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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - RechtEck: Chancen und Risiken für die Industrie
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
RechtEck: Chancen und Risiken für die Industrie
Die Bundesnetzagentur plant eine grundlegende Reform der Sondernetzentgelte für stromintensive Industriekunden, erläutern Dr. Thies Christian Hartmann und Sabine Gauggel* . 
 
Hierfür hat die Bundesnetzagentur am 24. Juli 2024 ein Eckpunktepapier veröffentlicht, das erhebliche Veränderungen vorsieht. Aktuell ermöglicht §  19 StromNEV stromintensiven Unternehmen, individuelle Netzentgelte zu vereinbaren, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. So können Letztverbraucher, bei denen die Jahreshöchstlast vorhersehbar in lastschwachen Zeiten auftritt, oder Letztverbraucher, die das Netz intensiv nutzen (jährlich mindestens 7.000 Benutzungsstunden bei einem Verbrauch von mindestens 10 GWh), ein individuelles Netzentgelt vereinbaren. Diese Bandlastregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2-4 StromNEV wird dabei derzeit durch die Festlegung BK4-22-089 flexibilisiert, die den Unternehmen insbesondere erlaubt, auf Marktsignale zu reagieren, ohne die Entgeltprivilegierung als Bandlastverbraucher zu gefährden. 

Die Behörde beabsichtigt nun insbesondere eine vollständige Abschaffung des bisherigen Modells der Sondernetzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV. Anders als bisher nach § 19 Abs. 2 Satz 2-4 StromNEV soll das Erreichen einer Bandlast zukünftig nicht mehr zur Beanspruchung eines Sondernetzentgelts berechtigen. Unklar bleibt dagegen die Zukunft der Sondernetzentgelte für atypische Netznutzung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV. 

Anstelle der bisherigen Bandlast soll ein neues an den Marktpreis gekoppeltes Flexibilitätsentgelt mit regionalen Ausnahmen geschaffen werden. Danach soll eine Netzentgeltreduktion nur denjenigen Unternehmen gewährt werden, die ihr Abnahmeverhalten flexibel in Zeiträumen besonders niedriger beziehungsweise besonders hoher Strompreise anpassen.

In Regionen mit geringer dezentraler Einspeisung sollen Ausnahmen gelten. Für bestehende Vereinbarungen soll es Übergangsregelungen geben. Wen trifft wie der Grundsatz, welche Flexibilität wird von welcher Branche gefordert? Drohen stranded investments? Wo gelten die regionalen Ausnahmen, wie lange kann damit geplant werden? Wer hat Bestandsschutz, wie lange gilt dieser, verliert man Bestandsschutz bei Änderungen bestehender Vereinbarungen?

Die Reform zielt nach Angaben der BNetzA darauf ab, Anreize für ein systemdienliches Abnahmeverhalten für die Industrie zu setzen. Durch eine Kopplung der Netzentgelte an Strompreisschwankungen sollen Unternehmen ihren Verbrauch flexibel anpassen, um die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern und Netzengpässe zu reduzieren.

Aus energiewirtschaftlicher Sicht ist bereits die mit den Plänen der Bundesnetzagentur einhergehende Verknüpfung von Markt und Netz problematisch, da Marktpreise und Netzauslastung nicht immer korrelieren. Flexible Verbrauchsanpassungen könnten Netzengpässe vielmehr verschärfen. Die BNetzA selbst warnte bereits in einem Bericht zur Netzentgeltsystematik 2015 vor eben solchen Übersteuerungen. Jetzt soll dies im Grundsatz nicht mehr gelten und nur noch zu den benannten regionalen Ausnahmen führen.

Die Abschaffung der Bandlastprivilegierung ist rechtlich nicht zwingend. Sowohl die nationale als auch europäische Rechtsprechung haben die Rechtmäßigkeit der Netzentgeltreduzierung nach § 19 Abs. 2 StromNEV bislang in verschiedenen Entscheidungen – zuletzt das Europäische Gericht mit einem obiter dictum in seinem Urteil vom 06.10.2021 (T – 196/19, Rn. 129) – sogar bestätigt.

Die Vielzahl an geplanten und zwangsläufig erforderlichen Ausnahmeregelungen birgt das Risiko, für Rechtsunsicherheit zu sorgen, und weckt Bedenken an der Praktikabilität und Effektivität der avisierten Regelung. 

Eine Fortführung und Optimierung des aktuellen Modells erscheint vorzugswürdig. Die Nachteile der starren Bandlastregelung werden bereits durch die bestehende Festlegung der BNetzA (Az. BK4-22-089) kompensiert, die gerade flexibles Abnahmeverhalten fördert und damit viele der jetzt von der BNetzA formulierten Bedenken an der starren Bandlast bereits berücksichtigt. Industrieunternehmen erhalten dabei unmittelbar durch die Marktpreisentwicklung Anreize, ihr Abnahmeverhalten zu flexibilisieren, ohne dabei die Bandlastprivilegierung zu verlieren. Das aktuelle Modell fördert sowohl die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen als auch die Netzstabilität durch planbare Stromabnahme. 

Die Eckpunkte wurden bis zum 18. September 2024 konsultiert. Das Festlegungsverfahren muss zügig fortgeführt werden, wenn die neuen Regelungen tatsächlich ab dem 1. Januar 2026 gelten sollen und die BNetzA sich nicht wenigstens bis zum Auslaufen der StromNEV zum Jahr 2029 Zeit lässt. Dabei wirkt die Reform übereilt. Die Eckpunkte lassen die Tatsachengrundlage noch nicht erkennen.

Wünschenswert ist ein intensiver Dialog mit der Industrie und eine ausgewogene Lösung, die anstelle eines grundlegend neuen Modells auf den vorhandenen Regeln aufsetzt. Sinnvoller als eine erzwungene Flexibilität in der Produktion scheint es, bestehende Flexibilitätshemmnisse abzubauen und Bandlastkunden dort eine flexible Abnahme zu ermöglichen (statt sie zu erzwingen), wo sie sinnvoll und möglich ist.

*Dr. Thies Christian Hartmann und Sabine Gauggel, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin 
 

Redaktion
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Donnerstag, 17.10.2024, 08:59 Uhr

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