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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Preisobergrenze im Fokus + Bewertung auf gesetzlicher Grundlage
Quelle: Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Preisobergrenze im Fokus + Bewertung auf gesetzlicher Grundlage
EY und BET haben eine Analyse zur Digitalisierung der Energiewende vor- und eine Reihe von Defiziten offengelegt. Der Auftrag dafür kam vom Bundeswirtschaftsministerium.
 
Keine Sekunde zögern Jan Kircher, Partner bei EY Consulting, und Wolfgang Zander, Mitgründer, langjähriger Geschäftsführer und heute Generalbevollmächtigter von BET, bei der Frage, welcher der in ihrer Analyse betrachteten Bereiche in der Branche auf die größte Resonanz gestoßen ist: „Das war ganz klar die Preisobergrenze“, sagt Zander. Und Kircher fügt hinzu: „Das ist nicht verwunderlich, da die Preisobergrenze ein ganz wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs ist.“

Die Preisobergrenze ist einer von drei Bereichen, zu denen das Bundeswirtschaftsministerium nach § 48 des Messstellenbetriebsgesetzes in regelmäßigen Abständen eine Bewertung abgeben muss. Weitere Themen sind die Entwicklung der Digitalisierung der Energiewende, deren Rechtsrahmen, sowie die Nachhaltigkeit und der Nutzen der intelligenten Messsysteme.

Tatsächlich gibt es mehrere Preisobergrenzen. Kunden mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 kWh, die dem Gesetz nach ein intelligentes Messsystem erhalten müssen, dürfen nicht mehr als 20 Euro für dessen Einbau und Betrieb in Rechnung gestellt werden. Der Netzbetreiber übernimmt weitere 80 Euro für dieses intelligente Messsystem, sodass dem Messstellenbetreiber 100 Euro Erlös, allerdings brutto, zufließen. Der Betrag steigert sich bis zur Gruppe der Kunden mit einem Jahresverbrauch zwischen 50.000 und 100.000 kWh auf 200 Euro (120 Euro vom Kunden und 80 Euro vom Netzbetreiber).

Kritischer ist aus Sicht der Messstellenbetreiber, wenn ein Kunde, der weniger als 6.000 kWh verbraucht und damit nicht zu den Pflichteinbaufällen gehört, ein intelligentes Messsystem wünscht, denn hier greift eine Preisobergrenze je nach Verbrauch von insgesamt nur 30 beziehungsweise 60 Euro, ebenfalls brutto.
Die Berater von EY und BET haben insgesamt 39 Messstellenbetreiber, die zusammen rund ein Drittel der Messstellen in Deutschland abdecken, im Rahmen einer Kostenanalyse befragt. „Wir konnten verifizieren, dass die aktuellen Preisobergrenzen nicht ausreichen, um die Kosten zu decken“, bringt Kircher das Ergebnis kurz und knapp auf den Punkt.

Da die Angaben der Messstellenbetreiber eine sehr große Streuung ergaben, haben sich die Berater dazu entschlossen, den Fokus auf den Median und das 25-Prozent-Quantil zu legen und demnach einen grundzuständigen Messstellenbetreiber zu modellieren, der kostenmäßig in der Mitte liegt, und einen, der geringere Kosten als 75 Prozent und höhere Kosten als 25 Prozent der Befragten aufweist.

Darüber hinaus war den Autoren besonders wichtig, das Mengengerüst so genau wie nur irgendwie möglich abzuleiten. Dazu wurden Gebäudestrukturdaten mit Daten über den bis 2032 erwarteten Ausbau von steuerbaren Verbrauchsanlagen und PV-Anlagen verschnitten. So wurde ein jahresscharfes Szenario für den Rollout nach Einbaufällen erarbeitet.
 
Deutliche Zunahme an Pflichteinbaufällen 
 
Noch zur Amtszeit von Peter Altmaier (CDU) als Bundeswirtschaftsminister wurde die sogenannte BWMi/BSI-Roadmap auf den Weg gebracht. Auf dieser Basis waren Ministerium und Bundesamt in ihrem Bericht „Technische Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Standards“ noch im Jahr 2021 von etwa 15 Millionen verpflichtenden und optionalen Einbaufällen bis 2030 ausgegangen.

