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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Mehr KI, mehr Automation
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Mehr KI, mehr Automation
Der BEMD hat eine neue Auflage seiner Transparenzinitiative Meter to Cash abgeschlossen. Die Mehrzahl der IT-Unternehmen in der Energiewirtschaft sieht sich als Plattformbetreiber.
 
Nach 2017, 2019 und 2022 ist es die vierte Umfrage ihrer Art. Im Rahmen seiner Transparenzinitiative Meter to Cash hat der Bundesverband der Energiemarktdienstleister (BEMD) erneut die IT-Unternehmen in der Energiewirtschaft um Angaben zu etwa 400 Bewertungskriterien gebeten. Nach 22 Teilnehmern vor drei Jahren waren dieses Mal 23 Unternehmen mit 25 Anwendungen mit von der Partie. Sie machten mit Angaben entsprechend dem überarbeiteten Kriterienkatalog zu 155 Fragen.

„Ich würde mir nicht anmaßen zu behaupten, dass wir eine hundertprozentige Vollständigkeit erreichen. Aber wir haben sicherlich den mit Abstand umfassendsten Überblick am Markt über Plattform- und Lösungsanbieter in der Energiewirtschaft“, sagt Dirk Briese. Die beiden Begriffe, die der BEMD-Geschäftsführer benutzt, waren schon vor drei Jahren wesentlich und sind mittlerweile entscheidende Attribute, um die IT-Unternehmen zu kategorisieren. Zehn Unternehmen sehen sich als Plattformanbieter, sechs als Lösungsanbieter und acht gehören nach eigener Einschätzung mit ihren Produkten zu beiden Gruppen.

Leitlinie für die Einordnung ist die Plattformdefinition des BEMD. Demnach sind Plattformanbieter gekennzeichnet durch
  • einen standardisierten Kern für die nicht differenzierenden energiewirtschaftlichen Kernprozesse wie etwa Abrechnung und Marktkommunikation (Billing, Mako, etc.) und sogenannte allgemeine Plattform-Capabilities (Integration Layer, User Management, Transportmanagement, Staging-Konzept, APIs),
  • flexible Module für differenzierende Prozesse wie etwa den Kundenservice.
„Für den Anbieter einer Plattform geht es vor allem darum, die Integration durch Schnittstellen effektiv zu managen, die Prozesse durchgängig abzubilden und damit den Nutzern ein Grundgerüst für ihre Geschäftsmodelle zu geben“, sagt Jörn Haußen, Leiter der Arbeitsgruppe Meter to Cash beim BEMD, der im „Hauptberuf“ die Energiemarktstrategie des IT-Dienstleisters Gisa verantwortet.
 
Saubere Definition von „Plattform“ und „IT-Lösungsanbieter“
 
Es sei durchaus eine Herausforderung gewesen, eine saubere Definition zu erstellen. „Denn IT-Anbieter sind im Grunde alle teilnehmenden Unternehmen. Und inzwischen bezeichnen sich auch die meisten als Plattformanbieter“, betont Haußen. Man müsse abwarten, wie lange der Markt braucht, bis er die Definition verinnerlicht hat und in der täglichen Praxis nutzt. Mit Blick auf das Standardleistungsverzeichnis des Verbands zeigt er sich allerdings optimistisch. Denn dieses sei mit der Abbildung aller Marktrollen und deren Prozesse entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette mittlerweile vom Markt angenommen und werde von Versorgern in Ausschreibungen sowie von Behörden und Beratern weithin genutzt.

Während Lösungsanbieter Software vermarkten, die einen klar definierten Leistungsumfang hat, habe die Umfrage gezeigt, dass Plattformanbieter eine möglichst vollständige Abdeckung der Standardprozesse anstreben. „Sie versuchen aber auch, Spezialangebote zu integrieren“, fügt Briese hinzu. Das zeige sich an den mittlerweile zahlreichen Kooperationen.

