der Prozess ist komplett digitalisiert. In Deutschland dauert es meist mehrere Wochen. Wenn ein Aufbauteam wegen fehlender Komponenten stillsteht, entstehen pro Tag Zusatzkosten von mehreren Tausend Euro.“ Um das zu vermeiden, setzt man auf „vorausschauende Logistik“ und „alternative Transportoptionen“; näher äußert sich Enercon zu dem wettbewerbssensiblen Thema nicht.
Im Vergleich zu den 1990er-Jahren, als etwa für eine Enercon E-40 mit 500 kW Nennleistung und einem Rotordurchmesser von 39 Metern ein einziger Schwertransporter genügte, leisten heutige Windräder bis zu 8 MW. Ein einzelnes E-175-EP5-Blatt für 6 oder 7 MW ist knapp 86 Meter lang − was 175 Meter Durchmesser ergibt − und 23 Tonnen schwer. „Bis zu 15 Schwertransporte pro Anlage erfordern eine präzise, digitale Routenplanung“, sagt Felix Rehwald von Enercon. Digitale Planungstools sind unerlässlich, um Routen unter Berücksichtigung von Brückenlasten und Durchfahrtshöhen zu planen. „Heute wird mit Simulationen gearbeitet, um beispielsweise Kurvenradien anschaulich zu visualisieren“, erklärt Logistiker Pfaus.
Die Transportüberlegungen beginnen schon beim Engineering der Komponenten: Andreas Weigelt, Global Commodity Group Head Steel
bei der Flender GmbH, die unter der Marke Winergy Getriebe, Generatoren und Services für Windkraftanlagen liefert, sagt:
„Beim Design unserer Produkte haben wir die Transportfähigkeit im Blick. Ein Schlüssel ist die Leistungsdichte.“ Sprich eine
ähnliche oder gar höhere elektrische Leistung bei geringeren Abmessungen. Bis zu 40 Behörden pro Transport
Auch die Genehmigungsprozesse entwickeln sich weiter. Zentrale Portale beschleunigen die Antragstellung, die Zentralisierung beschränkt sich aber auf Landesebene. Zwischen den Ländern bleiben digitale Lösungen uneinheitlich.
Allein für NRW werden innerhalb von drei Jahren rund 22.000 Transporte erwartet. Hochgerechnet sind das bundesweit mehrere Hundert Transporte täglich, um die nationalen Ausbauziele bis 2030 zu erreichen. Genehmigungsprozesse mit bis zu 40 beteiligten Kreis- und anderen Behörden pro Transport, die marode Infrastruktur und fehlende Koordination bremsen den Fortschritt.
Nur die Autobahn GmbH des Bundes hat für ihre Strecken ein bundeseinheitliches Bestellportal geschaffen; dessen Geburtswehen scheinen der Vergangenheit anzugehören. Der Bundesverband Windenergie (BWE) fordert spezielle Mikrokorridore für Schwertransporte und eine stärkere Einbindung der Wasserstraßen. Denn der Ausbau der Windkraft steht und fällt mit effizienterer Logistik.
Binnenwasserstraßen im Aufwind
Um Verzögerungen und Transportschäden zu minimieren, erlebt die Wasserstraße eine Renaissance als Transportweg für die Windenergiebranche. Konkret künftig mit dem Schubleichter „Rhenus Berlin 1“. Das 100 Meter lange Schiff, entwickelt von der Rhenus-Gruppe und Enercon, ist auf den Transport von Rotorblättern bis 86 Meter Länge ausgelegt − die E-175 EP5 lässt grüßen. Es befördert bis zu zwei Blätter gleichzeitig. Ein extern gekoppeltes Schubschiff manövriert es im norddeutschen Binnenwasserstraßennetz durch enge Schleusen und Kanäle.
Der Transport per Wasserstraße ist zuverlässiger, da er seltener von Baustellen oder Staus betroffen ist. Und nachhaltiger: Die CO2-Emissionen liegen bis zu 45 Prozent unter denen vergleichbarer Straßentransporte. Zudem entlastet der Schiffstransport Straßen und Brücken, während er oft schneller und einfacher genehmigt ist.
