• EU-Klimabeirat rät zum Ankurbeln von CO2-Entnahmen
  • Pilotprojekt für lokale Energiegemeinschaft in Oberfranken gestartet
  • Deutlich höhere Day-ahead-Preise zu erwarten
  • EnBW: Landkreise stimmen für Milliarden-Spritze
  • Lex Sauerland: Erste Klagen gegen Zeitspiel der Behörden
  • RWE plant Vermarktung weiterer Kapazitäten
  • Gebündelte Kräfte für den digitalen Netzausbau
  • 100 Millionen Euro für Wasserstoff im Ländle
  • Wasserkraft für Rolls-Royce
  • Umfrage unter Energieunternehmern zeigt Verunsicherung
Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Neue PV-Ideen für die Energiewende
Quelle: Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Neue PV-Ideen für die Energiewende
Manche Einzelhändler bieten ihren Kunden Schattenparken an. Ein Start-up liefert ihnen dazu jetzt kostenlos das Dach − mit PV darauf. Sie müssen nur den Strom abkaufen.
 
Felix Gerhardt war beim Ausparken eine Säule im Weg. Die teuren Schrammen im Autolack waren aber nicht nur ärgerlich, sondern haben die Karriere des bisherigen Musikproduzenten verändert. Sie könnten sogar die Energiewende verändern. Weltweit.

Der 40-jährige gelernte Tontechniker fragte sich damals, ob es nicht ausgereicht hätte, das Parkplatzdach, unter dem sein Auto gestanden hatte, nur vorne abzustützen und nicht auch noch hinten mit hinderlichen Säulen. Gerhardt ging noch etwas anderes im Kopf herum, verrät er E&M: „Mir liegt die Energiewende am Herzen.“

Er kombinierte beide Gedanken und sattelte um zum Industriellen für eine neue Generation von Parkplatzdächern mit Photovoltaikanlagen darauf, „schnell im Baukastensystem hergestellt, in Massen produzierbar, einfach zu planen und zu montieren“, wie er zusammenfasst. Zielgruppen: Supermärkte, Möbelhäuser, produzierendes Gewerbe, Freizeitparks − kurz, Anbieter mit großen Kunden- oder Mitarbeiterparkplätzen, die am Standort selbst Strom verbrauchen. Auch mit einem Entwickler von Quartierskonzepten ist Gerhardt im Gespräch.

Ende 2023 gründete der Schwabe mit seinem neuen Kollegen Steffen Theurer und dem Mitgesellschafter Nikolai „Nik“ Ensslen, der weiter sein Robotikunternehmen Synapticon führt, südlich von Stuttgart UV Energy. Bei Synapticon steht bereits der Pilot des neuartigen Daches über den ersten drei von 35 Stellplätzen.
 
Felix Gerhardt ist Chef von UV Energy
Quelle: UV Energy

Einzelhändler und Industriebetriebe müssen das Dach nicht einmal kaufen, sie müssen nur zehn Jahre lang auf dem Betriebsgelände den Solarstrom abnehmen. Parkplatzüberdachung quasi geschenkt per On-Site-PPA. So ähnlich wie ein Biervertrag, bei dem der Wirt die von der Brauerei gestellten Möbel durch den Biereinkauf abzahlt.
 
Ein Prototyp des PV-Parkplatzdaches steht auf dem Gelände des Robotikunternehmens Synapticon in Schönaich bei Stuttgart
Quelle: UV Energy

Die drei Gründer von UV haben hochgesteckte Ziele: Sie fangen zwar in Deutschland und „ein bisschen Österreich“ an, so formuliert es Gerhardt, sehen aber ein weltweites Geschäft. „In diesem Jahr wollen wir 1.000 Parkplätze überdachen, das entspricht etwa 2,7 MW. Wir wollen das am schnellsten wachsende virtuelle Solarkraftwerk der Welt werden“, das ist Gerhardts Vision.