Drei „Spezialanbieter“ haben als eigene Betrachtungsgruppe Eingang in die Transparenzinitiative gefunden: Epilot, Exnaton und Sopra Steria decken zwar die energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette nicht vollumfänglich ab, werden aber dennoch den Plattformen zugeordnet. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist die tiefe Ausprägung spezifischer Anwendungen beziehungsweise Funktionen. „Sie besetzen eine Nische“, sagt der BEMD-Geschäftsführer.

Dynamischer Markt

Der Markt für Plattform- und IT-Lösungsanbieter ist dynamisch. Er ist nicht nur für Neueinsteiger ein attraktives Umfeld. Auch etablierte Anbieter lassen immer wieder mit Vertriebserfolgen aufhorchen, insbesondere, wenn es ihnen gelingt, sich im Wettbewerb gegen SAP durchzusetzen.
So hat beispielsweise SIV vor wenigen Wochen bekannt gegeben, dass die Stadtwerke Strausberg, Ludwigsfelde und Neuruppin ihre IT-Systeme gemeinsam auf die Plattform des IT-Unternehmens aus dem Kreis Rostock umstellen. Sie wollen damit ihre Geschäftsprozesse vereinheitlichen, stärker automatisieren und optimieren. Nach einer europaweiten Ausschreibung war die Entscheidung für SIV und gegen das Produkt des bisherigen Anbieters SAP gefallen.
Im vergangenen Jahr hatte bereits die Kölner Rheinenergie den Wechsel von SAP zu Schleupen bekannt gegeben und schließlich im Februar 2025 darüber berichtet, zusammen mit Schleupen eine eigene Abrechnungslösung für den Energievertrieb entwickelt zu haben. Diese soll gemeinsam vermarktet werden.

Entsprechend seien Plattformen so konzipiert, dass sie einfach erweiterbar sind, über definierte und standardisierte Schnittstellen externe Applikationen einbinden oder über sogenannte Software Development Kits eine Reihe von Programmierwerkzeugen und Programmbibliotheken zur Verfügung stellen können. Ein weiteres wesentliches Merkmal ist laut Briese die Tendenz der Plattformanbieter, ihre Produkte als Software-as-a-Service zu vermarkten.

Ein Name fehlt in der Transparenzinitiative bei den Plattformbetreibern: die Thüga. Ihre eigene Abrechnungsplattform, die TAP, war, wie der Stadtwerkeverbund selbst auf seiner Internetseite schreibt, 2024 ins Stocken geraten. Grund war der Verkauf der damaligen Powercloud – erster Projektpartner der TAP – an den australischen Hansen-Konzern, in dem die Marke nun auch vollständig aufgegangen ist. Es sei unklar gewesen, wie es weitergehen würde. Die „Aufbruchstimmung“ sei mit dem Generalunternehmer Accenture und SAP als neuem Softwarepartner schnell zurückgekommen. Allerdings habe die Architektur der Plattform komplett neu aufgebaut werden müssen. Nach dem Kick-off im Herbst 2024 sind die Kunden, die als Erste auf die Plattform gehen werden, in ihre Transitionsprojekte gestartet und planen ihr Go-live im Jahr 2026, heißt es vonseiten der Thüga.
 
Thüga-Abrechnungsplattform voraussichtlich 2026 live
 
Mit ihrer TAP geht die Thüga ihren eigenen Weg, nachdem 2019 die „Verbandsübergreifende Initiative IT-Plattform der Zukunft“ (VÜI) gescheitert war. Von BDEW und VKU sowie der sogenannten Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe war die Initiative 2017 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, mehr als 50 Millionen Zählpunkte unter einer gemeinsamen IT-Architektur zu vereinen.

Die TAP werde als eine „Experten-Plattform“ der Branche den Zugang zu einer „einzigartigen Wissens-Community“ ermöglichen, versprach Jan-Wilm Buschkamp im Mai dieses Jahres. „Kein Mitbewerber kann eine derart vollumfängliche Plattform mit der Sicherheit unserer Verträge bieten, schon gar nicht in diesem hohen Kooperationsgrad“, so der Geschäftsführer der TAP-Steuerungsgesellschaft.

