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Enerige & Management > Stromnetz - Netzbetreiber wegen Abschaltung von Selbstversorger-PV am Pranger
Quelle: Fotolia / Miredi
STROMNETZ:
Netzbetreiber wegen Abschaltung von Selbstversorger-PV am Pranger
Das Überlandwerk Erding ist in die Schlagzeilen geraten, weil es einem Feinkostgeschäft die PV-Anlage abschaltet. Wann darf bei Netzengpässen Selbstversorgung unterbrochen werden?
 
Kein Strom vom Dach, obwohl die Sonne scheint – so hatte sich das Augustin Keller nicht vorgestellt, als er vor zwei Jahren in eine Photovoltaikanlage investierte. Schon gar nicht wäre er auf den Gedanken gekommen, dass sie das Stromnetz überfordern könnte. 216 kW Leistung hat die Technik auf dem Dach der Metzgerei Feinkost Keller im bayerischen Langenbach. Sie ist so dimensioniert, dass der erzeugte Strom vor allem der Eigenversorgung dient und nur ein kleiner Anteil ins Netz eingespeist wird. Im Mai dieses Jahres bemerkte Keller, dass der Netzbetreiber, das Überlandwerk Erding, die Anlage an sonnenreichen Tagen stundenlang abschaltet.

„Es ist eine brutale Verschwendung“, ärgert sich Keller im Bayerischen Rundfunk darüber, dass er dann nicht einmal PV-Strom für den eigenen Bedarf nutzen darf. Kellers Elektriker sagt, dass er die Anlage schon auf „Nulleinspeisung“ geregelt hatte, doch „es wurde uns vom Netzbetreiber auf die Finger geklopft“. Das Überlandwerk besteht darauf, dass die Anlage nicht produziert, wenn das Netz an Grenzen zu stoßen droht. Der Metzgermeister muss dann für seine Öfen und Kühlung Strom aus dem Netz beziehen.

Die Stadtwerke Erding – ihnen gehört das Überlandwerk – zeigen Verständnis dafür, dass Keller seinem Ärger öffentlich Luft macht. „Wir können die Kritik schon nachvollziehen, aber wir handeln gesetzeskonform“, sagt ein Sprecher des kommunalen Unternehmens zu E&M. Er verweist auf Paragraf 13a des Energiewirtschaftsgesetzes und die Festlegung BK6-20-061 der Bundesnetzagentur. Vor dem Hintergrund der EU-Vorgaben zum Schutz des Eigenverbrauchs blieben in der Praxis „Unklarheiten“.

„Kein Erding-Problem“

Die vorübergehende Abschaltung von PV-Anlagen bei drohenden Netzengpässen, „ist kein Erding-Problem“, sagt der Stadtwerke-Sprecher. „Auch andernorts in Bayern und anderen Bundesländern mit besonders starkem PV-Zubau wird so verfahren.“

Zufrieden mit dem Status quo ist man in Erding nicht, im Gegenteil. „Wir brauchen klare, im Massengeschäft praktikable Regelungen, was den Eigenverbrauch angeht. Und es fehlt auch an klaren Regelungen für die Entschädigungszahlungen.“ Und der Sprecher betont: „Wir haben kein wirtschaftliches Interesse, jemanden an der Eigenerzeugung zu hindern. Auch wurde im betreffenden Fall nur die Anforderung zur Abregelung des vorgelagerten Netzbetreibers umgesetzt.“

Vorgelagert ist die Netzgesellschaft der Eon-Tochter Bayernwerk. Welchen Anforderungen sich Bayernwerk Netz gegenüber sieht, spiegeln Zahlen wider, die der Bayerische Rundfunk auf Anfrage erhielt. Demnach musste das Unternehmen vor zwei Jahren insgesamt 100.000 Mal ins Netz eingreifen, 2023 waren eine Million Netzeingriffe erforderlich, für dieses Jahr wird mit drei Millionen gerechnet. Wie viel Handlungsspielraum lässt der Gesetzgeber im Fall von Selbstversorgern?

Solar-Verband: Nicht alle Netzbetreiber setzen Vorgaben um

„Die Regelungen sind eindeutig, aber nicht immer einfach in der Praxis umsetzbar. Dabei ist die Eigenversorgung durch EU-Recht und die Prozessvorgaben der Bundesnetzagentur geschützt beziehungsweise durch finanzielle Ausgleichsansprüche abgedeckt“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Verbands BSW Solar, Carsten Körnig, gegenüber dieser Redaktion. Der Eigenverbrauch werde insbesondere geschützt durch Artikel 13 Absatz (6) c) der EU-Elektrizitätsbinnenmarktverordnung.

Wahrnehmung des BSW: „Wir hören aus der Praxis, dass nicht alle Netzbetreiber diese verbindlichen Vorgaben umsetzen, sodass Photovoltaik-Anlagen von den Netzbetreibern teilweise tiefer abgeregelt werden als der aktuelle Eigenverbrauch.“ Der Verband hält die Verfahrensweisen auch für Anlagenbetreiber und Direktvermarkter für aufwändig und wenig praktikabel. „Hier fordern wir dringend Vereinfachungen, präzisere Standards und massentaugliche Prozesse“, so Körnig.

Bundesnetzagentur: Schutz „nicht absolut“

Die Regulierungsbehörde in Bonn stellt klar: „Nach bestehender Rechtslage ist vorgesehen, dass ein Netzbetreiber bei einer ,Selbstversorgung mit Erneuerbare-Energien-Strom‘ nach Möglichkeit nicht die Erzeugungsleistung der PV-Anlage abregelt, sondern nur die Einspeisung ins Netz.“ Solche beschränkten Abregelungen seien jedoch nur dann umsetzbar, wenn unter anderem die technischen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. „Bei dem Großteil von Solar-Aufdachanlagen, die über sogenannte ,Funkrundsteuerempfänger‘ nach einem gemeinsamen Signal für Anlagencluster (ohne individuelle Differenzierung) über Wechselrichter abgeregelt werden können, dürften die technischen Voraussetzungen dafür jedoch aktuell wohl nicht gegeben sein“, schreibt die Bundesnetzagentur.

Zudem müsste ein Netzbetreiber Kenntnis über die jeweils aktuelle Höhe des anteiligen Erneuerbare-Energien-Selbstverbrauchs beziehungsweise der Netzeinspeisung haben, erklärt die Behörde.

Wo eine auf die Netzeinspeisung beschränkte Abregelung von Solaranlagen möglich ist, sollen diese Möglichkeiten zum Schutz einer Selbstversorgung genutzt werden, so die Bundesnetzagentur. Der Schutz sei allerdings „nicht absolut“: „Sofern eine Abregelung von Erneuerbare-Energien-Selbstversorgungsanteilen erforderlich ist, um Netze stabil zu halten, kann ein Netzbetreiber (nachrangig) weiterhin Erneuerbare-Energien-Strom einschließlich Selbstversorgungsanteilen abregeln.“
 

Manfred Fischer
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 09.08.2024, 13:14 Uhr

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