„Die Balance zwischen Rotorblattlänge und Schleusenbegrenzungen war die größte Herausforderung“, sagt David Schütz, Senior Project Manager bei der Deutschen Binnenreederei. „Die Kombination aus Schubleichter und externem Schubschiff ermöglicht die Durchfahrt durch die maximal 100 Meter langen Schleusen. Auf Rhein und Elbe können größere Schiffe und Koppelverbände eingesetzt werden, die bisher selten für Onshore-Komponenten genutzt werden, mit wenig Einschränkungen“, so Schütz. Aber: „Im norddeutschen Kanalgebiet verhindert die niedrige Brückenhöhe, Rotorblätter übereinander zu stapeln. Ziel war eine verlässliche Alternative zum Lkw, um trotz Baustellen die fristgerechte Belieferung sicherzustellen.“
So sprechen sich die OEM dafür aus, die Binnenschifffahrt auszubauen. Stellvertretend Felix Rehwald von Enercon: „Mit dem Projekt Rhenus wollen wir ausweichen können, wenn der Straßentransport in Zielregionen nicht möglich ist.“
Mehr Lieferanten, mehr Optionen
Oder man reduziert in einer globalen Lieferkette die Abhängigkeit von nur einem Komponentenlieferanten und erhält damit auch mehr Transportoptionen. „Risikomanagement in der Lieferkette spielt eine immer größere Rolle“, sagt Andreas Weigelt vom Bocholter Großkomponentenhersteller Flender. „Wir verfolgen eine Mehr-Lieferanten-Strategie und Dual Sourcing, um flexibel auf Probleme reagieren zu können.“
Zugleich fordert er: „Wir erwarten Transparenz auf höchstem Niveau bei maximaler Flexibilität und ein klares Bekenntnis zu CO2-reduzierter Beförderung.“ Ein neues Konzept soll „eine CO2-optimierte Belieferung und effizienten Materialfluss zwischen den Werken gewährleisten“. Dabei gelte „local for local“ für den Großteil der Komponenten.
Solche Unternehmensstrategien werden in Form von EU-Quoten verpflichtend für alle Einkäufer von Cleantech, wenn der Bundestag im Herbst das Umsetzungsgesetz für den Net-Zero Industry Act der EU beschließen sollte. Einen Gesetzentwurf gibt es davon noch nicht. Der Bundesverband Windenergie Offshore, der die etablierten Windparkbetreiber auf See vereint, fordert schon lange eine (stärkere) Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes bei Herstellung und Transport als qualitatives Kriterium in den Ausschreibungen.
Schmälere, leichtere Turmsegmente
Den Transport mit genehmigungsfreien Standard-Lkw durch modularen Aufbau und geringere Wanddurchmesser ermöglichen wiederum die Beton-Stahl-Hybridtürme von Bögl oder seinem Wettbewerber Fuchs. Mobile Fertigungsstätten minimieren zudem Infrastrukturkosten und Emissionen. Frühere Qualitätsprobleme bei Max Bögl Wind wurden laut Unternehmen durch neue Materialien und Techniken behoben.
Auch Wettbewerber Fuchs Europoles Wind hatte in der Vergangenheit mit technischen Problemen und Projektverzögerungen zu kämpfen. Für 2025 plant der Hersteller die Auslieferung von 75 Hybridtürmen. Bei entsprechender Nachfrage könnten nach eigener Aussage von 2026 an bis zu 200 Türme jährlich produziert werden.
„In Deutschland sorgt die längere Dauer bei Kunden und am Markt zunehmend für Frustration“, erklärt Olaf Pfaus, General Manager Projects Germany bei dem unter anderem auf Windenergiekomponenten spezialisierten Logistiker DSV Air & Sea Germany GmbH. Viele klassische Häfen seien kaum noch nutzbar.