Mit der Umsetzung von § 14a EnWG und der damit verbundenen Pflicht, steuerbare Verbraucher und PV-Anlagen ab 7 kW in der Niederspannung mit einem intelligenten Messsystem auszurüsten, sind diese Zahlen weitgehend Makulatur. In ihren Berechnungen kommen die Berater von EY und BET bis 2032 allein auf rund 28 Millionen verpflichtende Einbaufälle für „Energiewendeanlagen“. Hinzu kommen noch die unterhalb der Preisobergrenzen vergüteten optionalen Einbaufälle auf Kundenwunsch.

Leon Bücher nimmt in der Beratungspraxis wahr, dass längst nicht alle Messstellenbetreiber sich dieser Zahlen bewusst sind. „Häufig basieren die aktuellen Rollout-Planungen noch auf Zahlen von 2015 oder 2016“, berichtet der Digitalisierungsspezialist von BET, der an der Untersuchung mitgearbeitet hat. Deshalb biete die vorliegende Analyse einen großen Nutzen für die Branche.

Wolfgang Zander ist sich sogar sicher, dass die Branche bisher keine auch nur annähernd so genaue Projektion zur Verfügung hatte, was an obligatorischen und optionalen Einbaufällen der intelligenten Messsysteme auf sie zukommt. Damit stehe die Untersuchung der Kosten und letztlich die Diskussion über die Höhe der Preisobergrenzen auf einer objektiven und soliden Grundlage.

Überraschenderweise habe der 1:n-Ansatz nicht die erwarteten und letztlich erhofften Effekte gezeigt, sagt Kircher. Die Möglichkeit, beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus mehrere Zähler an ein Smart Meter Gateway anzuschließen, könne zwar die Kosten etwas dämpfen, aber am Ende nicht die entscheidende Kostendegression bringen, um die Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs im Rahmen der geltenden Preisobergrenze zu gewährleisten.

Ein wesentlicher Grund dafür ist der große Anteil der Smart-Meter-Gateway-Administration an den Kosten des Messstellenbetriebs. Nach Einschätzung der Studienverfasser liegt dies zum einen an der Marktkonsolidierung in der Gruppe der Administratoren beziehungsweise am unzureichenden Wettbewerb in diesem Segment. Ein solch „kritischer Pfad“, wie es Zander formuliert, sei auch bei den Softwareanbietern für Gateway-Administration zu beobachten.

Zum anderen sei die mangelnde Digitalisierung der Prozesskette vor und hinter der Gateway-Administration, was immer wieder ein händisches Eingreifen erfordere, zurzeit noch ein wesentlicher Kostentreiber. Als „sehr ernüchternd“ bezeichnet Zander diese Feststellung.

Doch der Markt wird reifen, der Digitalisierungsgrad im Markt wird zunehmen und mit dem fortschreitenden Rollout werden sich auch Skaleneffekte bemerkbar machen. „Deshalb haben wir auch in einem Szenario die Kostenentwicklung in den nächsten Jahren abgebildet“, so Kircher, der optimistisch − zumindest in dieser Frage − in die Zukunft blickt. Man könne davon ausgehen, dass das derzeit noch hohe Kostenniveau der Gateway-Administration deutlich sinken werde, wobei die Laufzeit der Verträge zwischen Messstellenbetreiber und Administrator den Verlauf der Kostendegression sehr stark beeinflusse.
 
Hemmnisse für Wechsel des Gateway-Administrators
 
Damit ist die Liste der Kostentreiber noch längst nicht abgeschlossen. Denn auch beim Wechsel des Gateway-Administrators liegt noch vieles im Argen. Wer sich als Messstellenbetreiber zu diesem Schritt entschließt, muss in der Regel das Smart Meter Gateway ausbauen – ein weiteres Indiz für die Unreife des Marktes.

Es geht vor allem um einen Chip. Dieses sogenannte Hardware Security Module unterstütze den Security-by-Design-Ansatz des BSI und gestatte immer nur einem bestimmten Gateway-Administrator den Zugriff, erläutert Leon Bücher. Ein gewisser Anpassungsbedarf, um mehr Nachhaltigkeit in das intelligente Messwesen zu bringen, sei schon vor der Untersuchung aus dem Markt gegenüber dem BSI artikuliert worden. „Hier weiterführende Bestimmungen zu erlassen, hat das BSI auf der Agenda“, weiß der BET-Berater.

