AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Ohne Fördergelder geht es nicht
Soll die Wärmewende gelingen, muss jede verfügbare Erzeugungstechnologie genutzt werden, und es braucht genügend Geld für die Kommunen und Städte. Ein Appell an die Politik.
Das Dilemma vieler Stadtwerke fasst Elke Temme, Geschäftsführerin der Stadtwerke Bochum, so zusammen: „Wir kalkulieren so, dass wir Wärmegestehungskosten haben, die wir guten Gewissens an die Kunden weitergeben können. Und das kriegen wir zum aktuellen Zeitpunkt ohne Förderungen nicht hin.“ Denn die Stadtwerke stehen vor der Herausforderung, die Wärmewende und damit auch den Auf- und Ausbau der Wärmenetze wirtschaftlich zu gestalten. Wie das gelingen kann, diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Praxis bei der diesjährigen E&M-Energiemanagerkonferenz am 11. September in München.
So rechnet Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München und diesjähriger Preisträger des „Energiemanager des Jahres“, mit Gesamtkosten für den Umbau der Münchner Wärmeversorgung von rund 9,5 Milliarden Euro. Solange dafür Programme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) zur Verfügung stehen, sei das zu schaffen. „Sonst nicht. Da mache ich mir schon ein wenig Sorgen“, sagte er. Es gebe derzeit keine Planungssicherheit für die Wärmewende. Dabei sei München finanziell noch gut aufgestellt, verglichen mit anderen Kommunen und Städten.
Dass die Wärmewende aber politisch gewollt und alternativlos ist, betonte Christian Maaß (Grüne), Leiter der Abteilung Energiepolitik − Wärme, Wasserstoff und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Er verwies auf die zahlreichen Gesetze, Verordnungen und Förderprogramme, die sein Haus bereits auf den Weg gebracht hat, und auf die anstehenden Novellen von KWK-Gesetz und AVBFernwärmeV, die geplante Fündigkeitsversicherung für Geothermieprojekte und weitere geplante Reformen. „Es ist nicht so, dass Robert Habeck Spaß daran hätte, die Leute vor Herausforderungen zu stellen.“ Angesicht der Klimakrise und ihrer gravierenden Folgen müsse aber jetzt gehandelt werden: „Je länger wir warten, desto härter sind die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen.“
CO2-Bepreisung nur begrenzt wirksam
Die Anreize, die in diesem Zusammenhang über den europäischen Emissionshandel und die CO2-Bepreisung geschaffen werden, hält Markus Kachel, Partner bei der auf Energiewirtschaft spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held (BBH), im Hinblick auf ihre Relevanz für Investitionsentscheidungen für derzeit nur sehr begrenzt wirksam.
Zumal auch fraglich sei, ob die Politik nicht genau in dem Moment, in dem diese Instrumente tatsächlich greifen würden − weil sie die Preise signifikant erhöhen −, wieder einschreiten würde, sagte Kachel unter Verweis auf die Energiepreisbremsen.
Neben den grundsätzlichen Fragen zur Finanzierung beschäftigten die Teilnehmenden der Konferenz auch ganz konkrete Themen: Wie kann angesichts der begrenzten Kapazitäten auch im Dienstleistungs- und (Tief-)Bausektor ein schneller und effizienter Ausbau der Wärmenetze gelingen? Sollte es angesichts der Kosten und der Konkurrenz insbesondere mit Wärmepumpentechnologien beim Neu- und Ausbau von Wärmenetzen einen Anschlusszwang geben? Die Antworten darauf: vielfältig und immer individuell abhängig von den Gegebenheiten vor Ort.
Was sich auch im Vortrag von Maike Probst, Referentin der Geschäftsführung der Stadtwerke Hilden (Nordrhein-Westfalen), zeigte: Die Wärmeversorgung der Kommune verzeichnet derzeit noch einen Erdgasanteil von 80 Prozent. Der Stadtrat hat aber Klimaneutralität bis 2035 beschlossen, weshalb die Stadtwerke im Dezember einen Plan für die kommunale Wärmewende und den Aufbau eines Wärmenetzes vorlegen wollen − ganz andere Voraussetzungen als beispielsweise im etwa 25-mal größeren München, in dem dieses Fernwärmenetz bereits besteht.
