
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
RechtEck: Stromnetze unter Spannung
Wie geht es weiter im Umgang mit (drohenden) Kapazitätsengpässen? Erläuterungen von Thies Christian Hartmann und Alexander Bartsch*.
Betreiber von Stromnetzen konnten bislang in der Regel problemlos Netzanschlusskapazität zur Verfügung stellen und Netzanschlussbegehren
zeitnah und umfänglich erfüllen. In letzter Zeit haben sich die Rahmenbedingungen jedoch spürbar geändert. Zum einen führen
die Energiewende und die damit verbundenen technologischen Entwicklungen (zum Beispiel Elektrifizierung der Wärmeversorgung
und Mobilität) zu einer gesteigerten Nachfrage nach Netzanschlusskapazität, etwa durch die Betreiber von Großspeichern und
-wärmepumpen sowie von Ladeparks. Zum anderen hat auch die zunehmende Digitalisierung und der damit verbundene Ausbau zum
Beispiel von Rechenzentren erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der benötigten Kapazität im Netz. Dies führt vielerorts zu
spürbaren Lastzuwächsen, insbesondere in Spannungsebenen oberhalb der Niederspannung.
Mit Blick auf die europäischen und nationalen politischen Zielsetzungen sowie den technologischen Fortschritt ist davon auszugehen, dass die derzeit schon hohe Nachfrage nach Kapazität in den nächsten Jahren noch weiter steigen dürfte. Das hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die Netze und dürfte künftig vermehrt dazu führen, dass es Netzbetreibern nicht immer möglich ist, alle Netzanschlussanfragen vollständig und unmittelbar zu erfüllen. Problematisch ist oftmals, dass der notwendige Netzausbau etwa aufgrund der Komplexität der Planung, der Vielzahl der Beteiligten oder auch aufgrund von Lieferengpässen bei notwendigen Komponenten mehrere Monate bis Jahre dauern kann.
Im Falle des (drohenden) Kapazitätsengpasses kann es erforderlich sein, eine grundsätzliche Rangfolge der Anschlusspetenten vorzusehen, um nachteilige Auswirkungen auf das gesamte Netz zu vermeiden. Bislang gibt es keine gesetzlichen oder regulatorischen Vorgaben für die Vergabe von Netzanschlusskapazität in Spannungsebenen oberhalb der Niederspannung.
Die Bundesnetzagentur veröffentlichte daher Ende 2024 ein Konsultationspapier zum Verfahren zur Zuteilung von Entnahmeleistungen aus Netzebenen oberhalb der Niederspannung (BK6-24-245). Das Konsultationsverfahren stellte die Behörde jedoch Anfang 2025 bereits wieder ein, da sich das von ihr vorgeschlagene Repartierungsverfahren als Branchenlösung nicht konsensfähig gezeigt hatte. Die BNetzA wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es jedem Netzbetreiber selbst überlassen bleibe, ein den Anforderungen des § 17 EnWG genügendes Verfahren zu entwickeln und anzuwenden. Zur Wahrung von Transparenz und Vermeidung von Diskriminierung müssten die Netzbetreiber das bei ihnen zur Anwendung kommende Verfahren und die damit verbundenen Verfahrensregeln zudem auf ihrer Internetseite veröffentlichen.
Netzbetreiber stehen vor diesem Hintergrund aktuell vor der Herausforderung, ein den Anforderungen des § 17 EnWG genügendes Verfahren zur Zuteilung von Entnahmeleistungen auszuwählen und die damit verbundenen Verfahrensregeln zu beschreiben, diese zu veröffentlichen und zukünftig konsequent anzuwenden.
Konkurrierenden Anschlussbegehren und Risiken
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Umsetzung ist die gesetzliche Netzanschlusspflicht aus § 17 Abs. 1 EnWG. Netzbetreiber haben danach Letztverbraucher, gleich- oder nachgelagerte Elektrizitätsversorgungsnetze sowie -leitungen, Ladepunkte für Elektromobile, Erzeugungsanlagen sowie Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die insbesondere angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sind. Sie können einen Netzanschluss verweigern, soweit sie im Einzelfall nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzanschlusses aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dies umfasst grundsätzlich auch schon bisher die Möglichkeit zur (zeitweisen) Ablehnung von Netzanschlussbegehren im Falle eines Kapazitätsmangels. Auch in der Vergangenheit stellte sich dabei die Frage, wie die Zuteilung von Entnahmeleistung im Falle eines (drohenden) Kapazitätsengpasses erfolgt.
Grundsätzlich weiter möglich erscheint ein Anknüpfen an den zeitlichen Eingang des Netzanschlussbegehrens („Windhundprinzip“). Konkurrierenden Anschlussbegehren und Risiken der Blockierung von Entnahmekapazitäten kann durch die praxisbewährten Instrumente der Reservierungsgebühr, des Baukostenzuschusses und der nachzuweisenden Projektfortschritte im Rahmen eines Realisierungsfahrplans begegnet werden, mit denen sich ein rechtskonformes Verteilungsverfahren effektiv und sinnvoll gestalten lässt. Vorbild ist das Anschlussverfahren nach der Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (KraftNAV).
Als weiteres Instrument beim Umgang mit (drohenden) Kapazitätsengpässen kommt der Abschluss von flexiblen Netzanschlussvereinbarungen in Betracht. Der Gesetzgeber hat hierzu kürzlich eine Regelung in § 17 Abs. 2b EnWG (sowie parallel in § 8a EEG) aufgenommen. Grundgedanke entsprechender Vereinbarungen ist, dass die Entnahme- beziehungsweise Einspeiseleistung nicht unbeschränkt zu Verfügung gestellt, sondern statisch oder dynamisch begrenzt wird. Die Mindestinhalte einer solchen Vereinbarung sind gesetzlich vorgegeben.