„In Deutschland sorgt die längere Dauer von Transportgenehmigungen zunehmend für Frustration“
Olaf Pfaus vom Logistiker DSV Air and Sea Germany GmbH
Quelle: DSV
Olaf Pfaus vom Logistiker DSV Air and Sea Germany GmbH
Quelle: DSV
Felix Rehwald, Sprecher des Auricher Windturbinenherstellers (OEM) Enercon, sieht Deutschland weiter im Rückstand: „In den Niederlanden liegt die Transportgenehmigung nach drei bis vier Tagen vor und der Prozess ist komplett digitalisiert. In Deutschland dauert es meist mehrere Wochen. Wenn ein Aufbauteam wegen fehlender Komponenten stillsteht, entstehen pro Tag Zusatzkosten von mehreren Tausend Euro.“ Um das zu vermeiden, setzt man auf „vorausschauende Logistik“ und „alternative Transportoptionen“; näher äußert sich Enercon zu dem wettbewerbssensiblen Thema nicht.
Im Vergleich zu den 1990er-Jahren, als etwa für eine Enercon E-40 mit 500 kW Nennleistung und einem Rotordurchmesser von 39 Metern ein einziger Schwertransporter genügte, leisten heutige Windräder bis zu 8 MW. Ein einzelnes E-175-EP5-Blatt für 6 oder 7 MW ist knapp 86 Meter lang − was 175 Meter Durchmesser ergibt − und 23 Tonnen schwer. „Bis zu 15 Schwertransporte pro Anlage erfordern eine präzise, digitale Routenplanung“, sagt Felix Rehwald von Enercon. Digitale Planungstools sind unerlässlich, um Routen unter Berücksichtigung von Brückenlasten und Durchfahrtshöhen zu planen. „Heute wird mit Simulationen gearbeitet, um beispielsweise Kurvenradien anschaulich zu visualisieren“, erklärt Logistiker Pfaus.

Rotorblätter von Enercon, die bis zu 86 Meter lang sind, warten tagsüber an der Autobahn auf den Weitertransport
Quelle: Enercon
Quelle: Enercon
Auch die Genehmigungsprozesse entwickeln sich weiter. Zentrale Portale beschleunigen die Antragstellung, die Zentralisierung beschränkt sich aber auf Landesebene. Zwischen den Ländern bleiben digitale Lösungen uneinheitlich.
Allein für NRW werden innerhalb von drei Jahren rund 22.000 Transporte erwartet. Hochgerechnet sind das bundesweit mehrere Hundert Transporte täglich, um die nationalen Ausbauziele bis 2030 zu erreichen. Genehmigungsprozesse mit bis zu 40 beteiligten Kreis- und anderen Behörden pro Transport, die marode Infrastruktur und fehlende Koordination bremsen den Fortschritt.
Nur die Autobahn GmbH des Bundes hat für ihre Strecken ein bundeseinheitliches Bestellportal geschaffen; dessen Geburtswehen scheinen der Vergangenheit anzugehören. Der Bundesverband Windenergie (BWE) fordert spezielle Mikrokorridore für Schwertransporte und eine stärkere Einbindung der Wasserstraßen. Denn der Ausbau der Windkraft steht und fällt mit effizienterer Logistik.
Binnenwasserstraßen im Aufwind
Um Verzögerungen und Transportschäden zu minimieren, erlebt die Wasserstraße eine Renaissance als Transportweg für die Windenergiebranche. Konkret künftig mit dem Schubleichter „Rhenus Berlin 1“. Das 100 Meter lange Schiff, entwickelt von der Rhenus-Gruppe und Enercon, ist auf den Transport von Rotorblättern bis 86 Meter Länge ausgelegt − die E-175 EP5 lässt grüßen. Es befördert bis zu zwei Blätter gleichzeitig. Ein extern gekoppeltes Schubschiff manövriert es im norddeutschen Binnenwasserstraßennetz durch enge Schleusen und Kanäle.