Auch wenn die Thüga noch nicht an der aktuellen Umfrage teilgenommen hat, wird sie beim BEMD-Forum „Transparenzinitiative 4.0“ am 11. September in Halle an der Saale mit dabei sein. Dort wird zum einen eine Ergebnisübersicht zur Marktanalyse erfolgen, zum anderen wird aber auch der Einsatz neuer Technologien detailliert diskutiert werden. Denn die aktuelle Version der Transparenzinitiative hat verdeutlicht, dass sowohl die sogenannte Robotic Process Automation (RPA) als auch KI-Technologie verstärkt in Plattformen und IT-Lösungen genutzt werden.

RPA-Lösungen werden – laut Jörn Haußen, wie erwartet – vor allem bei standardisierten Anwendungsfällen eingesetzt. So bestätigen 62 Prozent aller Anbieter, dass sie Kundenanfragen damit bearbeiten, während 70 Prozent bei Datenübertragungen darauf zurückgreifen. Der Einsatz von KI konzentriere sich dagegen vor allem auf komplexere Anwendungsfälle, etwa das Machine Learning (68 Prozent), auf Chatbots (60 Prozent) sowie die Dokumentenerkennung (ebenfalls 60 Prozent).

Etwa die Hälfte aller Anbieter nutze auch sogenannte generative KI für die Erzeugung neuer Inhalte und für Anwendungsfälle im Bereich der vorausschauenden Wartung. Bei großen Sprachmodellen greifen zehn Anbieter auf OpenAI in der Microsoft-Azure-Cloud zurück. 

Auch wenn das Forum zur aktuellen Ausgabe der Transparenzinitiative noch nicht stattgefunden hat, richtet die Arbeitsgruppe Meter to Cash den Blick schon auf die Version 5.0. Briese geht davon aus, dass dann wieder einige neue Anbieter in der Analyse vertreten sein werden. „Denn der Markt ist sehr dynamisch“, so der BEMD-Geschäftsführer. Und der Markteintritt sei attraktiv − obwohl ein Unternehmen wie SAP zweifellos eine herausgehobene Stellung hat, oder vielleicht auch gerade deshalb. Jedenfalls sehen gerade „kleine Schnellbote“ − wie es Briese formuliert − gute Chancen, mit spezifischen Angeboten den Markt aufzumischen und um den Branchenriesen herumzukurven. 

 
Übersicht über die Lösungsanbieter als PDF
(Zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: BEMD
 

Detaillierter Austausch

Der Bundesverband der Energiemarktdienstleister (BEMD) wird am 11. September 2025 die Ergebnisse der vierten Transparenzinitiative „IT-Lösungen und Plattformen Meter to Cash“ bei einem Forum in Halle an der Saale vorstellen. Dort werden sich auch Teilnehmer der Studie in einem Pitch aktuelle Fragen im Kontext der IT-Lösungen und Plattformen im Bereich „Meter to Cash“ stellen. Außerdem wird der Einsatz neuer Technologien wie künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation diskutiert.
Der BEMD vertritt die Interessen von mittlerweile 36 Energiemarktdienstleistern. Zu den Mitgliedsunternehmen gehören Abrechnungs- und Zählergesellschaften, Berater, Callcenter, Forderungsmanager, IT-Dienstleister, Messdienstleister und Messstellenbetreiber. Außerdem listet der Verband auf seiner Internetseite noch 22 Unternehmen als Innovationspartner auf.
Der Verband veranstaltet seit Jahren auch Round Tables bei seinen Mitgliedern, etwa bei der Wilken Software Group und bei SAP. Dort tauschen sich die Teilnehmer unter anderem über die aktuellen Bedürfnisse des Marktes und Lösungs- und Kooperationsansätze der jeweiligen Gastgeber aus.
 

Fritz Wilhelm
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Donnerstag, 04.09.2025, 09:12 Uhr

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