Der „Ball“ liegt nun bei den Netzbetreibern. Diese müssen die neuen Vorgaben ausfüllen und ein „Paket“ mit Verfahrens- und Vertragsregeln zum Umgang mit (drohenden) Kapazitätsengpässen in ihrem Netz „schnüren“ und zukünftig anwenden.
* Thies Christian Hartmann und Alexander Bartsch, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held (BBH)
Mit Blick auf die europäischen und nationalen politischen Zielsetzungen sowie den technologischen Fortschritt ist davon auszugehen, dass die derzeit schon hohe Nachfrage nach Kapazität in den nächsten Jahren noch weiter steigen dürfte. Das hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die Netze und dürfte künftig vermehrt dazu führen, dass es Netzbetreibern nicht immer möglich ist, alle Netzanschlussanfragen vollständig und unmittelbar zu erfüllen. Problematisch ist oftmals, dass der notwendige Netzausbau etwa aufgrund der Komplexität der Planung, der Vielzahl der Beteiligten oder auch aufgrund von Lieferengpässen bei notwendigen Komponenten mehrere Monate bis Jahre dauern kann.
Im Falle des (drohenden) Kapazitätsengpasses kann es erforderlich sein, eine grundsätzliche Rangfolge der Anschlusspetenten vorzusehen, um nachteilige Auswirkungen auf das gesamte Netz zu vermeiden. Bislang gibt es keine gesetzlichen oder regulatorischen Vorgaben für die Vergabe von Netzanschlusskapazität in Spannungsebenen oberhalb der Niederspannung.
Die Bundesnetzagentur veröffentlichte daher Ende 2024 ein Konsultationspapier zum Verfahren zur Zuteilung von Entnahmeleistungen aus Netzebenen oberhalb der Niederspannung (BK6-24-245). Das Konsultationsverfahren stellte die Behörde jedoch Anfang 2025 bereits wieder ein, da sich das von ihr vorgeschlagene Repartierungsverfahren als Branchenlösung nicht konsensfähig gezeigt hatte. Die BNetzA wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es jedem Netzbetreiber selbst überlassen bleibe, ein den Anforderungen des § 17 EnWG genügendes Verfahren zu entwickeln und anzuwenden. Zur Wahrung von Transparenz und Vermeidung von Diskriminierung müssten die Netzbetreiber das bei ihnen zur Anwendung kommende Verfahren und die damit verbundenen Verfahrensregeln zudem auf ihrer Internetseite veröffentlichen.
Netzbetreiber stehen vor diesem Hintergrund aktuell vor der Herausforderung, ein den Anforderungen des § 17 EnWG genügendes Verfahren zur Zuteilung von Entnahmeleistungen auszuwählen und die damit verbundenen Verfahrensregeln zu beschreiben, diese zu veröffentlichen und zukünftig konsequent anzuwenden.
Konkurrierenden Anschlussbegehren und Risiken
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Umsetzung ist die gesetzliche Netzanschlusspflicht aus § 17 Abs. 1 EnWG. Netzbetreiber haben danach Letztverbraucher, gleich- oder nachgelagerte Elektrizitätsversorgungsnetze sowie -leitungen, Ladepunkte für Elektromobile, Erzeugungsanlagen sowie Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die insbesondere angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sind. Sie können einen Netzanschluss verweigern, soweit sie im Einzelfall nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzanschlusses aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dies umfasst grundsätzlich auch schon bisher die Möglichkeit zur (zeitweisen) Ablehnung von Netzanschlussbegehren im Falle eines Kapazitätsmangels. Auch in der Vergangenheit stellte sich dabei die Frage, wie die Zuteilung von Entnahmeleistung im Falle eines (drohenden) Kapazitätsengpasses erfolgt.
Grundsätzlich weiter möglich erscheint ein Anknüpfen an den zeitlichen Eingang des Netzanschlussbegehrens („Windhundprinzip“). Konkurrierenden Anschlussbegehren und Risiken der Blockierung von Entnahmekapazitäten kann durch die praxisbewährten Instrumente der Reservierungsgebühr, des Baukostenzuschusses und der nachzuweisenden Projektfortschritte im Rahmen eines Realisierungsfahrplans begegnet werden, mit denen sich ein rechtskonformes Verteilungsverfahren effektiv und sinnvoll gestalten lässt. Vorbild ist das Anschlussverfahren nach der Kraftwerks-Netzanschlussverordnung (KraftNAV).
Als weiteres Instrument beim Umgang mit (drohenden) Kapazitätsengpässen kommt der Abschluss von flexiblen Netzanschlussvereinbarungen in Betracht. Der Gesetzgeber hat hierzu kürzlich eine Regelung in § 17 Abs. 2b EnWG (sowie parallel in § 8a EEG) aufgenommen. Grundgedanke entsprechender Vereinbarungen ist, dass die Entnahme- beziehungsweise Einspeiseleistung nicht unbeschränkt zu Verfügung gestellt, sondern statisch oder dynamisch begrenzt wird. Die Mindestinhalte einer solchen Vereinbarung sind gesetzlich vorgegeben.
Der „Ball“ liegt nun bei den Netzbetreibern. Diese müssen die neuen Vorgaben ausfüllen und ein „Paket“ mit Verfahrens- und Vertragsregeln zum Umgang mit (drohenden) Kapazitätsengpässen in ihrem Netz „schnüren“ und zukünftig anwenden.
* Thies Christian Hartmann und Alexander Bartsch, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held (BBH)
Redaktion
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Montag, 16.06.2025, 09:17 Uhr
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