
Kommissionsvizepräsidentin Teresa Ribera kam direkt zur Sache: Die EU befinde sich auf dem besten Weg, ihre Klimaziele für
2030 zu erfüllen. Mehr noch: Die nationalen Klimapläne, die die Mitgliedsstaaten nach Brüssel übermittelt haben, zeigten,
„dass die grüne Agenda zu mehr Investitionen und Wohlstand“ führe. Unterstützt von Klimakommissar Hoekstra und Energiekommissar
Jörgensen versuchte sie am Mittwoch zu früher Stunde jeden Zweifel am Erfolg der europäischen Klimapolitik im Keim zu ersticken.
Alle drei waren sichtlich bemüht, den Eindruck zu vermitteln, dass die Mitgliedsstaaten in der Klimapolitik am gleichen Strang
ziehen wie Brüssel und alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit die EU ihr Klimaziel erreicht: 55 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030. Die nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) seien eine „gute Nachricht für das Klima
und die Wirtschaft“, sagte Hoekstra. Auch der Energiekommissar sieht allen Grund „stolz“ auf das Erreichte zu sein, auch wenn
Jörgensen einräumte, dass man nicht vollständig zufrieden sei.
Das gilt insbesondere für die Verbesserung der Energieeffizienz, die bislang weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt.
Nach den vorliegenden NECP würde die EU bis 2030 nur 8,1 Prozent Energie einsparen, anvisiert sind 11,7 Prozent. Das wären 31 Millionen Tonnen Rohöl-Äquivalente oder 4 Prozent mehr als vorgesehen. Bei den erneuerbaren Energien würde das Ziel von 42,5 Prozent um 1,5 Prozent verfehlt. In Wald und Flur würden nach den vorliegenden Plänen der Mitgliedsstaaten 45 bis 60 Millionen Tonnen CO2 zu wenig gespeichert.
Die Sektoren, die bislang nicht in den Emissionshandel einbezogen sind und der sogenannten Lastenteilung (ESR) unterliegen,
würden ihr Klimaziel von 40 Prozent bis 2030 voraussichtlich um 2 Prozent verfehlen. Das sei eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den ersten Entwürfen der NECP, die die Mitgliedsstaaten
auf Druck aus Brüssel nachgebessert haben. Zwölf Mitgliedsstaaten könnten ihr nationales Ziel mit den zusätzlich geplanten
Maßnahmen erreichen, fünf Mitgliedsstaaten würden ihr Ziel voraussichtlich immer noch verfehlen.
Mehrzahl der Vorhaben finanziell nicht abgesichert
Deutschland würde sein Ziel im Rahmen des ESR voraussichtlich um knapp 20 Prozent und bei der Landnutzung in der gleichen Größenordnung verfehlen, ist aber bei der Verbesserung der Energieeffizienz
und dem Ausbau der erneuerbaren Energien „auf Kurs“.
Insgesamt würde der CO2-Ausstoß der EU gegenüber 1990 nur um 54 statt 55 Prozent sinken. Dass es dazu wirklich kommt, ist jedoch ungewiß, denn bei den NECP handelt es sich eben nur um Pläne. Erreicht
würden die Ziele der EU nur, wenn sie vollständig und fristgerecht umgesetzt würden. Nicht nur die Erfahrung zeigt, dass dies
eher unwahrscheinlich ist, zumal die meisten Vorhaben nicht finanziell abgesichert sind. Auch der inzwischen erfolgte Kurswechsel
in Brüssel ist kein Anreiz für größere, klimapolitische Ambitionen. Denn die europäischen Unternehmen sollen inzwischen nicht
mehr nur das Klima schützen, sondern auch wettbewerbsfähig bleiben oder werden.
Dafür müssen die Klimaziele zumindest relativiert werden. So werden Importe unter 50 Tonnen CO2 pro Jahr vom Klimazoll freigestellt,
um kleine Unternehmen(90 Prozent der Importeure nach Angaben der Kommission) von der damit verbundenen Bürokratie zu entlasten.
Die EU erfasse damit immer noch 99 Prozent der CO2-Emissionen, heißt es in Brüssel. Ein Beitrag zu mehr Klimaschutz sei das
aber nicht, räumt der Klimakommissar ein und: in anderen Fällen des Bürokratieabbaus werde ein so günstiges Verhältnis zwischen
der Entlastung der Wirtschaft und weniger Klimaschutz voraussichtlich nicht erreicht.
Wackelige Berechnungsgrundlage
Die Berechnungen der Kommission beruhen außerdem auf einer unvollständigen Berechnungsgrundlage, weil Belgien, Polen und Estland
ihre NECP noch gar nicht vorgelegt haben und der Energie- und Klimaplan der Slowakei zu spät in Brüssel eingetroffen ist,
um noch berücksichtigt zu werden.

Quelle: E&M
In den meisten NECP vermisst die Kommission außerdem eine Analyse der Auswirkungen, die die Einführung des Emissionshandels
für den Verkehr und den Gebäudesektor(ETS2) haben wird. In Brüssel fürchtet man, dass die damit verbundenen Belastungen für
die privaten Haushalte politischer Sprengstoff werden: „Wenn die Transformation nicht fair ist und von der großen Mehrheit
als fair wahrgenommen wird, dann wird sie nicht gelingen“, sagt Klimakommissar Hoekstra.
Die Kommission hofft deswegen, dass sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten intensiver mit den sozialen Folgen der Energiewende
befassen. Bis Juni sollen sie darlegen, wie sie finanziell schwache Haushalte und vulnerable Gruppen schützen und dabei auch
vom Klima- und Sozialfonds der EU Gebrauch machen wollen.
Die Kommission will sich von den Risiken aber nicht beirren lassen. Es gelte nun, die Pläne umzusetzen und zu investieren,
sagte Hoekstra: „Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen können und werden.“
Mittwoch, 28.05.2025, 17:13 Uhr