
Mit dem Paket „Fit for 55“ wird die bestehende EU-Gesetzgebung zum Schutz des Klimas auf breiter Basis überarbeitet, verschärft
und erweitert. Kern der Vorschläge sind die Ergänzung des stationären Emissionshandels (ETS) durch eine Grenzausgleichsabgabe
(CBAM), die Einführung eines separaten Emissionshandels für den Straßenverkehr und die Gebäudewirtschaft (ETSbis) sowie die
Verschärfung der Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge, die neu zugelassen werden.
Hinzu kommen höhere Anforderungen an den Ausbau der erneuerbaren Energien, an die Energieeffizienz, den Luft- und Seeverkehr,
den Ausbau der Infrastruktur für „alternative Brennstoffe“ (dazu gehören auch Ladesäulen), an die Nutzung von Wäldern und
anderen Flächen durch die Landwirtschaft sowie eine Neuordnung der Energiebesteuerung.
Die Emissionen im Rahmen des ETS sollen deutlich schneller zurückgeführt werden als bisher vorgesehen. Die Zahl der Zertifikate,
die frei zugeteilt und versteigert werden, würde nach dem Vorschlag der Kommission ab 2021 um 4,2 % pro Jahr verringert. Bislang
sind es 2,2 %. Zusätzlich soll die Zahl einmalig um 117 Mio. gekürzt werden. Airlines erhalten weniger Zertifikate gratis
als bisher.
Der Seeverkehr soll schrittweise in das ETS einbezogen werden. In den ersten drei Jahren will die Kommission die notwendige
Datengrundlage schaffen. Danach müssen die Reedereien für alle Transporte innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums und
für die Hälfte der Strecke, die sie von einem Drittland in einen europäischen Hafen oder von einem europäischen Hafen in ein
Drittland zurückgelegen, Zertifikate vorlegen.
Grenzausgleichsabgabe für Wettbewerber
Um die europäische Industrie vor Wettbewerbern aus Drittländern zu schützen, die keine oder wesentlich geringere Kosten für
den Klimaschutz tragen, soll ab 2026 eine Grenzausgleichsabgabe (carbon border adjustment mechanism) eingeführt werden. Ziel
ist es, in diesen Ländern einen Anreiz für vergleichbare Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen.
Der Grenzausgleich soll zunächst nur fünf Produktgruppen betreffen: Stahl, Zement, Aluminium und Düngemittel sowie Strom.
Diese Branchen machen nach Angaben der Kommission 45 % der vom ETS erfassten Emissionen aus. Abgabenpflichtig werden die Importeure
dieser Waren. Sie müssen die mit der Produktion verbundenen CO2-Emissionen nachweisen.
Die entsprechenden Angaben werden von der Kommission bis 2025 gesammelt und bewertet. Auf dieser Grundlage wird der CO2-Gehalt
der Einfuhren festgelegt, für den die Importeure ab 2026 so viel Zertifikate vorlegen müssen, wie im Rahmen des ETS fällig
wären. Die Importzertifikate können allerdings nicht im ETS gehandelt werden.
Dabei wird berücksichtigt, dass die Anbieter aus der EU einen Teil ihrer Zertifikate gratis erhalten. Dieser Anteil wird jedes
Jahr um 10 % gekürzt. Gleichzeitig wird die Ausgleichsabgabe, die zunächst nur 10 % des Referenzwerts beträgt, jedes Jahr
um 10 % angehoben, sodass es ab 2035 keine freie Zuteilung von Emissionsrechten mehr gäbe. Die Importeure würden dann genauso
belastet wie die europäischen Anbieter der genannten Waren.
Kann ein Hersteller nachweisen, dass er für den CO2-Ausstoß bereits belastet wurde, lässt sich diese Belastung mit dem EU-Grenzausgleich
verrechnen. Damit sollen Drittstaaten ermuntert werden, ihre CO2-Emissionen zu besteuern oder ebenfalls einen Emissionshandel
einzuführen.
Der CBAM soll dafür sorgen, dass die europäische Industrie ihre Produktion nicht in solche Länder verlagert, in denen es keine
Auflagen zum Klimaschutz gibt. Ungeklärt ist, ob der Grenzausgleich vereinbar ist mit den Regeln des Welthandels. In Brüssel
gibt man sich zuversichtlich.
Wegen der absehbaren Widerstände will die Kommission den Grenzausgleich zunächst nur für wenige Produkte einführen. In Brüssel
ist man überzeugt, den CO2-Ausstoß für jedes Unternehmen der genannten Branchen zuverlässig ermitteln zu können, was eine
wichtige Voraussetzung sei, um den Anforderungen der WTO zu genügen. Außerdem sei die Gefahr der Abwanderung in den genannten
Industriebranchen besonders groß.
Emissionshandel für Verkehr und Gebäude
Der dritte Schwerpunkt der Kommissionsvorschläge ist die Einführung eines Emissionshandels für den Straßenverkehr und Gebäude
(ETSbis). Auch hier will die Kommission schrittweise vorgehen. Bis 2026 sollen die für den Handel notwendigen Daten erhoben
werden. Die Bepreisung soll zwar im Endeffekt die Verbraucher treffen, die Zertifikate müssen aber auf der Ebene des Großhandels,
also von den Raffinerien, der Gaswirtschaft oder dem Ölhandel, vorgelegt werden.
2026 würde sich das ETSbis in den Preisen für Benzin, Öl oder Erdgas bemerkbar machen. Die Kommission will jedoch Vorkehrungen
treffen, damit der CO2-Preis in den ersten Jahren niedrig bleibt. Sie erhofft sich davon eine „Konsolidierung des Trends zum
elektrischen Auto“, der trotz nationaler Förderprogramme nicht so recht in Gang kommt.
Außerdem sei eine erhebliche Beschleunigung der Modernisierung im Gebäudebestand notwendig, wenn die EU ihre Klimaziele erreichen
wolle. Damit auch sozial schwache Haushalte in Zukunft mobil bleiben und sich warme Wohnungen leisten können, soll ein Viertel
der Einnahmen aus dem ETSbis in einen Sozialfonds fließen.
Mittwoch, 14.07.2021, 15:09 Uhr