Der Transport per Wasserstraße ist zuverlässiger, da er seltener von Baustellen oder Staus betroffen ist. Und nachhaltiger: Die CO2-Emissionen liegen bis zu 45 Prozent unter denen vergleichbarer Straßentransporte. Zudem entlastet der Schiffstransport Straßen und Brücken, während er oft schneller und einfacher genehmigt ist.
„Die Balance zwischen Rotorblattlänge und Schleusenbegrenzungen war die größte Herausforderung“, sagt David Schütz, Senior Project Manager bei der Deutschen Binnenreederei. „Die Kombination aus Schubleichter und externem Schubschiff ermöglicht die Durchfahrt durch die maximal 100 Meter langen Schleusen. Auf Rhein und Elbe können größere Schiffe und Koppelverbände eingesetzt werden, die bisher selten für Onshore-Komponenten genutzt werden, mit wenig Einschränkungen“, so Schütz. Aber: „Im norddeutschen Kanalgebiet verhindert die niedrige Brückenhöhe, Rotorblätter übereinander zu stapeln. Ziel war eine verlässliche Alternative zum Lkw, um trotz Baustellen die fristgerechte Belieferung sicherzustellen.“
So sprechen sich die OEM dafür aus, die Binnenschifffahrt auszubauen. Stellvertretend Felix Rehwald von Enercon: „Mit dem Projekt Rhenus wollen wir ausweichen können, wenn der Straßentransport in Zielregionen nicht möglich ist.“
Mehr Lieferanten, mehr Optionen
Oder man reduziert in einer globalen Lieferkette die Abhängigkeit von nur einem Komponentenlieferanten und erhält damit auch mehr Transportoptionen. „Risikomanagement in der Lieferkette spielt eine immer größere Rolle“, sagt Andreas Weigelt vom Bocholter Großkomponentenhersteller Flender. „Wir verfolgen eine Mehr-Lieferanten-Strategie und Dual Sourcing, um flexibel auf Probleme reagieren zu können.“
Zugleich fordert er: „Wir erwarten Transparenz auf höchstem Niveau bei maximaler Flexibilität und ein klares Bekenntnis zu CO2-reduzierter Beförderung.“ Ein neues Konzept soll „eine CO2-optimierte Belieferung und effizienten Materialfluss zwischen den Werken gewährleisten“. Dabei gelte „local for local“ für den Großteil der Komponenten.
Solche Unternehmensstrategien werden in Form von EU-Quoten verpflichtend für alle Einkäufer von Cleantech, wenn der Bundestag im Herbst das Umsetzungsgesetz für den Net-Zero Industry Act der EU beschließen sollte. Einen Gesetzentwurf gibt es davon noch nicht. Der Bundesverband Windenergie Offshore, der die etablierten Windparkbetreiber auf See vereint, fordert schon lange eine (stärkere) Berücksichtigung des CO2-Ausstoßes bei Herstellung und Transport als qualitatives Kriterium in den Ausschreibungen.
Schmälere, leichtere Turmsegmente
Den Transport mit genehmigungsfreien Standard-Lkw durch modularen Aufbau und geringere Wanddurchmesser ermöglichen wiederum die Beton-Stahl-Hybridtürme von Bögl oder seinem Wettbewerber Fuchs. Mobile Fertigungsstätten minimieren zudem Infrastrukturkosten und Emissionen. Frühere Qualitätsprobleme bei Max Bögl Wind wurden laut Unternehmen durch neue Materialien und Techniken behoben.
Auch Wettbewerber Fuchs Europoles Wind hatte in der Vergangenheit mit technischen Problemen und Projektverzögerungen zu kämpfen. Für 2025 plant der Hersteller die Auslieferung von 75 Hybridtürmen. Bei entsprechender Nachfrage könnten nach eigener Aussage von 2026 an bis zu 200 Türme jährlich produziert werden.

Kompakteres Design für einfachere Transporte: Flender („Winergy“) erhöht die Leistungsdichte bei Windturbinengetrieben
Quelle: Flender
Quelle: Flender
Hertha Kerz
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Dienstag, 23.09.2025, 09:40 Uhr
Dienstag, 23.09.2025, 09:40 Uhr
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