Auch deshalb sei − neben der Einbeziehung aller lokalen Akteure − eine möglichst umfangreiche Datenerfassung eine der wichtigsten Voraussetzungen bei der Wärmeplanung, um individuell und bedarfsgerecht handeln zu können, so Probst. Eine Aufgabe, bei der durchaus auch KI-Lösungen zur Planung der lokalen Wärmeversorgung und zum effizienten Betrieb der Wärmenetze eingesetzt werden könnten, wie Stefan Michaelis, Senior Manager der m3 Management Consulting GmbH, ausführte.
Zu starker Fokus auf Wärmepumpen
Vielfalt und Offenheit ist auch von Bedeutung bei der Frage nach den eingesetzten Technologien. Industrielle Abwärme beispielsweise könne künftig eine bedeutende Rolle in der Wärmeversorgung spielen, sagte Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), und bezifferte ihr Potenzial mit rund 125 Milliarden kWh. Auch wenn es durchaus eine Herausforderung sei, dieses Potenzial auch zu nutzen: „Es lassen sich Lösungen finden.“
Insbesondere ein breiter Technologiemix sei dringend nötig, so die Referentinnen und Referenten bei der E&M-Energiemanagerkonferenz einstimmig. SWM-Chef Bieberbach betonte dabei, dass derzeit ein zu „starker Fokus auf den Wärmepumpen“ liege. Diese würden sicherlich eine wichtige Rolle einnehmen in einer dezentralen und klimaneutralen Versorgung. Wärmepumpen allein stemmten aber noch keine Wärmewende.
Bei Erneuerbaren-Anlagen könnten Großwärmepumpen hingegen zum „Gamechanger“ werden, ergänzte Marco Ohme, Leiter District Heating Solutions Commercial von Viessmann Deutschland. Großwärmepumpen seien in der Lage, die erforderlichen Temperaturen zu gewährleisten, die zum Beispiel für ein Wärmenetz gebraucht werden − sei es in Kombination mit einer Geothermieanlage oder um Energiequellen wie Flusswärme, Abwärme oder Abwässer überhaupt für die Versorgung nutzbar zu machen, also ihre Wärme entsprechend auf die passenden Temperaturen zu heben.
In Bochum wird das beispielsweise umgesetzt: Auf dem ehemaligen Opel-Gelände im Stadtteil Laer entsteht seit einigen Jahren das Gewerbegebiet „Mark 51°7“. Das Projekt hebt sich vorrangig durch sein Energiekonzept ab. Für die Wärmeversorgung soll das rund 30 Grad Celsius warme Grubenwasser über Wärmepumpen auf rund 45 Grad Celsius erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden.
Kraft-Wärme-Kopplung als Garant für weiteren Erneuerbaren-Ausbau
Aber, so Temme: „Auch in Bochum setzen wir auf den großen Mix aus Geothermie, Großwärmepumpen und Abwärme.“ Letztendlich werde die künftige Wärmeversorgung eine viel dezentralere sein als heute, prognostizierte sie. Dem stimmten auch Michael Teigeler, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg, und Wolfgang Bühring, Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer, zu. In Heidelberg setzen die Stadtwerke ebenfalls auf dezentrale Anlagen, um möglichst viele erneuerbare Quellen zu nutzen − darunter Flusswasserwärmepumpen, Wärmespeicher oder auch iKWK-Anlagen.
Speyers Stadtwerkechef Bühring betonte abschließend, dass die erneuerbaren Energiequellen sinnvoll durch dezentrale KWK-Anlagen abgesichert werden müssten. Ohne KWK funktioniere es schlicht nicht. KWK-Anlagen sollten deshalb konsequent in die Energieinfrastruktur mit einbezogen werden, um ihre Fähigkeit zu nutzen, sowohl positive als auch negative Residuallasten im Stromverteilnetz auszugleichen. Nur dann könne auch der weitere Aus- und Aufbau einer „grünen“ Wärmeversorgung gelingen.
Die Energiemanager-Konferenz ist verknüpft mit der Verleihung des Preises „Energiemanager des Jahres“. Die Auszeichnung ging in diesem Jahr an Florian Bieberbach, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stadtwerke München. Siehe Seite 6.
Katia Meyer-Tien und Heidi Roider
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Dienstag, 08.10.2024, 08:50 Uhr
Dienstag, 08.10.2024, 08:50 Uhr
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