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Enerige & Management > Inside EU Energie - Sauber aber unflexibel
Quelle: Pixabay / NakNakNak / E&M
INSIDE EU ENERGIE:
Sauber aber unflexibel
Unser Brüsseler Korrespondent Tom Weingärtner kommentiert in seiner Kolumne „Inside EU Energie“ energiepolitische Themen aus dem EU-Parlament, der EU-Kommission und den Verbänden.
 
Strom aus Gaskraftwerken ist in der Regel am teuersten und wird deswegen zuletzt eingesetzt: Er steht am Ende der Meritorder. Seit die erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch sind, spielen Gaskraftwerke zwar im Hinblick auf die Menge des verfügbaren Stroms eine immer geringere Rolle, bestimmen aber in vielen Konstellationen weiter die Großhandelspreise.

Spanien ist nach einer Untersuchung der Denkfabrik Ember (Motto: „Wir wollen den Übergang zu einer sauberen und elektrifizierten Zukunft beschleunigen“) auf dem Weg zu einem vom Gas unabhängigen Strompreis bislang am weitesten gekommen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass der Blackout, der die iberische Halbinsel Ende April heimsuchte, sich ohne diesen Erfolg wahrscheinlich nicht ereignet hätte. Anders als der offizielle Bericht des Netzbetreiberverbandes Entso-E vom 7. Oktober, der die Umstände anlagenbezogen analysiert, untersucht Ember die Entwicklung des spanischen Elektrizitätsmarktes in den Jahren vor und den Monaten nach dem Ereignis. Danach ist es Spanien in den vergangenen Jahren gelungen, die Stromerzeugung aus Wind und Sonne massiv auszubauen. Die niedrigen Grenzkosten des Ökostroms hätten dazu geführt, dass die Preise im spanischen Großhandel im ersten Semester 2025 um 32 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt lagen, heißt es in der Studie.

Niedrige Grenzkosten beim Ökostrom

Obwohl Spanien mit 28 GW nach Deutschland und Italien über die meisten Gaskraftwerke verfüge, bestimme Gas auf dem spanischen Markt viel seltener den Preis. Im Jahr 2019 hätten fossile Kraftwerke den Preis noch in 75 Prozent der Stunden bestimmt, in der ersten Hälfte dieses Jahres nur noch in 19 Prozent. Im Durchschnitt wurde Strom im ersten Semester 2025 in Spanien zu 62 Euro/MWh gehandelt. Die Gestehungskosten von Strom aus Gas bewegten sich im gleichen Zeitraum zwischen 87 und 148 Euro/MWh.

Den Spaniern sei es gelungen, viel weiter vom Gas wegzukommen als anderen EU-Staaten. So bestimme Strom aus fossilen Energieträgern den Preis in Deutschland immer noch in 30 Prozent der Stunden, in Italien seien es sogar 64 Prozent. Die deutschen Großhandelspreise lagen nach der Studie im Vergleichszeitraum mit 90 Euro/MWh um fast 50 Prozent über dem spanischen Niveau.

Spanien habe seine Erneuerbaren schneller ausgebaut als alle anderen EU-Staaten (außer Deutschland) und zwischen 2019 und 2025 Windkraft- und Solaranlagen mit einer Kapazität von 40 GW ans Netz gebracht. Mit dem Ergebnis, dass 46 Prozent des Verbrauchs im ersten Semester 2025 durch Wind- und Solarstrom gedeckt wurden. Dadurch musste das Land 26 bcm weniger Gas einführen, die 13,5 Milliarden Euro gekostet hätten.

Die Rolle von Gas sei zwar zurückgedrängt worden, das Land bleibe aber zur Stabilisierung des Netzes auf diesen Energieträger angewiesen. Nach dem Blackout hätten die Netzbetreiber häufiger auf GuD-Kraftwerke zurückgegriffen, um die Spannung im spanischen Netz stabil zu halten. Auch wenn die Stromerzeugung aus Gas unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre geblieben sei. Dagegen verdreifachte sich die Zahl der Abregelungen von Windrädern und PV-Anlagen.

Damit setze sich ein Trend fort, der auch vor dem Blackout zu beobachten gewesen sei. So seien 2021 nur 0,4 Prozent der Erzeugung aus Wind und Sonne abgeregelt worden, 2023 waren es schon 1,8 Prozent und in den drei Monaten nach dem Blackout, Mai bis Juli 2025, waren es 7,2 Prozent: „Der Grund für den starken Anstieg seit April ist, dass Gaskraftwerke die Erneuerbaren bei den Netzdienstleistungen verdrängt haben.“ Umgekehrt sei der Einsatz von Gas zur Stabilisierung des Netzes von 7,8 TWh (2021) auf 13,7 TWh im vergangenen Jahr gestiegen.

​Hoher ungedeckter Bedarf an Flexibilität

Umfang und Kosten der Dienstleistungen zur Stabilisierung des spanischen Netzes haben sich dementsprechend erhöht. Im Mai dieses Jahres sei für Netzdienstleistungen doppelt so viel Gas eingesetzt worden wie im Vorjahresmonat. Der Preis dafür belief sich im Mai 2024 auf 5 Euro/MWh, im Mai 2025 waren es 24 Euro/MWh.

Als Hauptursache dieser Probleme hat Ember ausgemacht, dass zu wenig in die Infrastruktur investiert wurde. Während Spanien zwischen 2019 und 2024 beim Ausbau der Erneuerbaren an der Spitze lag, besetze es beim Netzausbau den letzten Platz. Die Spanier hätten für jeden Euro, der in neue Windkraft- und PV-Anlagen floss, nur 30 Cents ins Netz investiert, im europäischen Durchschnitt seien es 70 Cent gewesen.

Auch der Einsatz neuer Technologien zur Netzertüchtigung wie Speicher oder Digitalisierung bleibe hinter der europäischen Entwicklung zurück. Das Land sei der viertgrößte Strommarkt in der EU, verfüge aber nur über geringe Speicherkapazität und die schlechteste Anbindung an das Elektrizitätsnetz seiner Nachbarländer. Negative Großhandelspreise, die seit 2024 immer öfter auftreten, zeigen nach Ansicht von Ember einen ungedeckten Bedarf an Flexibilität.

 
Tom Weingärtner
Quelle: E&M

 
 

Tom Weingärtner
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Donnerstag, 09.10.2025, 15:03 Uhr

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