Er rechnet vor: Seine Dächer haben derzeit einen Preis von 5.500 bis 5.600 Euro pro Stellplatz. Auf die zehn Jahre umgelegt, kommt ein Solarstrompreis von 16,9 Ct/kWh heraus. Der ist immer noch niedriger als die 17,7 Ct/kWh, die laut Verband BDEW Anfang des Jahres durchschnittlich für kleine und mittlere Industriebetriebe fällig waren. Auch ist der Preis stabil, und der Strom senkt den CO2-Fußabdruck. Kunden und Beschäftigte stehen am Fahrzeug nicht mehr im Regen. Auf Wunsch sind über Partner auch Ladesäulen erhältlich mit verschiedenen Ladeleistungen. Nicht verbrauchten Strom vermarktet zum Beispiel der Partner Otter Energy Trading.

Der größte Vorteil für die Gewerbekunden sei aber − so berichtet es Gerhardt aus Kundengesprächen −, dass die Endmontage auf dem Parkplatz nur Stunden oder wenige Tage die Parkplätze blockiert, weil sie so einfach ist, dass sie sich mit jedem kurzfristig verfügbaren Monteur bewerkstelligen lässt. Fundamente müssen keine mehr gegossen werden. Herkömmliche Parkplatzdachbauer dagegen brauchen mehrere Wochen − und schicken danach sofort die Gesamtrechnung.

Auf die Gebäudedächer seiner Kunden geht Gerhardt dagegen nicht. Die seien oft von vorneherein nicht tragfähig genug für PV − das zu ermitteln, würde sein Einfachheits-Geschäftsmodell aufhalten; außerdem gibt es dafür schon digitalisierte Anbieter.

Park-PV in den Ausschreibungen privilegiert

Wichtig war ihm aber von Anfang an, Flächen zu verbauen, die ohnehin schon versiegelt sind. Das sah auch die Ampel so und hat längst Parkplatz-PV − neben Agri-, Moor- und Floating-PV − in den Ausschreibungen von Freiflächenanlagen privilegiert. Dieses Jahr kommen 300 MW dieser „besonderen Anlagen“ zuerst dran. 2028 sollen es 2.000 MW sein, bei einem gesetzlichen Gesamtzubau von 22.000 MW. Frankreich hat schon Solardächer auf größeren Parkplätzen vorgeschrieben, Baden-Württemberg bei neu gebauten Stellplätzen auch. Hessen und Rheinland-Pfalz gehen ebenfalls in die Richtung.

So funktioniert die Erfindung von UV Energy: Mit einem bloßen Satellitenbild des Parkplatzes und der Eingabe, wie viele der Stellplätze überdacht werden sollen, gibt es auf Knopfdruck ein Angebot. Bei Annahme wird ein KI-gestützter automatisierter Planungsprozess in Gang gesetzt.

„Die Hardware musste möglichst einfach als Baukastensystem vorzumontieren sein, damit sie auf alle Parkplatzgegebenheiten passt. Das gab es nicht auf dem Markt“, erinnert sich Gerhardt. „Deswegen ist unser Dach eine Eigenentwicklung.“ Es ist eine geschraubte Konstruktion in Leichtbauweise aus Stahlblechen und recycelbarem Material. Diese kommen wie die Stützelemente aus Beton von Zulieferern aus der Region Stuttgart, die PV-Module teils aus Italien, teils aus Asien. Der nächste Entwicklungsschritt ist ins Auge gefasst: die teilautomatisierte Montage.

Damit das Start-up seine ersten fünf, bald sechs Mitarbeiter einstellen und Prototypen bauen konnte, hat es vom Ländle im Programm „BW Pre-Seed“ gut 250.000 Euro Startkapital bekommen. Zudem investieren Business Angels, darunter Ex-Kuka-Chef Till Reuter und Ex-Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), in UV. „Wir sind in Verhandlungen mit weiteren Investoren“, verrät Gerhardt.

Die einzige Bremse

Eines bremst den Erfolg seines Start-ups doch etwas: Ab vier Stellplätzen braucht es eine langwierige Baugenehmigung, die Dächer können aber 20 bis mehr als 50 Stellplätze abdecken. Felix Gerhardt: „Wir hoffen, dass eine Typenzertifizierung unserer Dächer durch den TÜV und das Deutsche Institut für Bauwirtschaft daran etwas ändern kann.“
 

Georg Eble
Redakteur
+49 (0) 8152 9311 44
eMail
facebook
© 2025 Energie & Management GmbH
Dienstag, 25.06.2024, 08:50 Uhr

Mehr zum Thema