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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Mehr Druck gegen Insiderhandel
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
Mehr Druck gegen Insiderhandel
Manche Regelenergiemarktteilnehmer nutzen die fehlende Transparenz über die Abrufaktionen rechtswidrig aus, meint Amani Joas vom Grünstromhändler Flexpower im Gespräch mit E&M.
 
17 Direktvermarkter und Energiehändler, die täglich mehr als 40.000 MW Solar- und Windstrom an den Strombörsen platzieren, hatten 2023 ein ungewöhnliches Bündnis geschlossen: Gemeinsam protestierten sie gegen einen Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium für eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dieser, so der Vorstoß der 17, würde sie unter Generalverdacht stellen, wenn ihr Bilanzkreis unausgeglichen wäre.

Zu den Initiatoren der Aktion zählt Amani Joas, Geschäftsführer von CFP Flexpower. Mit ihm sprach E&M über das Vorgehen des Bündnisses, die Reaktionen darauf und über die aktuelle Lage in der Direktvermarktung.

E&M: Herr Joas, ist hierzulande das System für das Bilanzkreismanagement bei der Direktvermarktung noch zeitgemäß?

Joas: Im Prinzip funktioniert das System faktisch gut, es gibt aber Probleme. Und zwar sind die Direktvermarkter zwei unterschiedlichen Regelsystemen ausgesetzt. Zum einen sind das die finanziellen Anreize, die auf dem reBAP basieren, dem regelzonenübergreifenden einheitlichen Bilanzausgleichsenergiepreis. Diese Anreize geben den Unternehmen Signale, sich in bestimmten Situationen systemunterstützend zu verhalten. Daneben gibt es zum anderen den Bilanzkreisvertrag, der besagt, dass du als Unternehmen deinen Bilanzkreis so ausgeglichen wie möglich managen musst. Das beißt sich aber.
 
Amani Joas ist Mitgründer und Mitgeschäftsführer des Grünstromhändlers und -direktvermarkters Flexpower
Quelle: Flexpower

E&M: Warum?

Joas: Weil man sich im Stromhandel manchmal entscheiden muss, ob man das System als Ganzes oder den eigenen Bilanzkreis stützen will, ob man also der European Balancing Guideline folgt oder dem deutschen Bilanzkreisvertrag.
Mittlerweile gibt es von den Netzbetreibern zusätzlich noch die Netzampel. Wenn diese auf Rot steht, signalisieren die ÜNB (Übertragungsnetzbetreiber; d. Red.) den Bilanzkreisverantwortlichen (BVK), dass deutlich zu viel oder zu wenig Strom im Netz ist und dass sie reagieren sollen − also de facto, dass der Bilanzkreisvertrag in dieser Situation eigentlich nicht mehr gilt. Das heißt, als Bilanzkreisverantwortlicher sitzt du immer zwischen den Stühlen. Du kannst dich nicht richtig verhalten, du verletzt immer Regeln und Verträge. Deshalb wäre es gut, wenn es in Deutschland endlich Regelungen wie in anderen europäischen Ländern gäbe, wo ein systemstützendes Handeln explizit gewollt ist.

E&M: Inwieweit fühlt sich Flexpower an die European Balancing Guideline gebunden?

Joas: Das ist unsere oberste Richtschnur. Die European Balancing Guideline ist etwas offener als der deutsche Bilanzkreisvertrag. Als BKV halten wir uns selbstverständlich an beides.

E&M: Aber sehen Sie sich bei Ihrem operativen Tagesgeschäft nicht im ständigen Spannungsfeld zwischen diesen europäischen Guidelines und dem abgeschlossenen Bilanzkreisvertrag?

Joas: Wir sind natürlich an nationales Recht beziehungsweise Verträge gebunden, wir sehen aber das angesprochene Spannungsfeld zwischen nationalem und EU-Recht. Deshalb haben wir selbst ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Danach ist der Bilanzkreisvertrag nicht kompatibel mit den European Balancing Guidelines. Hierzu gibt es jedoch noch kein abschließendes Urteil.

E&M: Genau das ist Tenor des Positionspapiers gewesen, mit dem Flexpower zusammen mit weiteren 16 Direktvermarktern und Energiehändlern im Sommer 2023 an die Öffentlichkeit gegangen ist. Haben die Bundesregierung, die Bundesnetzagentur oder die Politik auf dieses Positionspapier überhaupt reagiert?

