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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Mit Vorurteilen aufräumen
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Mit Vorurteilen aufräumen
Am Niederrhein kommt der Hoffnungsträger Wärmepumpe in vielen verschiedenen Bereichen zum Einsatz. Ein Überblick.
 
Wie würde die Erzählung über die Wärmepumpe wohl lauten, wenn sie nicht in die Mühlen der Bundespolitik geraten wäre? Ohne dies wäre sie heute vermutlich eine einzige Erfolgsgeschichte. Sie kündete vom Boom der CO2-freien Heiztechnik im Jahr 2024 − und nicht vom Bumm, dem krachenden Lärm, den Opposition und Koalition um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die Wärmepumpe veranstalteten. Es wäre nicht die Rede von Überproduktion, vollen Lagern, Kurzarbeit und langen Gesichtern bei den vielen mittelständischen Produzenten in Deutschland.

Dass die Technik politisch in Misskredit geraten ist, verdirbt die Stimmung und das Geschäft. Umso mehr kämpfen Hersteller, Käufer und Anwender des strombetriebenen Geräts gegen den Trend und die Widrigkeiten an. Am wirksamsten erscheinen ihnen dabei die guten Beispiele, all jene Orte, Menschen und Firmen, die Wärmepumpen bereits in ihren Alltag integriert haben.

Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) bat Medienschaffende zu diesem Zweck zu einer Rundtour ins Niederrheinische, den Südwestzipfel Nordrhein-Westfalens, eingeladen. Um dabei, so viel sei vorweggenommen, eins klarzustellen: Die Wärmepumpe weiter im parteipolitischen Wettbewerb zu verheizen, „ist brandgefährlich für die Branche und die Wärmewende“, so BWP-Geschäftsführer Martin Sabel im Gespräch mit E&M.

Der Branchenverband vertritt auch die Interessen von etwa 80 Wärmepumpenherstellern in Deutschland. Ihre Produkte und Heizlösungen finden sich am Niederrhein in gewöhnlichen Wohnhäusern ebenso wie in schillernden Gebäuden. Der Bilker Bunker in Düsseldorf ist einer dieser außergewöhnlichen Komplexe. Die ehemalige Luftschutzeinrichtung aus dem Kriegsjahr 1943 ist seit 2023 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und heute ein Mix aus Wohngebäude, Ausstellungshalle, Bar und Fahrradgarage. Er hat überlebt, weil eine Bürgerinitiative seinen Abriss einst verhinderte.

Wärmepumpe für den Bunker

Wer das wuchtige Bauwerk betritt, den kann etwas Respekt beschleichen. Die Perspektive und das Gefühl ändern sich spätestens beim Erreichen des Dachgeschosses. Dort ist eine besondere Penthouse-Sammlung entstanden, bestehend aus fünf zweigeschossigen Kuben mit einer Wohnfläche von jeweils mindestens 97 Quadratmetern.

Hier oben ist das Heizen und Kühlen Aufgabe einer Luft-Wasser-Wärmepumpe in Zweier-Kaskade. Das Ecodan-Modell aus dem Hause Mitsubishi leistet 22,4 kW und funktioniert im Innenbereich als Fußbodenheizung. In den unteren Stockwerken ist eine größere Fläche zu beheizen, entsprechend ist hier eine Leistung von 56 kW in einer Vierer-Kaskade verbaut. Rippenrohrheizkörper geben die Wärme ab. Die Wärmepumpe sei „eine ideale Lösung für die vielfältige Nutzung des Bunkers“, sagt der Düsseldorfer Architekt Robert Tyborski. CO2-Ersparnis gegenüber Gas: 2.373 Kilogramm jährlich in den Wohnbereichen, 6.875 Kilogramm im alten Bunkerbereich.

Ankunft in einem Straßenzug in Mönchengladbach-Hardt, einst Wohnsitz von Angehörigen des britischen Militärs. Wären die holzverkleideten Fassaden in Schwedenrot getüncht und nicht in Mausgrau, könnte man sich wie in der Nachbarschaft von Pippi Langstrumpf fühlen. Am Werk war hier der Projektträger Renowate, der die serielle Sanierung und Dämmung von Bestandsgebäuden mit dem Einsatz von Wärmepumpen verknüpft.

17 Wärmepumpensysteme ersetzen die früheren Gasheizungen und bringen Wohnungen und Wasser von 25 Mehrfamilienhäusern aus den 1950er-Jahren auf Temperatur. Die Hersteller Vaillant und Stiebel Eltron sind zu gleichen Teilen mit ihren Kombinationen aus Pumpen und Pufferspeichern zum Zuge gekommen. „Die Wärmepumpen sind der entscheidende Faktor für die CO2-freie Heizlösung“, sagt Renowate-Geschäftsführer Andreas Miltz. Ihre Klimafreundlichkeit ist ein zentrales Argument für die Wärmepumpe. Primärenergie und Endenergiebedarf ließen sich zu 87 beziehungsweise 93 Prozent einsparen, rechnet er vor.

