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Enerige & Management > Wasserstoff - Rechnungshof will Realitätscheck für H2-Strategie
Quelle: Shutterstock / r.classen
WASSERSTOFF:
Rechnungshof will Realitätscheck für H2-Strategie
Die Ziele der EU beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft sind nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes (ECA) zu ehrgeizig.
 
Nach einem Bericht der europäischen Rechnungsprüfer hat die EU auf dem Weg zu einem Markt für Wasserstoff „bislang nur bescheidene Erfolge“ erzielt. Ein Grund dafür sei, dass die Kommission zu ehrgeizige Ziele für die Erzeugung und den Import von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen festgelegt habe.

Sie habe sich dabei von ihrem politischen Willen, aber nicht von einer soliden Analyse leiten lassen, sagte ECA-Mitglied Stef Blok bei der Vorstellung des Berichtes. Die Industriepolitik der Union trage den Gegebenheiten, denen sich die EU gegenübersehe, nicht ausreichend Rechnung: „Die EU sollte einen strategischen Weg zur CO2-Neutralität nehmen, der die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien nicht beeinträchtigt oder neue strategische Abhängigkeiten schafft.“

Die Vorgabe der Kommission, in der EU müssten bis 2030 mindestens 10 Millionen Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt und noch einmal soviel importiert werden, halten die Rechnungsprüfer für unrealistisch. Zumal die Ambitionen der Mitgliedsstaaten nicht immer im Einklang mit diesen Zielen stünden und die Kommission nicht dafür gesorgt habe, dass alle Beteiligten an einem Strang zögen.

Viel Förderung, wenig Klarheit

Die Kommission habe zwar die meisten Rechtsakte, die für den Aufbau eines europäischen Wasserstoffmarktes notwendig seien, zügig vorgelegt, die Einigung mit dem Ministerrat und dem Parlament darüber, was als erneuerbarer Wasserstoff gelte, habe aber zu lange gedauert. Viele Investitionsentscheidungen seien deswegen verschoben worden. Unklarheit herrsche auch darüber, wie sich die Nachfrage nach grünem Wasserstoff entwickele. Die Vorschriften über staatliche Beihilfen für Wasserstoffprojekte seien zwar geändert worden, um solche Beihilfen zu erleichtern. Die Anmeldung und Genehmigung der Beihilfen habe sich dadurch aber nicht beschleunigt. Die Kommission habe weder einen Überblick über den Finanzierungsbedarf noch über die verfügbaren öffentlichen Mittel.

Der ECA selbst schätzt, dass für grüne Wasserstoffprojekte im Zeitraum 2021 bis 2027 rund 18,8 Milliarden Euro Fördermittel im Haushalt der EU zur Verfügung stehen. Hinzu kommen Mittel aus dem Modernisierungsfonds der EU, der aus dem ETS gespeist wird, sowie günstige Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die Fördermittel seien aber über mehrere Programme verteilt, für die Unternehmen unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen müssten. „Die Industrie ist mit einer Reihe verschiedener EU-Förderprogramme mit unterschiedlichen Regeln konfrontiert, was es schwierig macht, das für ein bestimmtes Projekt am besten geeignete Programm zu bestimmen“, heißt es in dem Bericht.

Drei zentrale Fragen

Der größte Teil der Fördermittel gehe in die EU-Staaten mit einem großen, industriellen Sektor: Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Spanien. Allerdings hätten weder die Kommission noch die Mitgliedsstaaten eine fundierte Vorstellung von der Höhe der für die Umsetzung der Wasserstoffstrategie notwendigen Investitionen. Die von der Kommission zugrunde gelegten Zahlen seien widersprüchlich. Trotz der üppigen Fördermittel sei nicht sichergestellt, dass die EU ihr Potential zur Erzeugung von grünem Wasserstoff vollständig nutze.

Dafür müsse ein Kernnetz von Wasserstoff-Leitungen entstehen, mit dem grüner Wasserstoff von den Erzeugern zu den Abnehmern transportiert werden könne. Der ECA geht davon aus, dass Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Schweden, Finnland und Polen die besteh Voraussetzungen haben, um grünen Wasserstoff zu erzeugen und in andere EU-Staaten zu exportieren. Den größten Bedarf sehen die Rechnungsprüfer an den Industriestandorten in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und den Niederlanden.

90 Prozent der Leitungsprojekte in einem fortgeschrittenen Stadium befänden sich aber in nur vier Staaten: Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Eine Gesamtstrategie oder eine Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten vermisst der ECA auch für die Wasserstoffimporte. Inzwischen habe die EU 9 Partnerschaften mit Drittstaaten im Bereich Wasserstoff vereinbart, die Mitgliedsstaaten ihrerseits hätten 27 eigene Partnerschaften mit Drittstaaten begründet.

Die Prüfer fordern die Kommission deswegen auf, ihre Wasserstoff-Strategie zu aktualisieren und dabei Antworten auf drei „zentrale Fragen“ zu geben:
  • Wie können Marktanreize für die Erzeugung von grünem oder CO2-armem Wasserstoff geschaffen werden?
  • Welche Teile der Wertschöpfungskette sollten vorrangig von der EU gefördert werden ?
  • Welche Industriezweige sollten aus geopolitischen Gründen in der EU gehalten werden und zu welchem Preis ?
Die Kommission verweist in einer Stellungnahme zu dem Bericht darauf, dass es in der EU bereits 284 Projekte zur Herstellung, zum Transport oder der Nutzung von grünem Wasserstoff gebe, davon seien 170 bereits im Betrieb. Diese Entwicklung zu einem europäischen Wasserstoffmarkt müsse jetzt beschleunigt werden.

Der Sonderbericht „Die Industriepolitik der EU im Bereich erneuerbarer Wasserstoff: Rechtsrahmen weitgehend angenommen – Zeit für einen Realitätscheck“  ist online auf den Internetseiten des Europäischen Rechnungshofs verfügbar. 
 

Tom Weingärtner
© 2024 Energie & Management GmbH
Mittwoch, 17.07.2024, 11:00 Uhr

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