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Enerige & Management > Recht - Plötzlich irritiert am OVG eine Herstellerangabe von Vestas
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
RECHT:
Plötzlich irritiert am OVG eine Herstellerangabe von Vestas
Der volle Widerstand von Windkraftgegnern lief nun am OVG Münster auf. Vier geplante Turbinen in Ennigerloh sollen überflüssig, zu laut und gefährlich sein. Ein Aspekt stach heraus.
 
Vier Windenergieanlagen sollen im westfälischen Ennigerloh entstehen. Deren Standorte befinden sich nach früherer und aktueller Regionalplanung in einem zulässigen Bereich. Auch hatte der Kreis Warendorf als Genehmigungsbehörde nichts dagegen, nach dem positiven Bescheid für Maschinen von General Electrics (Oktober 2024) stattdessen im Mai 2024 etwas größere von Vestas (V-162, 6.2 MW) zuzulassen.

Doch auch gegen den Änderungsbescheid regte sich privater Widerstand. Vier Privatiers ließen durch anwaltliche Vertretung einen dicken Katalog an Einwänden zu Protokoll geben, nach der öffentlichen Beteiligung folgte irgendwann die Klage. Der 8. Senat des erst- und letztinstanzlich zuständigen Oberverwaltungsgerichts Münster bat nun am 22. Mai zur mündlichen Verhandlung.

Zu bewerten waren auch Vorwürfe, die Anlagen seien zu laut, sie würden für Lichtverschmutzung (nächtliches Dauerblinken) und Wertverlust der Eigenheimbesitzenden sorgen, entwickelten Infraschall (also unhörbaren) und Schattenschlag und sie besäßen neben gesundheitlichen Risiken für Mensch, Natur und Tiere auch eine optisch bedrängende Wirkung.

Die Klagenden buchstabierten mithin das ganze ABC der Anti-Windkraft-Bewegung durch, inklusive der Behauptung, § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sei verfassungswidrig. Der Paragraf besagt, Öko-Kraftwerke seien von überragendem öffentlichen Interesse.

Was bedeutet ein Produktkatalog für Abstände vor Gericht?

Das alles wäre heutzutage überschaubar aufregend und ein schnell beendetes Verfahren, wenn Thomas Mock nicht für längere Irritationen gesorgt hätte. Der Rechtsbeistand der vier klagenden Privatiers präsentierte kurzfristig ein Schriftstück aus dem Hause Vestas. Seit Anfang 2024 hätten die Dänen in der Selbstbeschreibung ihrer Anlagen, in der Gebrauchsanweisung sozusagen, eine Neubewertung für das Messen von Schallemissionen vorgenommen, besagten die Unterlagen. 
Bis dato galt aus Vestas-Sicht, zwischen Anlage und Schall-Messpunkt (also einer Wohnung) sollten 500 Meter liegen. Nun aber, heißt es aus vorgelegtem Papier, empfehle Vestas einen Abstand von mindestens dem Dreifachen der Anlagen-Gesamthöhe oder 600 Metern. In jedem Fall solle immer „der höhere Wert“ gelten.

Danach entspann sich vor Gericht eine intensive Diskussion über die Bedeutung des Dokuments. Für die Klagenden beharrte Anwalt Thomas Mock, im Änderungsverfahren hätte die Einschätzung Vestas eine Rolle spielen müssen. Die gewählten Standorte erfüllten nicht die Bedingungen, weil sie die Abstände „unzulässig unterschreiten“.

Tatsächlich wäre nach Vestas Kleingedrucktem der Abstand zwischen den Anlagen (250 Meter Gesamthöhe) und zwei der vier Privathäuser zu gering. Zwei Gebäude liegen mit 630 und 670 Metern innerhalb des kritischen Werts von 750 Metern Mindestabstand. Bloß, was geht aus der Selbsteinschätzung des Anlagenbauers überhaupt hervor?

Für die Anwälte von Kreis Warendorf und des Projektentwicklers Prowind aus Osnabrück waren die Angaben neu. Dies kann damit zu tun haben, dass beim Einreichen des Antrags auf eine Änderungsgenehmigung im Jahr 2023 der Vestas-Katalog in diesem Punkt noch nicht aktualisiert war. In jedem Fall, so Prowind-Rechtsvertreter Daniel Birkhölzer (Engemann & Partner), handele es sich höchstens um eine Empfehlung des Herstellers, im Sinne einer Absicherung gegenüber Käufern, allerdings ohne rechtlich bindende Wirkung.

8. Senat in Münster erklärt Windturbinen für rechtmäßig

Insofern hatte der 8. Senat eine Einschätzung vorzunehmen, was die Vestas-Vorgaben letztlich für eine Genehmigung bedeuten. Nach dem ersten Eindruck aus den Unterlagen könne sie nicht erkennen, so die Vorsitzende Richterin Annette Kleinschnittger, dass Hersteller-Angaben einen Einfluss auf die Bestimmungen der Technischen Anleitung (TA) Lärm hätten. Dieses Regelwerk legt Verfahren und Werte fest, wie Schallemissionen zu messen und welche Lautstärken dabei einzuhalten sind.

Für die vier Turbinen gilt demnach, dass sie nicht mehr als 45 dBA (nachts) beziehungsweise 60 dBA (tagsüber) entwickeln dürfen. Für die Nächte gibt es ohnehin erst eine Betriebserlaubnis, sobald das Einhalten dieses Wertes durch Tests nach dem Anlagenbau nachgewiesen ist.

Für den 8. Senat ergab sich aus keinem der vorgebrachten Einwände ein Grund, die Genehmigung für die Anlagen für unrechtmäßig zu erklären. Auch das Hinzuziehen der Empfehlungen aus dem Vestas-Katalog zielte entsprechend ins Leere. Ob sie in künftigen Verfahren eine Rolle spielen und einen Einfluss auf die TA Lärm haben können, bleibt abzuwarten. Die Revision ließ das Gericht nicht zu.
 

Volker Stephan
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Donnerstag, 22.05.2025, 17:24 Uhr

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