Auch beim Thema der Interchangeability am Smart Meter Gateway gibt es den Autoren zufolge noch dicke Bretter zu bohren. Denn die Vorgaben des BSI reichen noch nicht so weit, dass ein Messstellenbetreiber mit seiner Software jedes auf dem Markt verfügbare Gateway oder künftig auch Steuerboxen im Feld betreiben kann. Es geht dabei beispielsweise um die „Verpackung“ der Daten oder um die Kommunikation über die WAN-Schnittstelle der Geräte.

Am Ende wird die Frage sein, ob Gateway-Hersteller, Softwareanbieter und die Marktrollen sich auf Standards einigen können, die tatsächlich die Austauschbarkeit von Geräten gewährleisten oder sogar dazu führen, dass bei einem Wechsel des Messstellenbetreibers oder des Gateway-Administrators keine funktionierenden Geräte mehr ausgebaut werden müssen − ganz im Sinne der Vermeidung von Elektroschrott und der Förderung der Nachhaltigkeit. Auch dies ist ein Themenbereich, zu dem das Bundeswirtschaftsministerium in seinen anstehenden Berichten Stellung nehmen muss.

Zwar haben sich in den letzten Wochen und Monaten die Stimmen gemehrt, die einen Voll-Rollout von intelligenten Messsystemen als einzig sinnvolles Digitalisierungsziel wie eine Monstranz vor sich hertragen. Nach den Analysen von EY und BET ist zumindest eine differenzierte Betrachtung angebracht. Einer Verpflichtung zum Voll-Rollout erteilen die Berater jedoch eine Absage.

„Eine Verpflichtung zu einem Voll-Rollout lehnen wir ab“, sagt Zander. Denn damit entstünden auch volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Einbaufälle, für welche die Grenzkosten höher seien als der Nutzen, der sich aus ihnen ergibt. Die steigende Zahl an Einbaufällen auf der Grundlage des § 14a EnWG werde ausreichen, um die notwendige Transparenz im Niederspannungsnetz herbeizuführen. Außerdem werde es gar nicht in jedem Haushalt eine steuerbare Anlage – Wallbox, Wärmepumpe, PV-Anlage oder Speicher – geben.

Angesichts der prognostizierten 28 Millionen Einbaufälle bis 2032 würden genug intelligente Messsysteme ins Netz kommen, um ausreichend Flexibilisierungspotenziale zu heben und am Ende die gewünschten Energiewendeeffekte, etwa eine Lastverschiebung oder eine Verschiebung des Kraftwerkseinsatzes, zu erzielen, gibt Kircher zu bedenken. Einen aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvollen Voll-Rollout im eigenen Netzgebiet durchzuführen, bleibe jedem Stadtwerk und Netzbetreiber aber unbenommen. Eine solche Betrachtung auf Unternehmensebene war jedoch nicht Gegenstand der Analyse.

Dass irgendwie alles mit allem zusammenhängt, zeigt ein Hinweis, der EY-Partner Kircher am Herzen liegt: Noch immer fördert die Regulierung eher den Netzausbau und setzt keine Anreize, Investitionen in Kupfer einzusparen. Denn nur darauf erhalten die Netzbetreiber eine Verzinsung. Optimierungsmaßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, das Netz digital und intelligenter zu machen, werden nicht honoriert.

Aber auch dieses Defizit haben die Berater in ihrem 156-seitigen Dokument adressiert, wie viele weitere noch, die den Rechtsrahmen der Digitalisierung, die Entwicklung der Digitalisierung, die Nachhaltigkeit und den Nutzen intelligenter Messsysteme und die Preisobergrenzen des intelligenten Messwesens betreffen.

Ende Juni wird sich im Pflichtbericht des Bundeswirtschaftsministeriums zeigen, welche Resonanz die Voruntersuchungen der Berater im Hause Habeck finden.
 

Fritz Wilhelm
Stellvertretender Chefredakteur
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Mittwoch, 12.06.2024, 09:05 Uhr

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