Joas: Es hat im Nachgang Gespräche mit der Bundesnetzagentur sowie mit den vier Übertragungsnetzbetreibern gegeben. Die ÜNB haben leider keine einheitliche Position. Einige können sich nach unserer Auffassung durchaus ein systemstützendes Bilanzkreismanagement vorstellen, andere eher nicht.
Die Bundesnetzagentur, so unser Eindruck, steht dagegen noch voll auf der Bremse. Immerhin hat sich das Bundeswirtschaftsministerium von seiner letztjährigen Überlegung, wonach die Bilanzkreistreue unverzichtbarer Bestandteil eines Bilanzkreisvertrags sein muss, nach unseren Informationen verabschiedet.

E&M: Erwarten Sie in dieser Legislaturperiode noch eine politische Initiative zur Einführung des systemstützenden Bilanzkreismanagements?

Joas: Es sieht nicht danach aus. Aber diese Regeländerung wird kommen, das ist der Lauf der Geschichte.

E&M: Warum?

Joas: Weil immer mehr Verantwortliche bei der Bundesnetzagentur und den Übertragungsnetzbetreibern merken, dass wir in einem immer dezentraleren und marktgetriebenen System unterwegs sind, das nur funktioniert, wenn wir als Marktakteure richtige Preisanreize haben. Klar ist, dass das mit einem Kontrollverlust für diejenigen verbunden ist, die derzeit noch an den zentralistischen Stellschrauben sitzen. Hunderttausende Einspeiser und Erzeuger zentral kontrollieren zu wollen, wird einfach nicht mehr möglich sein.
Wir müssen uns von Dogmen der Vergangenheit lösen: Dazu gehört auch die Annahme, dass mit Zunahme fluktuierender Energien der Regelenergiebedarf steigt. Das Gegenteil ist der Fall. Außerdem wird sich der deutsche Sonderweg gegen geltendes europäisches Recht nicht für immer fortsetzen lassen.

E&M: Apropos Regelenergie: Sollte es von den Übertragungsnetzbetreibern so etwas wie ein Regelenergiesignal geben, auf das alle reagieren können?

Joas: Mit der schon angesprochenen Netzampel gibt es eine vorhandene Plattform, die technologisch noch erweitert werden müsste: Und zwar sollte es Regelenergiesignale nicht nur in Extremsituationen geben, sondern sozusagen auch im Alltagsgeschäft. Technisch machbar ist das.

E&M: Inwieweit ist es in Ihren Augen in jüngster Zeit zu Unregelmäßigkeiten bei der Aussendung dieses Regelenergiesignals gekommen?

Joas: Das Regelenergiesignal wird nur in Extremsituationen veröffentlicht, mit zwei Minuten Verzögerung. Anbieter von Regelenergie bekommen jedoch bei jedem Abruf einer ihrer Anlagen das Signal, also auch wenn die Ampel gar nicht anspringt. Damit haben sie meistens 15 Minuten vor dem Rest des Marktes wertvolle Informationen und viele reagieren darauf. Das darf nicht sein, denn das ist Insiderhandel. Es geht um viel, viel Geld. Selbst wenige Minuten Vorsprung sind schon eine Ewigkeit, die zu Eruptionen führen kann. Wir brauchen gleiche Spielregeln für alle.

E&M: Wie soll das funktionieren?

Joas: Zum einen könnten die Übertragungsnetzbetreiber ihre Informationen allen Marktteilnehmern gleichzeitig zugänglich machen. Zum anderen muss Acer (die EU-Reguliereragentur; d. Red.) zusammen mit der Bundesnetzagentur gegen diese täglich auftretenden Vorkommnisse als REMIT-Verstoß vorgehen, da ein Insiderhandel vorliegt (REMIT: EU-Verordnung über die Integrität und Transparenz der Energiemärkte; d. Red.).
Sollte es dazu kommen, dürfte die Versuchung, sich überhaupt auf einen solchen Insiderhandel einzulassen, drastisch sinken. Beispiele wie die Niederlande oder Großbritannien zeigen, dass es technisch problemlos machbar ist, allen Marktteilnehmern das Regelenergiesignal zu übermitteln, und auch einzelne Verfahren gegen Insiderhandel haben Signalwirkung.

E&M: Wie geht es weiter?

Joas: Der Ball ist jedenfalls im Spiel. Regelenergie liefern meist größere Energieunternehmen, die auch Kraftwerke besitzen. Was wir anstoßen, ist ein Umverteilungsprozess. Das wird nicht einfach, aber wir bleiben dran.
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Donnerstag, 05.09.2024, 09:00 Uhr

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