Menschen wollen die Technologie verstehen 

Bei der Hatus Haustechnik GmbH ist es ein wenig wie beim Optiker. Dort tragen die freundlichen Mitarbeitenden in der Regel selbst eine Brille, beim Heizlösungsanbieter in Korschenbroich ist eine Wärmepumpe zur Versorgung der eigenen beiden Firmengebäude eine Selbstverständlichkeit. Verbaut ist eine Sole-Wasser-Kombination von Alpha Innotec, die rund 430 Quadratmeter Bürofläche über Heizkörper auf Temperatur bringt. Als Ergänzung des Systems dient ein Kombispeicher, der als Puffer Wärme und zugleich − in einem getrennten Kreislauf − Trinkwasser vorhält.

Wenn Hatus-Geschäftsführerin Anne Kamps den Ausstellungsraum im Erdgeschoss präsentiert, lässt sich erahnen, dass Überzeugungsarbeit nach wie vor Teil der Arbeit von Herstellern, Handwerkern und Dienstleistern ist. „Wir merken oft, dass Hausbesitzer sich viel mehr für eine Wärmepumpe oder Erdwärme begeistern, wenn sie das Gefühl haben, sie verstehen die Technologie, und wenn sie sich vorstellen können, wie ihr Haus damit warm wird“, sagt Kamps. Ihr Unternehmen verfügt auch über Erfahrung in Tiefenbohrungen und hat sich seit 50 Jahren auf klimafreundliche Heizsysteme spezialisiert. Bis heute kommt Hatus auf mehr als 3.500 in Alt- und Neubauten eingebrachte Wärmepumpen.

Zurück in Düsseldorf. Das Gelände des Baumaschinenherstellers Komatsu Germany ist weitläufig und mit drei Produktionshallen und einem Bürogebäude versehen. Fertigung und Verwaltung klimafreundlicher zu beheizen, ist hier eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Dafür sorgen inzwischen 19 Wärmepumpen des Herstellers August Brötje. Die an verschiedenen Stellen des Geländes installierten Luft-Wasser-Anlagen sind teilweise in Kaskaden geschaltet und leisten zwischen 8 und 27 kW.

Vier weitere Einheiten sind für das laufende Jahr eingeplant. Ganz umgekrempelt hat Komatsu die Infrastruktur nicht: Die vorhandenen Leitungen und Heizkörper sind weiter im Einsatz, sie beheizen mehr als 7.500 Quadratmeter an Bürofläche, Aufenthalts- und Schulungsräumen. Mit dem Umbau der Heizungsanlage, sagt Thomas Burggraf, Komatsu-Abteilungsleiter Instandhaltung, „haben wir einen weiteren bedeutenden Schritt in Richtung CO2-neutrale Produktion gemacht“.

Dies sind vier Geschichten aus Nordrhein-Westfalen, die so gar nicht zur jüngsten Wahrnehmung der Wärmepumpe zu passen scheinen. Aber mit der Wahrnehmung ist das ja so eine Sache. Skepsis gegenüber der Technik scheint jedenfalls unangebracht, wenn man einer repräsentativen Umfrage des Heizungsbauers Buderus Glauben schenkt. Sie hat erbracht, dass aktuell mehr als 95 Prozent der Wärmepumpennutzenden zufrieden mit der gewählten Lösung sind.

Und so macht es der Bundesverband Wärmepumpe sich zur Aufgabe, mit einem Vorurteil aufzuräumen. Wärmepumpen, betont Geschäftsführer Martin Sabel, kämen nicht nur für die Hälfte der Bestandswohnungen in Deutschland infrage. Für weitere 40 Prozent seien sie ebenfalls zu empfehlen, sofern gleichzeitig der Austausch der alten Heizkörper erfolgt. Das heißt im Umkehrschluss, dass nur jede zehnte Wohneinheit auf andere Wärmelösungen zurückgreifen muss. „Die Verunsicherung über die Wärmepumpe“, sagt er, „ist eigentlich nicht nachzuvollziehen.“

 
Peter Schneider (l.) und Günther Hochhaus mit Vaillant-Wärmepumpen für das Quartier in Mönchengladbach
Quelle: Volker Stephan

 
 

Volker Stephan
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Dienstag, 15.10.2024, 08:49 Uhr

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