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Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
GAS:
OMV kündigt TOP-Vertrag mit Gazprom
Der österreichische Konzern argumentiert mit der Einstellung der Lieferungen durch Gazprom Export am 16. November. Damit seien „mehrere grundlegende Vertragsverletzungen“ erfolgt.
Mit sofortiger Wirkung kündigte der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV am 11. Dezember seinen bis 2040 laufenden Take-or-Pay-Vertrag (TOP-Vertrag) mit der Gazprom Export, meldete er in einer „Urgent Market
Message“ im Rahmen von Remit. In einer ergänzenden Aussendung bekundete er, seit dem 16. November keine Lieferungen des russischen Unternehmens mehr erhalten zu haben. Damit seien „mehrere grundlegende Vertragsverletzungen“
gegeben. Die OMV habe „nun keine Lieferverträge mehr mit Gazprom Export und keine Geschäftsaktivitäten in Russland“. Vor der
Einstellung der Lieferungen am 16. November bezog sie aufgrund des TOP-Vertrags rund 60 Milliarden kWh Erdgas pro Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 belief sich der österreichische Gasverbrauch auf 75,6 Milliarden kWh.
Gazprom und Gazprom Export reagierten bislang nicht auf die Vertragskündigung. Wie berichtet, beendete Gazprom Export die Lieferungen, weil die OMV keine Zahlungen für die Gaslieferungen nach Österreich mehr leistet. Die OMV beruft sich dabei auf ein Schiedsgerichtsurteil vom 13. November, das ihr rund 230 Millionen Euro Schadenersatz für nicht erfolgte Lieferungen nach Deutschland im Jahr 2022 zusprach.
Russland betrachtet das Urteil als unbegründet. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa betonte am 21. November, die Lieferungen nach Deutschland hätten wegen der Sprengung von Teilen des Nord-Stream-Pipelinesystems und die Einstellung der Importe der EU durch das Jamal-System nicht erfolgen können. Deshalb sei Gazprom Export nicht für die Causa verantwortlich.
Insider skeptisch
Insider, die nicht namentlich genannt werden wollten, äußerten sich der Redaktion gegenüber skeptisch zum Schritt der OMV. Ihnen zufolge wäre es sinnvoller gewesen, das Auslaufen des russisch-ukrainischen Gastransitvertrags mit Ende 2024 abzuwarten und in der Folge Gazprom Export wegen Nichterfüllung des TOP-Vertrags zu belangen. Mit ihrem nunmehrigen Agieren risikiere die OMV dagegen einen jahrelangen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang.
OMV-Generaldirektor Alfred Stern versicherte am 11. Dezember erneut, sein Unternehmen habe seine Gasbezugsquellen und Lieferrouten diversifiziert und könne seine Kunden − im Wesentlichen Weiterverteiler, Kraftwerksbetreiber und Industrieunternehmen − ohne Importe aus Russland versorgen. Dies erfolgt vor allem durch Gas aus Norwegen, wo die OMV selbst Vorkommen besitzt, sowie mittels LNG-Einfuhren über den Terminal Rotterdam, an dem der österreichische Konzern beteiligt ist. Auch seien die Gasspeicher des Konzerns in Österreich zu rund 85 Prozent befüllt, betonte Stern.
Die russischen Gaslieferungen nach Österreich blieben seit dem 16. November weitgehend konstant. Dies erklärt unter anderem der Regulator E-Control damit, dass andere Versorger die frei gewordenen Mengen erwerben und einführen.
Hinfällige Kommission
In den vergangenen Monaten forderten Vertreter österreichischer Parteien immer wieder die Kündigung des TOP-Vertrags. Sie argumentierten, Österreich finanziere mit seinen Gasimporten die „Militäroperation“ Russlands in der Ukraine mit.
Die scheidende Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) etablierte am 9. Juli eine nun hinfällige „Gas-Unabhängigkeitskommission“ zur Überprüfung des TOP-Vertrags. Gewessler und Bundeskanzler Karl Nehammer von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) begrüßten den Vertragsausstieg. Gewessler sprach von einem „logischen Schritt“ der OMV.
Lieferungen seit 1968
Der nun gekündigte TOP-Vertrag wurde 2006 geschlossen und vom damaligen OMV-Generaldirektor Rainer Seele 2018 vorzeitig bis 2040 verlängert. Im Jahr 2018 feierten die OMV und die Gazprom das 50jährige Jubiläum der russischen Gaslieferungen nach Österreich. Diese begannen im Herbst 1968 kurz nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch den Warschauer Pakt.
Die OMV wurde im September 1945 und damit wenige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg als „Sowjetische Mineralölverwaltung“ (SMV) gegründet. Die Aufnahme der Gasimporte stand im Zusammenhang mit Vorbehalten der Sowjetunion gegen den geplanten Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) Mitte der 1960er Jahre. Moskau befürchtete, die EG würden sich langfristig zu einem Militärbündnis entwickeln. Dies widerspreche der am 26. Oktober 1955 verfassungsrechtlich beschlossenen Neutralität Österreichs. Zum Ausgleich möglicher wirtschaftlicher Nachteile Österreichs infolge des Verzichts auf den EG-Beitritt lieferte die UdSSR Gas zu, wie es stets hieß, günstigen Konditionen. Bekanntlich trat Österreich erst mit 1. Januar 1995 der nunmehrigen EU bei.
