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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Risikoaufschlag nach Urteil zur Kundenanlage
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Risikoaufschlag nach Urteil zur Kundenanlage
Der EuGH hat eine bestimmte Objektversorgung in Zwickau praktisch der Netzregulierung unterworfen. Christoph Zeis von der EDG glaubt gleichwohl, dass das Energiecontracting weitergeht.
 
Der Europäische Gerichtshof hatte vergangenen November über eine konkrete BHKW-Versorgung von bis zu 200 Wohnungen vorab geurteilt, dass das Netz hinter dem Anschluss ans allgemeine Stromnetz entflochten werden muss. Er kippte damit im vorgelegten Fall die deutsche „Kundenanlagen“-Ausnahme (Aktenzeichen: C‑293/23). Dann bekämen Betreiber solcher Netze mit dem Regulierer zu tun, müssten eventuell eine Konzessionsabgabe zahlen und Anforderungen für kritische Infrastruktur erfüllen − kurz: Ihre Kosten würden steigen.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und manche Anwälte reagierten alarmiert. Der Praktiker Christoph Zeis dagegen sagt E&M: „Ja, das Urteil setzt zwar die Contractingbranche unter Druck, aber die Geschäftsmodelle mit Kundenanlagen lassen sich fortsetzen wie bisher. Wir werden bis zu einer bundesrechtlichen Neuregelung der Kundenanlage einen Risikoaufschlag erheben müssen.“ Zeis führt die Geschäfte der EDG Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe aus Nieder-Olm, die vor allem Contractingprojekte in der Region durchführt.

Natürlich werfe das Urteil Fragen auf. Solle jetzt jede Objektversorgung reguliert werden? Zeis: „Wie weit soll das gehen? Doch nicht bis zu jedem Hausnetz? Bis zum Einfamilienhaus? Bis zur Einliegerwohnung etwa?“ Das alles kann sich Zeis nicht vorstellen und bringt das Beispiel eines EDG-Projekts, das aus seiner Sicht für die Kundenanlagenprivilegierung spricht: In Nieder-Olm versorgt die EDG aus einem BHKW und einer Photovoltaikanlage acht Mehrfamilienhäuser mit Strom und Wärme.

Doch nicht mal die Wege zwischen den Häusern seien öffentlich, also sei hier auch das von der EDG gelegte Stromnetz keines der allgemeinen Versorgung. Daher falle auch keine Konzessionsabgabe an. Der Netzverknüpfungszähler und das dahinterstehende Messkonzept stammen ebenfalls von der EDG.
 
Christoph Zeis
Quelle: EDG

Das Entscheidende an der Auslegung mit Blick auf den Sinn der EU-Strombinnenmarktrichtlinie von 2019 und ihre Vorgängerin: „Wir müssen Wettbewerb zulassen. Es kommt selten vor, dass jemand von anderswo Strom beziehen möchte, weil unser Mieterstrompreis natürlich relativ günstig ist, aber wenn, dann funktioniert das problemlos. Die Mieter haben keine höheren Hürden.“

Die Richtlinie gibt die Ausnahmen für „geschlossene Verteilernetze“, die für den Stromwettbewerb keine Rolle spielen oder deren Nutzer ohnehin technisch voneinander abhängig sind, abschließend vor. Industrieeigenversorgungen oder Industrieparks zum Beispiel.

Geht ein Mieter in Nieder-Olm dennoch zum Stromwettbewerber, haben im Hintergrund die EDG und der vorgelagerte Verteilnetzbetreiber einen Mehraufwand: Die EDG muss für den Mieter eine eigene Marktlokationsnummer beantragen, damit dessen Strommenge zuzuordnen ist.

Auch ans Mieterstromgesetz ran

Für Christoph Zeis steht fest: Der Bundesgesetzgeber ist jetzt gefordert, die „Kundenanlage“ im Energiewirtschaftsgesetz neu zu regeln.
Es sei auch wichtig, das Mieterstromgesetz so zu novellieren, dass es unbürokratisch funktioniert. Aber Zeis selbst sieht auch ein wachsendes Problem: Wenn mehr Endkunden mit PV auf dem Dach und Speicher im Keller allenfalls noch Reststrom aus dem allgemeinen Netz ziehen und damit Netzentgelte sparen, werden letztere tendenziell steigen, weil sie auf weniger Stromabsatz umgelegt werden.

Zeis: „Wir Prosumer werden akzeptieren müssen, uns an den Netzkosten der letzten Kilowattstunde zu beteiligen, denn wir benötigen hierzu den Netzanschluss!“ Derzeit sehe es wegen des komplizierten Gesetzes ohnehin so aus: „Das Mieterstromgesetz ist geeignet, Mieterstrom zu verhindern!“

Auch Verwaltungsrechtler Sebastian Helmes bei der Kanzlei Dentons sieht Gesetzgebungsbedarf − mit fast gegenteiliger Rechtsauffassung. Ihm zufolge lässt sich der vom EuGH entschiedene Einzelfall verallgemeinern, weil die Begründung „sehr grundsätzlich ausgefallen“ sei.

Helmes erklärt daher: Mit der „Privilegierung ,nebenberuflicher Netzbetreiber‘“ könne es vorbei sein, „zumindest soweit es um Pflichten geht, die unionsrechtlich verbindlich vorgegeben sind“, etwa die buchhalterische Entflechtung von Stromverkauf und -transport.

Es spreche sogar einiges dafür, dass auch „Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung“, also etwa Industriekraftwerke zur ausschließlichen Versorgung des konzerneigenen Werks, den Unbundling-Vorschriften unterlägen.
Ähnlich alarmiert äußerten sich Helmes’ Berufskollegen von RE Rechtsanwälte („Bye, bye, Kundenanlage“) und der Verband kommunaler Unternehmen („Begriff der Kundenanlage europarechtswidrig“).

Anwalt: „Kundenanlage“ bleibt in jedem Fall

Peter Nümann von Nümann + Siebert Rechtsanwälte widerspricht in einer Kurzanalyse für die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS): Die „Kundenanlage“ werde „keinesfalls“ verschwinden und mit den „PV-Mieten Plus“-Konzepten der DGS müsse ein Versorger hinter dem Anschluss zum allgemeinen Netz weder Netzentgelte erheben noch zahlen.

Engie Deutschland hatte 2020 in Zwickau für zwei Wohnblocks einer Genossenschaft mit 96 und 160 Wohneinheiten, die zuvor stromseitig direkt am Verteilnetz der Zwickauer Energieversorgung (ZEV) hingen, zwei BHKW (20 und 40 kWel) errichtet samt Hausnetzen für Strom und Wärme. Und klagt seither gegen die ZEV, endlich die Versorgung als Kundenanlage anzuerkennen sowie zwei Elektrohauptanschlüsse und Zählpunkte herauszurücken.

Erst der Bundesgerichtshof signalisierte, dass er zu Engies Auffassung neigt. Im November 2024 dann das gegenteilige EuGH-Urteil. Der Prozess geht am BGH weiter.
 

Georg Eble
Redakteur
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Donnerstag, 20.02.2025, 09:00 Uhr

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