Fraglich sind die strategischen Perspektiven der OMV. Seit Juli 2023 verhandelt ihr Management mit der Abu Dhabi National Oil Company, die rund 25 Prozent an der OMV hält, bislang ergebnislos über einen gemeinsamen Petrochemiekonzern. Ob die Kündigung des TOP-Vertrags angesichts dessen empfehlenswert war, bleibt abzuwarten.
Gazprom und Gazprom Export reagierten bislang nicht auf die Vertragskündigung. Wie berichtet, beendete Gazprom Export die Lieferungen, weil die OMV keine Zahlungen für die Gaslieferungen nach Österreich mehr leistet. Die OMV beruft sich dabei auf ein Schiedsgerichtsurteil vom 13. November, das ihr rund 230 Millionen Euro Schadenersatz für nicht erfolgte Lieferungen nach Deutschland im Jahr 2022 zusprach.
Russland betrachtet das Urteil als unbegründet. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa betonte am 21. November, die Lieferungen nach Deutschland hätten wegen der Sprengung von Teilen des Nord-Stream-Pipelinesystems und die Einstellung der Importe der EU durch das Jamal-System nicht erfolgen können. Deshalb sei Gazprom Export nicht für die Causa verantwortlich.
Insider skeptisch
Insider, die nicht namentlich genannt werden wollten, äußerten sich der Redaktion gegenüber skeptisch zum Schritt der OMV. Ihnen zufolge wäre es sinnvoller gewesen, das Auslaufen des russisch-ukrainischen Gastransitvertrags mit Ende 2024 abzuwarten und in der Folge Gazprom Export wegen Nichterfüllung des TOP-Vertrags zu belangen. Mit ihrem nunmehrigen Agieren risikiere die OMV dagegen einen jahrelangen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang.
OMV-Generaldirektor Alfred Stern versicherte am 11. Dezember erneut, sein Unternehmen habe seine Gasbezugsquellen und Lieferrouten diversifiziert und könne seine Kunden − im Wesentlichen Weiterverteiler, Kraftwerksbetreiber und Industrieunternehmen − ohne Importe aus Russland versorgen. Dies erfolgt vor allem durch Gas aus Norwegen, wo die OMV selbst Vorkommen besitzt, sowie mittels LNG-Einfuhren über den Terminal Rotterdam, an dem der österreichische Konzern beteiligt ist. Auch seien die Gasspeicher des Konzerns in Österreich zu rund 85 Prozent befüllt, betonte Stern.
Die russischen Gaslieferungen nach Österreich blieben seit dem 16. November weitgehend konstant. Dies erklärt unter anderem der Regulator E-Control damit, dass andere Versorger die frei gewordenen Mengen erwerben und einführen.
Hinfällige Kommission
In den vergangenen Monaten forderten Vertreter österreichischer Parteien immer wieder die Kündigung des TOP-Vertrags. Sie argumentierten, Österreich finanziere mit seinen Gasimporten die „Militäroperation“ Russlands in der Ukraine mit.
Die scheidende Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) etablierte am 9. Juli eine nun hinfällige „Gas-Unabhängigkeitskommission“ zur Überprüfung des TOP-Vertrags. Gewessler und Bundeskanzler Karl Nehammer von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) begrüßten den Vertragsausstieg. Gewessler sprach von einem „logischen Schritt“ der OMV.
Lieferungen seit 1968
Der nun gekündigte TOP-Vertrag wurde 2006 geschlossen und vom damaligen OMV-Generaldirektor Rainer Seele 2018 vorzeitig bis 2040 verlängert. Im Jahr 2018 feierten die OMV und die Gazprom das 50jährige Jubiläum der russischen Gaslieferungen nach Österreich. Diese begannen im Herbst 1968 kurz nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ durch den Warschauer Pakt.
Die OMV wurde im September 1945 und damit wenige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg als „Sowjetische Mineralölverwaltung“ (SMV) gegründet. Die Aufnahme der Gasimporte stand im Zusammenhang mit Vorbehalten der Sowjetunion gegen den geplanten Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) Mitte der 1960er Jahre. Moskau befürchtete, die EG würden sich langfristig zu einem Militärbündnis entwickeln. Dies widerspreche der am 26. Oktober 1955 verfassungsrechtlich beschlossenen Neutralität Österreichs. Zum Ausgleich möglicher wirtschaftlicher Nachteile Österreichs infolge des Verzichts auf den EG-Beitritt lieferte die UdSSR Gas zu, wie es stets hieß, günstigen Konditionen. Bekanntlich trat Österreich erst mit 1. Januar 1995 der nunmehrigen EU bei.
Fraglich sind die strategischen Perspektiven der OMV. Seit Juli 2023 verhandelt ihr Management mit der Abu Dhabi National Oil Company, die rund 25 Prozent an der OMV hält, bislang ergebnislos über einen gemeinsamen Petrochemiekonzern. Ob die Kündigung des TOP-Vertrags angesichts dessen empfehlenswert war, bleibt abzuwarten.
Klaus Fischer
© 2025 Energie & Management GmbH
Donnerstag, 12.12.2024, 10:53 Uhr
Donnerstag, 12.12.2024, 10:53 Uhr
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